Kinderwunsch
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Wie funktioniert eine Kinderwunsch­behandlung?

Paare mit unerfülltem Kinderwunsch suchen häufig ein Kinderwunschzentrum auf, um geeignete Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. | Bild: New Africa / AdobeStock

Ungewollte Kinderlosigkeit ist keine Seltenheit. Schätzungen zufolge sind weltweit circa 48 Millionen Paare im reproduktiven Alter davon betroffen. 

Von Unfruchtbarkeit, oder auch Infertilität, spricht man, wenn nach einem Jahr regelmäßigem ungeschützten Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft zu Stande kommt. Die Ursachen dafür sind vielfältig und betreffen zu ungefähr gleichen Teilen Männer und Frauen. Das Ausbleiben der Empfängnis kann hormonell, organisch oder krankheitsbedingt sein, aber auch durch Infektionen oder den Lebensstil verursacht werden.

Bei Kinderwunsch: Hormonscreening als diagnostische Methode

Viele Paare suchen aufgrund von Unfruchtbarkeit ein Kinderwunschzentrum auf, um die Gründe für die Infertilität herauszufinden und anschließend passende therapeutische Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Bei einer ersten Basisdiagnostik werden beim Mann die Spermien und bei der Frau insbesondere die Hormone untersucht.

Eine Blutuntersuchung der wichtigsten Hormone erfolgt am Zyklustag (ZT) 3–7 und soll Aufschluss über eventuelle Störungen im weiblichen Zyklus geben. Folgende Parameter werden dabei berücksichtigt:

  • Luteinisierendes Hormon (LH) und follikelstimulierendes Hormon (FSH): Relevant für die Follikelreifung und den Eisprung.
  • Prolaktin: Wichtig für die Milchbildung während der Stillzeit. Problematisch ist eine Hyperprolaktinämie, die zu Zyklusunregelmäßigkeiten führen kann.
  • Estradiol: Verantwortlich für einen intakten Zyklus.
  • Gesamt-Testosteron, freies Testosteron, DHEAS (Dehydroepiandrosteron-Sulfat, Testosteron-Vorstufe), SHBG (Sexual-Hormon-bindendes Globulin, Speicherungs- und Transportprotein für Testosteron): Zur Bestimmung des Androgenindex, da ein Androgenüberschuss die Eizellreifung negativ beeinflussen kann.
  • Schilddrüsenhormone, z. B. Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH): Beeinflussen die Eierstockaktivität → Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse sollte medikamentös eingestellt werden.
  • Anti-Müller-Hormon (AMH): Dient als Maß für die noch vorhandene Eizell-Reserve.

Im Gegensatz dazu wird Progesteron erst circa sieben Tage nach dem vermuteten Eisprung bestimmt. Dieser Wert dient als Nachweis für einen ovulatorischen Zyklus und wird beispielsweise bei Patientinnen mit einem PCO-Syndrom (PCOS) ausgewertet.

Künstliche Befruchtung: IUI, IVF und ICSI

Je nach Ergebnis der Voruntersuchung kommen verschiedene Therapieoptionen zum Einsatz, die alle mehr oder weniger mit einer hormonellen Behandlung in Verbindung stehen. Methoden, die im Bereich der künstlichen Befruchtung im Kinderwunschzentrum durchgeführt werden, sind 

  • die Intrauterine Insemination (IUI),
  • die In-vitro-Fertilisation (IVF) und
  • die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).

Bei einer IUI wird aufbereitetes Sperma zum Zeitpunkt des erwarteten Eisprungs in die Gebärmutter eingespült. Für das gezielte Auslösen der Ovulation (Eisprung) kommen in einigen Fällen Hormone zum Einsatz, um das Eintreten einer Schwangerschaft zu unterstützen. Verwendet wird humanes Choriongonadotropin (hCG), welches circa 24 h vor der Einspülung subkutan in die Bauchfalte injiziert wird.

