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Zum Tag der Endometriose am 29. September: Endometriose: Schleimhaut auf Abwegen?

Bildliche Darstellung einer Gebärmutter
Frauen haben oft bis zu zehn Jahre lang Beschwerden, bevor eine Endometriose diagnostiziert wird. | Bild: Alena / AdobeStock

Schmerzen und unerfüllter Kinderwunsch: Viele Betroffene der Unterleibserkrankung Endometriose leiden unter starken Symptomen und damit verbundenen Einschränkungen im Alltag. 

Eine, die offen darüber spricht, ist das Model Anna Wilken. Auf Instagram zeigt sie ihr Leben mit Blähbauch, Unterleibskrämpfen und Fehlgeburten. „Für viele sind es leider immer noch ‚nur Periodenschmerzen‘. Doch dem ist nicht so. Ich hoffe sehr, dass wir Betroffenen dieses Stigma bald mal loswerden“, schreibt die 27-Jährige unter einem ihrer Postings.

Bis zu 15 Prozent der Menschen mit Zyklus sind betroffen

Endometriose kann alle Menschen betreffen, die ihre Menstruation bekommen. Dazu können neben Frauen auch Transmenschen zählen und jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen. Etwa 10 bis 15 Prozent der Menschen mit Zyklus und im gebärfähigen Alter leiden unter Endometriose. 

Was passiert bei einer Endometriose?

Bei der Endometriose wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) ähnelt, außerhalb der Gebärmutter. Das Gewebe siedelt sich oberflächlich auf dem Bauchfell, an den Eierstöcken, der Blase oder im Darm an. Im Prinzip können diese Schleimhautzellen an jeder Stelle des Körpers wachsen. Wandern sie in die Muskelschicht der Gebärmutter, spricht man von Adenomyose. 

Wie in der Gebärmutter auch wird diese Schleimhaut mit jedem Zyklus auf- und wieder abgebaut. Dadurch kommt es zu Blutungen in das umliegende Gewebe, was wiederum Reizungen, Entzündungen, Zysten und Verwachsungen verursachen kann.

Welche Symptome können auftreten?

Diese sogenannten Endometriose-Herde sind gutartig und führen nicht bei allen Frauen zu spürbaren Beschwerden. Die meisten Frauen suchen erst dann ärztliche Hilfe, wenn die Endometriose erhebliche Schmerzen verursacht oder eine Schwangerschaft ausbleibt. 

Die Endometriose ist auch deshalb so schwer zu erkennen, weil die Symptome – zum Beispiel starke Unterbauchschmerzen vor der Regelblutung – für typische Menstruationsbeschwerden gehalten werden. Vielen tun auch der Rücken oder andere Körperstellen weh, oft unabhängig von der Periode. 

Es gibt aber auch weitere Symptome, die auf eine Endometriose hindeuten können, wie beispielsweise Schmerzen beim Wasserlassen, beim Stuhlgang oder beim Geschlechtsverkehr, zyklische Schulterschmerzen, wenn das Zwerchfell betroffen ist, sowie bei Nabel-Endometriose Nabelschmerzen bis hin zu Nabelblutungen.

Darüber hinaus sind die Regelblutungen meist stark und unregelmäßig. Sind Eierstöcke oder Eileiter betroffen, kann das zu Unfruchtbarkeit führen. Bei etwa jeder zweiten Frau mit unerfülltem Kinderwunsch stecke eine Endometriose dahinter, schreibt der Berufsverband der Frauenärzte.

Bei Jugendlichen äußert sich die Krankheit häufig durch Schmerzen im Becken, wie britische Forscher herausfanden. Dafür werteten sie Studien(The Prevalence of Endometriosis in Adolescents with Pelvic Pain: A Systematic Review)  zu Beckenschmerzen bei Mädchen aus. Bei fast zwei Dritteln (64 Prozent) jener jungen Menstruierenden, bei denen eine Bauchspiegelung durchgeführt wurde, stießen die Ärzte auf eine Endometriose.

