Besonderheiten bei der Verordnung: Künstliche Befruchtung – was muss man beachten?
Einer Apotheke wurde folgende Verordnung zulasten der BARMER (IK 104080005) vorgelegt:
5 x Bemfola 150 I.E./0,25 ml Pen 1 St. N1 PZN 10389281
Verordnung nach § 27 a SGB V
Im Handel gibt es neben den verordneten Einzelpackungen, die bei der vorliegenden Krankenkasse rabattiert sind, auch eine größere Packung mit 5 Spritzen. In der Apotheke stellt sich die Frage, welche Packungsgröße Sie abgeben dürfen und welche Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden.
Rechtliche Vorgaben des SGB V
§ 27a SGB V (Sozialgesetzbuch Fünftes Buch) regelt die Leistungen der GKV für Behandlungen im Rahmen der künstlichen Befruchtung:
Auszug aus § 27a SGB V
§ 27a Künstliche Befruchtung
(3) Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 [medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft] besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. […]
Demnach übernimmt die GKV 50% der Kosten bei der Behandlung im Rahmen einer künstlichen Befruchtung. Ein entsprechendes Rezept erkennt man in der Apotheke am Hinweis „Verordnung nach § 27a SGB V“, nach „§ 27a“ oder „künstliche Befruchtung“ sowie an der Verordnung eines Arzneimittels mit diesbezüglicher Indikation. Das Arzneimittel Bemfola aus unserem Beispiel ist z. B. zugelassen zur „Stimulation einer multifollikulären Entwicklung bei Frauen, die sich einer Superovulation zur Vorbereitung auf eine Technik der assistierten Reproduktion, wie In-vitro-Fertilisation (IVF), Intratubarer Gametentransfer oder Intratubarer Zygotentransfer, unterziehen“ (was der Indikation zur künstlichen Befruchtung entspricht).
Abrechnung des Rezepts
Die Technische Anlage 1 bestimmt die genaueren Details der Bedruckung und Kostenübernahme:
Auszug aus Technische Anlage 1
4.9 Abrechnung von Verordnungen im Rahmen der Künstlichen Befruchtung
Zur Kennzeichnung eines Arzneiverordnungsblattes als Verordnung zur künstlichen Befruchtung wird in die erste Abrechnungszeile des Apothekenfeldes das Sonderkennzeichen 09999643 mit dem Betrag ‚0‘ im Einzeltaxfeld und ‚1‘ im Faktorfeld eingetragen. Nachfolgend sind die Pharmazentralnummern der abzurechnenden Arzneimittel mit der entsprechenden Menge und dem Betrag einzutragen, der mit der Krankenkasse abzurechnen ist. Dies ist entweder 50% vom maßgeblichen Apothekenverkaufspreises oder 50% vom Festbetrag, wenn der Apothekenverkaufspreis größer als der Festbetrag ist. Besteht in diesem Fall ein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 SGB V zum Ausgleich der Mehrkosten über dem Festbetrag, ist 50% vom Festbetrag plus Betrag der Mehrkosten (= Differenz AVK – FB) anzugeben. […] Die Eigenbeteiligung des Versicherten zur Künstlichen Befruchtung und eventuelle Mehrkosten bei festbetragsgeregelten Arzneimitteln, die vom Versicherten zu tragen sind, werden wie folgt vom Apothekenrechenzentrum berücksichtigt. Das Feld ‚Zuzahlung‘ wird mit Null ‚0‘ gefüllt.
50% des Rezeptbetrags rechnet die Apotheke, wie bereits erwähnt, mit der jeweiligen Krankenkasse ab. Die Patientin bezahlt dann die anderen 50% des Betrags, eine gesetzliche Zuzahlung fällt für die Versicherte nicht an. Zur Dokumentation und richtigen Einordnung bei der Krankenkasse ist die Sonder-PZN 09999643 anzugeben. Diese wird in der ersten Zeile vor den PZN der verordneten Arzneimittel gedruckt.
Übrigens: Manche Krankenkassen übernehmen über die 50%ige Kostenbeteiligung hinaus weitere freiwillige Mehrleistungen. In solch einem Fall kann die Versicherte ihren Beleg zur weiteren Erstattung bei ihrer Krankenkasse einreichen.
Achtung: Rezepte ohne Hinweis auf § 27a
Die Verordnung eines Arzneimittels, das zur künstlichen Befruchtung zugelassen ist, kann auch ohne den ärztlichen Hinweis auf § 27a SGB V in der Apotheke vorkommen. Hintergrund ist, dass einige der Arzneimittel bei weiteren Indikationen zugelassen sind, so wird z. B. Bemfola auch zur Behandlung des Hypogonadismus bei Männern eingesetzt. In diesen Fällen erstattet die Krankenkasse, wie bei anderen regulären Kassenrezepten, den vollen Abgabepreis. Der Versicherte muss nur die gesetzliche Zuzahlung leisten.
Prüfpflicht bei fehlendem Verweis auf § 27a?
Falls ein Rezept auf eine Behandlung im Rahmen einer künstlichen Befruchtung nach § 27a hindeutet, ein entsprechender Hinweis auf dem Rezept allerdings fehlt, sollten die Apotheken im jeweils geltenden Liefervertrag nachlesen, ob diesbezüglich Prüfpflichten für die Apotheke vereinbart sind. Im Zweifel gilt es, Rücksprache mit dem Arzt zu halten und das Ergebnis auf dem Rezept zu vermerken.
Abgabe nach Rahmenvertrag
Im vorliegenden Beispiel stellte sich nun aber noch die Frage, ob die Apotheke anstelle der verordneten 5 Einzelpackungen auch die größere Packung abgeben dürfte, da dies die Kosten für die Versicherte verringern würde. Die Patientin müsste zwar keine Zuzahlung leisten, jedoch wäre der von ihr selbst zu übernehmende Betrag bei Abgabe der Einzelpackungen höher als bei Abgabe der 5er-Packung. Nach § 8 des Rahmenvertrags sind allerdings Rezepte mit der angegebenen Anzahl an Packungen zu beliefern:
Auszug aus § 8 des Rahmenvertrags
§ 8 Packungsgrößen
(1) Enthält eine papiergebundene Verordnung mehrere Verordnungszeilen, ist jede Verordnungszeile einzeln zu betrachten. Verordnungen sind mit der jeweils verordneten Anzahl von Packungen zu beliefern.
Um die Patientin daher mit der kostengünstigeren 5er-Packung beliefern zu können, müsste das Rezept entsprechend vom Arzt geändert werden.