Bei einer IVF-Behandlung wird das Wachstum der Follikel hormonell stimuliert, um eine ausreichende Menge an Eizellen entnehmen zu können. Im Anschluss werden die aufbereiteten Spermien in einer Petrischale mit den Eizellen zusammengeführt und abgewartet, bis eine Befruchtung festgestellt wird. Die befruchteten Eizellen werden am dritten bis fünften Entwicklungstag über einen Katheter in die Gebärmutter überführt (Embryotransfer). 

Bei der ICSI-Methode wird eine direkte Befruchtung durch Injektion der Spermien in die entnommenen Eizellen durchgeführt. Die ICSI kommt vor allem bei sehr stark eingeschränkter Spermienqualität zum Einsatz.

Hormonbehandlung als wichtiger Teil der künstlichen Befruchtung

Bei IVF und ICSI kommen zwei verschiedene Hormonbehandlungs-Schemata zum Einsatz: das Agonisten- und das Antagonisten-Protokoll. 

Das Agonisten-Protokoll wird deutlich seltener angewendet, da es bereits im vorherigen Zyklus begonnen wird und deshalb einen zeitlichen Mehraufwand darstellt. Es ist beispielsweise bei Frauen mit nicht entfernten Endometriose-Herden indiziert. 

Während der Behandlungsphase wird mittels Blutuntersuchung und Ultraschall die Reifung der Follikel kontrolliert, um eventuelle Anpassungen im Schema vorzunehmen.

WirkstoffgruppeWirkstoffeZyklustag (durchschnittlich)Wirkung
Agonisten-Protokoll
Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Rezeptor-Agonisten
  • Buserelin, Nafarelin (nasale Applikation)
  • Triptorelin (Injektion)
ZT 20 des vorherigen Zyklus bis ZT 12Eisprung-Unterdrückung durch Down-Regulation der GnRH-Rezeptoren in der Hypophyse
Antagonisten-Protokoll
Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Rezeptor-Antagonisten
  • Cetrorelix, Ganirelix (Injektion)
ZT 6/7 bis ZT 12/13Verhinderung eines vorzeitigen Eisprungs, da LH-Anstieg unterbunden wird
Antagonisten- und Agonisten-Protokoll
Gonadotropin-Wirkstoff (FSH- oder FSH/LH-Präparat)
  • Follitropin beta,
  • Follitropin alpha,
  • Follitropin alfa + Lutropin alfa
  • Menotropin
Ab ZT 2 täglich bis zur EizellentnahmeGewährleistet das Heranreifen mehrerer Follikel gleichzeitig
humanes Choriongonadotropin (hCG)
  • Choriogonadotropin alfa (Ovitrelle®)
  • humanes Choriongonadotropin (Brevactid®)
1–2 Tage nach Erreichen der optimalen FollikelgrößeAuslösen des Eisprungs, strukturelle Ähnlichkeit mit LH
Gestagen-Präparat
  • Progesteron (Vaginalgel, Vaginalkapseln oder Injektion)
Ab Eizellentnahme bis ZT 28 oder längerFördert den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut für die optimale Einnistung der Eizelle

Gut zu wissen: Tipps zum richtigen Spritzen

  • Hände vor jedem Spritzen desinfizieren.
  • Falls nötig, die Injektionslösung herstellen bzw. mischen (z. B. bei Gonal-F):
    • Die Lösung aus der Spritze in das Vial geben (im Vial mischen, nicht außerhalb der Behältnisse, wie z. B. in einem Becher).
    • Die verordnete Menge mit der mitgelieferten steril verpackten Spritze aus dem Vial entnehmen. Das Vial dabei auf den Kopf drehen, um keine Luft aufzuziehen.
  • Injektionsstelle circa 3-Fingerbreit entfernt vom Bauchnabel, bei täglicher Injektion die Stelle jedes Mal variieren.
  • Haut mit einem Alkohol-Tupfer desinfizieren.
  • Die Lösung aus der Injektionsspritze in eine Bauchfalte injizieren.
  • Hautstelle erneut desinfizieren.
  • Die restliche Injektionslösung im Vial im Kühlschrank lagern und für weitere Injektionen verwenden. Idealerweise wird das Vial im Gemüsefach gelagert, hier herrscht optimale Temperatur. Vorsicht: Nicht in der Kühlschranktür lagern, durch ständiges Öffnen der Tür herrscht keine gleichmäßig kühle Temperatur. Auch nicht an der Kühlschrankwand lagern, das Medikament kann einfrieren, wodurch die Wirksamkeit gemindert wird.

