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Mit Apps den Rücken stärken

Frau sitzt mit Smartphone auf Trainingsmatte
Zertifizierte Trainings-Apps können bei der Prävention von Rückenbeschwerden helfen. | Bild: Prostock-studio / AdobeStock

Betrachtet man aktuelle Zahlen, gehören Rückenschmerzen für viele zum Alltag: Einer Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) zufolge gingen im Jahr 2022 in Deutschland durchschnittlich 76,61 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Versicherungsjahre auf das Konto von RückenschmerzenTK Gesundheitsreport Arbeitsunfähigkeiten 2023 . Damit stellten Rückenbeschwerden die dritthäufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehltage dar. Weltweit betrachtet, scheinen Schmerzen im unteren Rücken sogar die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit zu sein. 

Eine Querschnittsbefragung des Robert Koch-Instituts (RKI) im Jahr 2019/20 zeichnete ein ähnliches Bild: Von knapp 5.000 befragten Erwachsenen gaben 61,3 % an, in den letzten zwölf Monaten Rückenschmerzen verspürt zu habenJournal of Health Monitoring
Prävalenz von Rücken- und Nackenschmerzen in Deutschland. Ergebnisse der Krankheitslast-Studie BURDEN 2020
 

Doch was kann man tun, um Rückenschmerzen zu lindern oder gar vorzubeugen? 

Gegen Rückenschmerzen digital trainieren

Eine Möglichkeit, sich für seine Rückengesundheit einzusetzen, stellen spezielle Gesundheitsapps dar, die zeit- und ortsunabhängig Trainingseinheiten ermöglichen. Viele Krankenkassen bieten ihren Versicherten entsprechende Kurse an, so steht z. B. TK-Versicherten die App „eCovery“ zur Verfügung, AOK-Versicherte können hingegen das Online-Programm „Rückenaktiv“ nutzen. 

Doch während diese Angebote von den Krankenkassen individuell festgelegt werden, stehen digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) allen GKV-Versicherten gleichermaßen kostenlos zur Verfügung. Auch hier werden Rückenschmerzgeplagte fündig – und können mittlerweile zwischen vier Anwendungen wählen. 

Kaia Rückenschmerzen: Videos, Informationen und Coach in einem

Seit 2016 bietet die Trainings-App „Kaia Rückenschmerzen“ ihren Nutzern die Möglichkeit, sich selbstständig um die eigene Rückengesundheit zu kümmern. Dabei setzt die App auf eine Kombination aus physiotherapeutischen Übungen, Entspannungstechniken und Hintergrundwissen (sog. multimodale Schmerztherapie) mit dem Ziel, die Schmerzintensität zu lindern und dadurch die Lebensqualität zu verbessern. 

Diese Effekte wurden mittlerweile in einer randomisiert-kontrollierten Studie belegt, sodass Anfang 2023 die dauerhafte Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis erfolgte.

Empfehlung gegen Schmerzen: täglich 15- bis 30-minütiges Training

Anhand eines zuvor durchgeführten Selbsttests (Abfrage von Fitness und Beschwerden) erstellt die App zunächst einen individuellen Trainingsplan, um dann aus einem Angebot von 300 Videos die passenden Übungen auszuwählen. Diese können individuell in den Alltag integriert und ortsunabhängig – z. B. während der Mittagspause oder unterwegs – durchgeführt werden. 

Es wird empfohlen das 15- bis 30-minütige Training drei- bis siebenmal pro Woche durchzuführen. Um den korrekten Bewegungsablauf dabei sicherzustellen, bietet die App den sogenannten „Bewegungscoach“ an. Dieser analysiert mittels Kamera die jeweilige Bewegung und gibt anschließend Tipps, um die Übung noch präziser ausführen zu können.

Nach jedem Training können die Erfolge in der App dokumentiert und die körperlichen Übungen so an die individuellen Gegebenheiten angepasst werden. Ergänzt wird das Angebot durch Atem- und Entspannungsübungen sowie Hintergrundinformationen zu den Themen Selbstmanagement und Änderung des Lebensstils. 

