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Anti-Müller-Hormon: Wie fruchtbar bin ich?

Teströhrchen mit Blut zur Bestimmung des Anti-Müller-Hormons
Das Anti-Müller-Hormon wird im Blutserum gemessen. | Bild: jarun011 / AdobeStock

Das Anti-Müller-Hormon (AMH) gehört als wichtiger Marker in den Bereich der Kinderwunschbehandlung und stellt einen Indikator für die Fruchtbarkeit der Frau dar. AMH bildet insbesondere im Kontext mit anderen Parametern die noch vorhandene Eizellreserve ab.

Gut zu wissen: Was ist die Eizellreserve?

Die Vorstufen der Eizellen werden bereits vor der Geburt im Mutterleib in den Eierstöcken angelegt. Sie werden auch als Follikel oder Eibläschen bezeichnet und stellen die Gesamtheit aller vorhandenen Eizellen einer Frau, die sogenannte Eizellreserve, dar. 

Man geht davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt mehrere Millionen Eibläschen vorhanden sind. Diese Zahl reduziert sich bereits bis zum Eintritt in die Pubertät auf einen Wert von unter einer Million.

Mit Beginn der Menstruation werden monatlich einige Hundert dieser Follikel freigesetzt. Sie durchlaufen verschiedene Entwicklungsstufen, wobei nach und nach der Großteil von ihnen zugrunde geht. 

Nur ein einzelner Follikel, in welchem die Eizelle heranreift, setzt sich pro Zyklus bis zum Eisprung durch und gibt die nun reife Eizelle in den Eileiter frei. Bis zum Ende der reproduktiven Zeit sinkt die Eizellreserve stetig ab, bis sie mit Eintritt in die Wechseljahre so gering ist, dass keine Eizellreifung mehr stattfindet.

Man unterscheidet zwischen der tatsächlichen und funktionellen Eizellreserve. Letzteres betrachtet ausschließlich jene Follikel, die sich bereits in der Entwicklung befinden.

Mit steigendem Alter sinkt die Eizellreserve allmählich, weshalb das Eintreten einer Schwangerschaft bereits ab 30 Jahren erschwert sein kann. Da Paare immer später Eltern werden, ist die Bestimmung des AMH-Wertes heutzutage hochrelevant. 

Laut Daten des Statistischen Bundesamtes bekamen Frauen in Deutschland im Jahr 2023 durchschnittlich mit 30,3 Jahren ihr erstes Kind. 2010 lag das Alter noch bei 29,0 Jahren und in 1980 bei 25,0 Jahren, West- und Ostdeutschland zusammen betrachtet.

Anti-Müller-Hormon wird in der Pubertät produziert

Das Anti-Müller-Hormon wird bei Frauen mit Eintritt in die Pubertät gebildet und ist mitverantwortlich für einen reibungslosen Ablauf des weiblichen Zyklus. Gebildet wird es ausschließlich von den Follikeln, die im jeweiligen Zyklus freigesetzt werden. Genauer betrachtet sind es jene Follikel, die sich in den ersten beiden Entwicklungsstufen befinden. Im Laufe dieser Differenzierungsphase wachsen die Eibläschen immer weiter und stellen ab einer bestimmten Größe die Bildung von AMH wieder ein.

Für die weitere Entwicklung der Follikel sind nun die Hormone FSH (Follikelstimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon) verantwortlich. Sie sorgen dafür, dass am Tag des Eisprungs nur ein einzelner Follikel – auch als ovulatorischer Follikel bezeichnet übrig bleibt, der dann die reife Eizelle für die Befruchtung freigibt.

Gut zu wissen: AMH auch bei Männern vorhanden?

Bereits im Mutterleib, um die achte Schwangerschaftswoche herum, produzieren männliche Embryonen das Anti-Müller-Hormon. Zu dieser Zeit existiert bei allen Föten der Müller-Gang. 

Darunter versteht man ein paarig angelegtes Gebilde, aus dem sich bei weiblichen Embryonen im weiteren Verlauf der Schwangerschaft Gebärmutter und Eileiter bilden. Damit es bei männlichen Föten nicht zu dieser Ausbildung kommt, produzieren die Sertoli-Zellen im Hodengewebe das Anti-Müller-Hormon, was zur Rückbildung des Müller-Gangs führt.

Die Sertoli-Zellen produzieren auch im Laufe des Lebens bei Männern AMH, das beispielsweise für die Spermienbildung wichtig ist. Geringe AMH-Werte können deshalb auf eine Dysfunktion der Sertoli-Zellen hindeuten, die mit einer reduzierten Spermienbildung korrelieren, beispielsweise durch einen vorangegangenen Hodenhochstand.

AMH bildet funktionelle Eizellreserve ab

Da das Anti-Müller-Hormon von den ersten beiden Entwicklungsstufen der freigesetzten Follikel produziert wird, bildet der AMH-Wert die funktionelle Eizellreserve (s. Kasten oben) ab. Das bedeutet: Je höher der gemessene Wert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass pro Zyklus eine Eizelle heranreift, die dann befruchtet werden kann. 