Nebenwirkungen der Hormone unter künstlicher Befruchtung

Aufgrund der teilweise zeitgleichen Verabreichung von Hormonen kann es zu Stimmungsschwankungen und Kopfschmerzen kommen. Außerdem steigt das Thromboserisiko während des Behandlungszyklus. 

In der Stimulationsphase dominieren Übelkeit sowie Unterbauchschmerzen. Nach der Eizellentnahme kann es zu periodenähnlichen Symptomen kommen, wie ein Druck im Unterbauch. Nach dem Transfer können ein aufgeblähter Bauch, Müdigkeit und leichter Schwindel vorkommen.

Einen Sonderfall stellt das Überstimulationssyndrom dar, was durch das Heranwachsen einer zu großen Menge Follikel gleichzeitig ausgelöst werden kann. Unter 1 % der IVF- bzw. ICSI-Patientinnen sind von einer schweren Form betroffen. 

Es ist charakterisiert durch vergrößerte Eierstöcke, Unterbauchschmerzen, Wasseransammlungen im Bauch und Atembeschwerden. Zudem steigt in diesem Zusammenhang das Thromboserisiko. Die Therapie richtet sich nach der Ausprägung und Schwere der Beschwerden.

Kinderwunschbehandlung teilweise durch die GKV mitfinanziert

Ob eine künstliche Befruchtung von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) finanziell unterstützt wird, ist in „§ 27a Sozialgesetzbuch V – Künstliche Befruchtung“ geregelt.

Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die Krankenkasse die Behandlungskosten unterstützt:

  • Die betroffenen Personen sind miteinander verheiratet und es werden ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehepartner verwendet.
  • Beide Ehepartner sind mindestens 25 Jahre alt. Die Frau darf nicht älter als 40, der Mann nicht älter als 50 Jahre alt sein.
  • Die Unfruchtbarkeit muss ärztlich festgestellt worden sein.
  • Vor der Behandlung muss eine medizinische oder psychosoziale Beratung stattgefunden haben.
  • Ärztliche Feststellung auf hinreichende Aussicht auf Erfolg, die i. d. R. für drei Versuche ausgelegt ist.
  • Ein Antrag auf Genehmigung bei der GKV vor Beginn der Behandlung.

Wie ist mit Rezepten zur künstlichen Befruchtung umzugehen?

In der Apotheke erkennt man ein Rezept zur künstlichen Befruchtung an der Kennzeichnung „§ 27a“. Dies besagt, dass die Krankenkasse die Behandlung zu 50 % finanziert. Die anderen 50 % des Betrags werden von der Patientin selbst getragen, eine gesetzliche Zuzahlung fällt für die Versicherte nicht an.

Übrigens: Manche Krankenkassen übernehmen über die 50%ige Kostenbeteiligung hinaus weitere freiwillige Mehrleistungen. In solch einem Fall kann die Versicherte ihren Beleg zur weiteren Erstattung bei ihrer Krankenkasse einreichen.

In der Apothekensoftware gibt es meist einen gesonderten Auswahl-Button mit dem Hinweis „Künstliche Befruchtung“, der die richtige Abrechnung und die Sonder-PZN 09999643 ergänzt.

Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/12/07/hilfe-bei-unerfuelltem-kinderwunsch
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/der-eizelle-auf-die-spruenge-helfen-147163/seite/3/?cHash=c6243542b70670b221b7be2f38c33bab
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/015_D_Ges_fuer_Gynaekologie_und_Geburtshilfe/015-085d_S2k_Diagnostik-Therapie-vor-ART_2019-04.pdf
 

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