Vivira: Digitale Alternative zur Physiotherapie

Eine weitere digitale Gesundheitsanwendung stellt die App „Vivira“ dar. Auch sie ist nach entsprechender ärztlicher Diagnose (z. B. nichtspezifische Rückenschmerzen) zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse erstattungsfähig. Laut Anbieter kann die Anwendung dabei alternativ zur Physiotherapie sowie ergänzend zu anderen konventionellen Therapien eingesetzt werden.

Vivira bietet den Nutzern ein personalisiertes therapeutisches Training für zu Hause, welches dabei helfen soll, Schmerzen zu reduzieren und körperliche Funktionen wiederherzustellen. 

Nach einer Testphase, in der Beweglichkeit, Kraft und Koordination überprüft werden, wird ein personalisierter Trainingsplan erstellt. Anhand dessen werden den Nutzenden täglich vier Übungen mit Video, Ton und Text (insgesamt circa 15 Minuten) vorgeschlagen und anschließend auf Basis der jeweiligen Rückmeldung der Schweregrad individuell angepasst. 

Einmal wöchentlich werden Schmerzausmaß, Lebensqualität und Einschränkungen erfragt, um den jeweiligen Fortschritt zu visualisieren. Darüber hinaus wird einmal im Monat die Bewegungsfähigkeit überprüft und so auch die Auswirkungen auf Mobilität, Kraft und Koordination veranschaulicht. 

Die jeweiligen Trainingsdaten können als PDF gespeichert und mit dem Arzt oder Therapeuten geteilt werden. Die App ist im App-Store oder Google-Play-Store erhältlich und kann sieben Tage kostenlos getestet werden. 

Psychologische Unterstützung bei chronischen Schmerzen

Da Rückenschmerzen sich auch auf die Psyche auswirken können, stehen mittlerweile auch DiGA mit psychologischem Schwerpunkt zur Verfügung. Ziel dieser Anwendungen ist es, die Schmerzbeeinträchtigung im Alltag zu reduzieren und die gesundheitsbezogene Lebensqualität zu steigern.

Die App „HelloBetter ratiopharm chronischer Schmerz“ setzt dafür auf Strategien und Übungen der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (eine Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie). In sieben Kurseinheiten (à  60 Minuten) werden den Nutzern psychotherapeutische Techniken sowie Hintergrundinformationen in Form von Text, Video und Audio vermittelt. Die Nutzenden werden zudem psychologisch begleitet und Fortschritte im Online-Tagebuch sichtbar gemacht.

Erst vor Kurzem konnte die App den Nutzen anhand einer randomisierten kontrollierten Studie belegen und damit die dauerhafte Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis erreichen.

Gut zu wissen: Nutzennachweis gilt nicht für Rückenschmerzen

HelloBetter konnte den Nutzen nicht für alle Indikationen gleichermaßen belegen. Daher wird die DiGA bei Indikationsstellung „Rückenschmerzen“ nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die DiGA ist auf Kassenkosten nur (noch) erhältlich bei 

  • anhaltender somatoformer Schmerzstörung, 
  • chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie 
  • Fibromyalgie.

Online-Kurs von Selfapy auch bei Rückenschmerzen

Soweit ist Selfapy mit seinem Online-Kurs bei chronischen Schmerzen bislang noch nicht: Die internetbasierte Anwendung wird derzeit nur vorläufig im DiGA-Verzeichnis gelistet. 

Wie alle Angebote von Selfapy basiert auch der Kurs bei chronischen Schmerzen auf den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. In zwölf Lektionen wird auf Themen wie Schmerzedukation, Umgang mit Stress, Körperwahrnehmung und Selbstwirksamkeit, Entspannungstechniken, gesunder Lebensstil und Rückfallprävention eingegangen. Neben der Vermittlung von Hintergrundwissen und Bewältigungsstrategien umfasst die Anwendung auch „Hausaufgaben“. Diese sollen dabei unterstützen, die neu erworbenen Techniken in den Alltag zu übertragen.

Der Online-Kurs kann sowohl therapiebegleitend als auch alleinstehend genutzt werden. Pro Woche wird eine Lektion empfohlen, was einer Bearbeitungszeit von circa 60 Minuten entspricht. Weitere Quellen:
PM Barmer, PM AOK Nordost, Kaia Health Software GmbH, www.vivira.com, DiGA-Verzeichnis des BfArM
 

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