Eine Ausnahme stellt das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) dar. Bei dieser Hormonstörung lassen sich aufgrund der charakteristischen Anhäufung vieler kleiner Eibläschen im Eierstock erhöhte AMH-Werte messen.

AMH-Mangel: „Burn-uut“ der Eizellreserve

Ein niedriger AMH-Wert steht in Verbindung mit einer zu hohen Freisetzung von Follikeln, die sich (noch) nicht in der Weiterentwicklung (Differenzierungsphase) befinden. Dadurch kann es zu einer schnelleren Erschöpfung („Burn-out“) der Eizellreserve kommen.

Zudem korrelieren niedrige AMH-Werte mit einer verringerten Fruchtbarkeit, da wenige reifungsfähige Follikel zu häufigen Zyklen ohne Eisprung oder Zyklusunregelmäßigkeiten führen können. 

Gleichzeitig deutet ein AMH-Mangel auch auf das baldige Eintreten der Menopause in den kommenden Jahren hin.

Die folgende Tabelle gibt Anhaltspunkte zur Einteilung der AMH-Werte:

 AMH-Wert in ng/ml Bedeutung
 > 1–5 normale Fruchtbarkeit
 < 1 eingeschränkte Fruchtbarkeit
 < 0,5 sehr eingeschränkt, mäßiger Erfolg einer künstlichen Befruchtung
 < 0,1 Werte nach der Menopause
 5–15 PCOS

Welche Faktoren können den AMH-Wert beeinflussen?

Es gibt einige Einflussfaktoren, die den AMH-Wert verringern können. Dazu zählen u. a.

  • Übergewicht,
  • Rauchen,
  • ein niedriger Vitamin-D-Wert und
  • hormonelle Kontrazeption mit zahlreichen, auch kombinierten, Hormonpräparaten (2 Monate nach Einnahmestopp Normalisierung).

So wird das Anti-Müller-Hormon bestimmt

Das Anti-Müller-Hormon wird im Blutserum – flüssiger Teil des Blutes nach Abtrennung der Gerinnungsfaktoren – mithilfe eines standardisierten Immuno-Assays (Antigen-Antikörper-Bindungsreaktion) bestimmt. 

Der Testzeitpunkt im Zyklus ist frei wählbar, meist wird er aber in Kombination mit weiteren Hormonen an Zyklustag 3–7 als Basisdiagnostik durchgeführt. So reicht ein einziger Besuch für die Blutentnahme aus und die behandelnden Ärzte bekommen ein umfassendes Bild über den gesamten hormonellen Zustand der Frau. Bei einem auffälligen Wert unter 1 ng/ml sollte eine wiederholte Messung im nächsten Zyklus erfolgen.

Die Messung des AMH-Wertes gehört zur endokrinen Basisdiagnostik im Bereich der Kinderwunschbehandlung. Liegen die Werte unter 1 ng/ml, spricht man von einer ovariellen Restfunktion. Das bedeutet, dass die Produktion reifer Eizellen bereits eingeschränkt ist. Ein solcher AMH-Mangel macht den Eintritt einer natürlichen Schwangerschaft deutlich schwieriger. 

Ein niedriger AMH-Wert stellt auch einen Marker für ein schlechteres Ansprechen auf eine kontrollierte Ovarielle Stimulation dar. Diese wird im Rahmen einer künstlichen Befruchtung bei der Frau vor der Eizellentnahme durchgeführt, um eine ausreichend hohe Ausbeute an Eizellen zu erzielen. In diesem Fall sollte die Dosis des eingesetzten Stimulations-Medikamentes erhöht werden.

AMH-Wert: Isolierte Betrachtung meist nicht sinnvoll

Der AMH-Wert wird selten isoliert betrachtet, sondern meistens in Abhängigkeit von weiteren Faktoren wie einem Anamnesegespräch, Ultraschalluntersuchung und zusätzlichen Blutparametern. Somit dient der Wert also nicht zur Vorhersage einer Schwangerschaftswahrscheinlichkeit und stellt keine abschließende Fruchtbarkeitsprognose dar.

Zwar können AMH-Tests für zu Hause im Internet erworben werden. Allerdings sollte für die richtige Interpretation/Einordnung des Ergebnisses immer eine Untersuchung bzw. Auswertung in einer gynäkologischen oder reproduktionsmedizinischen Praxis erfolgen.

Darüber hinaus bietet ein Kinderwunschzentrum unterstützende Hilfe an und arbeitet zusammen mit den Betroffenen geeignete Behandlungsmaßnahmen für die Zukunft aus. Quellen:
- https://flexikon.doccheck.com/de/Primordialfollikel
- https://link.springer.com/article/10.1007/s41975-021-00206-y
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-085l_S2k_Diagnostik-Therapie-vor-ART_2019-04.pdf
- https://www.netdoktor.de/kinderwunsch/anti-mueller-hormon/
- https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/_inhalt.html
 

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