Endometriose im Überblick

Definition:

  • Vorkommen von gebärmutterschleimhautähnlichem Gewebe (Endometrium = Gebärmutterschleimhaut) außerhalb der Gebärmutterhöhle
  • das gutartige Gewebe baut sich zyklisch auf, kann sich aber nicht, wie in der Gebärmutterhöhle, nach außen entleeren
  • dadurch entstehen Entzündungen, Zysten, Verwachsungen und Narben, zum Beispiel an den Eierstöcken, im Darm oder in der Harnröhre

Symptome (bei circa 60 bis 70 % der betroffenen Menschen):

  • chronische Bauch- und Rückenschmerzen, vor allem während und kurz vor der Menstruation
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
  • manchmal auch Schmerzen beim Wasserlassen oder beim Stuhlgang
  • eventuell Unfruchtbarkeit

Diagnose:

  • durch eine Bauchspiegelung mit anschließender Untersuchung einer Gewebeprobe

Therapie:

  • operative Entfernung der Endometrioseherde oder -zysten
  • medikamentöse Therapie durch hormonelle Hemmung der Endometrioseherde (reine Gestagenpräparate, orale Kontrazeptiva, GnRH-Analoga)
  • Einsatz von Analgetika/Antiphlogistika (NSAIDs, seltene Opioide und Co-Analgetika wie Amitriptylin, Pregabalin oder Gabapentin)
  • psychotherapeutische Maßnahmen zur Bewältigung des chronischen Leidens. Dazu gehören beispielsweise die Verhaltenstherapie, die Hypnose, aber auch das Erlernen von Entspannungstechniken

Betroffene werden oft nicht ernst genommen 

Da die Symptome der Erkrankung so vielfältig seien, vergingen durchschnittlich acht bis zehn Jahre bis zur Diagnose, sagt Anja Moritz von der Endometriose-Vereinigung Deutschland. „Es gibt Betroffene, da hat es teilweise 20 Jahre oder länger gedauert.“ 

Grund dafür sei, dass Betroffene oft nicht ernst genommen werden. Zudem seien die Periode und Menstruationsbeschwerden häufig ein Tabuthema, erklärt die Expertin. Viele Betroffene bekämen aus ihrem Umfeld zu hören, dass Schmerzen zur Regelblutung dazugehörten. Wegen Aussagen wie „Hab dich nicht so“ oder „Sei nicht so sensibel“ scheuten sich viele vor einem Arztbesuch. 

Endometriose ist schwer zu diagnostizieren

Die Diagnose ist schwierig: Sitzen Endometriose-Herde im Enddarm, könnten Ärzte sie bei schweren Formen der Erkrankung durch Tastuntersuchungen feststellen, erklärt Uwe Andreas Ulrich, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Martin Luther Krankenhauses in Berlin. Bei Endometriose-Zysten im Eierstock könne dagegen eine Ultraschalluntersuchung Klarheit bringen. 

Die einzige Möglichkeit, eine sichere Diagnose zu stellen, sei bislang jedoch eine Bauchspiegelung, bei der Gewebeproben entnommen und im Labor untersucht würden. Bei dieser Operation könnten Endometriose-Herde auch direkt entfernt werden. Das Verfahren stelle bislang die Grundlage der Behandlung dar.

Welche Ursachen sind bekannt?

Die Ursache für die Erkrankung sowie daraus ableitbare Therapien hätten Forschende bislang nicht entschlüsselt, sagt der Mediziner. Viele Arbeitsgruppen hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiv mit der Erkrankung beschäftigt, „so richtig weitergekommen ist man jedoch nicht“.

Eine Ursache kann eine rückläufige Menstruation sein, bei der Gebärmutterschleimhaut in die Eileiter wandert. Zur Adenomyose kommt es wahrscheinlich, wenn bei starker Bewegung der Gebärmutter während der Periode am Übergang zwischen der Schleimhaut, die das Innere der Gebärmutter (Uterus) auskleidet, und der Muskelschicht der Gebärmutterwand kleinste Verletzungen entstehen und von dort aus Stammzellen in die Muskelwand der Gebärmutter wandern. 

Eine Darm- oder Blasen-Endometriose kann sogar bis zur Organzerstörung führen. Die Bauchfellherde verursachen eher eine ausgedehnte Entzündung und Schmerzen. Wenn eine Endometriose jahrelang nicht erkannt wird, kann sich durch die immer wiederkehrenden Schmerzen ein komplexes Schmerzsyndrom entwickeln.

Wie kann eine Endometriose behandelt werden?

Gegen die Symptome helfe vielen Betroffenen eine Hormonbehandlung, vor allem die Einnahme von Gelbkörperhormonen, sagt Chefarzt Uwe Andreas Ulrich. Einigen helfe auch eine geeignete Antibabypille – diese Therapie sei in Deutschland jedoch nicht zugelassen. 

„Das Ziel all dieser Hormonbehandlungen ist idealerweise einen Zustand zu erreichen, bei dem die Frauen keine Blutungen haben. Die Frauen haben dann weniger Beschwerden“, sagt Ulrich. „Das suggeriert, dass auch die Endometriose weg ist.“ Setze man die Hormone jedoch ab, kämen die Symptome häufig zurück.

Zur Hormonbehandlung der Endometriose gibt es zahlreiche Optionen. Das Gestagen Dienogest, das über die zentrale Downregulation wirkt, ist ein gut wirksames Mittel und auch direkt zur Endometriosebehandlung zugelassen (Visanne® und Generika). Allerdings kann es unter Gestagenen allgemein zu unerwünschten Zwischenblutungen kommen. 

Helfen GnRH-Antagonisten und Cannabis?

Weiterhin sind bei Endometriose Analoga vom Gonadotropin-releasing Hormon (GnRH) wie Buserelin und Nafarelin zugelassen, in den USA auch der orale GnRH-Antagonist Elagolix. Weitere Substanzen befinden sich in der klinischen Entwicklung, darunter ein Dopamin-Agonist, der über die Angiogenese-Inhibition wirken soll. 

Verschiedene Studien liefern außerdem Hinweise darauf, dass medizinisches Cannabis möglicherweise in der Lage ist, einer Endometriose entgegenzuwirken. Denn das Endocannabinoidsystem ist an der Uterusfunktion sowie an Uterusfunktionsstörungen beteiligt. Aus diesem Grund könnten in Zukunft THC und CBD zur Behandlung der Endometriose eingesetzt werden. 

Was kann man gegen Endometriose-Schmerzen machen?

Als Analgetika können Ibuprofen, Naproxen oder Metamizol empfohlen werden, zur Krampflösung eignen sich ergänzend Buscopan® und Magnesium. Auch 10 %iges Cannabidiol-Öl kann eine wirksame Alternative sein. Bei neuropathischen Schmerzen ist auch Gabapentin eine Option. Dagegen sollten Opiate gemieden werden. 

Wenn diese Optionen nicht ausreichen, können die Betroffenen auch an ein Schmerzzentrum verwiesen werden. Um chronischen Schmerzen vorzubeugen, sollten Analgetika bei Schmerzen in einem festen Schema eingenommen werden. Die Patienten sollten außerdem nicht warten, bis die Schmerzspitze erreicht ist.  

Um Depressionen durch die Dauerbelastung mit den Endometriose-Symptomen zu vermeiden, wird außerdem eine psychotherapeutische Begleitung empfohlen. 

Forderung: mehr Förderung für Endometriose-Forschung

Um das Rätsel der Endometriose zu lösen, fordern Betroffene mehr Unterstützung aus der Politik. So etwa die junge Aktivistin Theresia Crone, die selbst betroffen ist. Die Studentin startete eine Petition, in der sie eine nationale Strategie zur Verbesserung der Lage von Endometriose-Betroffenen fordert. Dazu zähle etwa die Bereitstellung von Fördergeldern für die Forschung.

„Wir haben in 20 Jahren gerade mal eine halbe Million Euro für Forschungsmittel ausgegeben. Wenn man über den medizinischen Bereich nachdenkt, da ist das nichts“, sagt auch Anja Moritz von der Endometriose-Vereinigung Deutschland. „Wenn wir mehr Forschungsmittel hätten, dann gehe ich davon aus, könnten wir schon ein Stück weiter sein.“