Können Abführmittel den Darm schädigen?

Die Selbstmedikation von Verstopfung (Obstipation) mithilfe von Abführmitteln kommt häufig in der Apotheke vor. Da die Ursachen für die Verstopfung nicht immer ersichtlich sind, fällt die Beratung manchmal schwer.
Insbesondere bei Kunden, die regelmäßig in der Apotheke nach Abführmitteln fragen, kommen Bedenken bezüglich eines Gewöhnungseffekts und einer Darmschädigung auf. Hierbei ist in erster Linie wichtig, zwischen akuten und chronischen Beschwerden bei Verstopfung zu unterscheiden und die Auslöser zu hinterfragen.
Verstopfung durch Medikamente, Erkrankung oder falschen Lebensstil
Bleibt der Stuhlgang länger als drei Tage aus, ist schmerzhaft und zeigt sich eine harte Stuhlkonsistenz, spricht man definitionsgemäß von Verstopfung bzw. Obstipation. Diese kann entweder akut, wie beispielsweise auf Reisen, oder wiederkehrend auftreten.
Kommen Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe und starke Schmerzen hinzu, sollten die Kunden immer direkt an einen Arzt verwiesen werden.
Die Ursachen für akute und chronische Verstopfung können vielseitig sein, weshalb es bei der Auswahl des Präparates immer einer umfangreichen Beratung bedarf. Typische Auslöser von Obstipation sind beispielsweise
- Fehlernährung (z. B. wenig Ballaststoffe, geringe Trinkmenge),
- mangelnde körperliche Aktivität,
- Analerkrankungen (z. B. Hämorrhoiden, Verletzungen),
- Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn, Darmverschluss),
- Grunderkrankungen (z. B. Schilddrüsenunterfunktion, psychische Erkrankungen, Parkinson),
- Genetik („Langsam-Verstoffwechsler“) sowie
- Medikamente (z. B. Opiate, Schlafmittel, Diuretika).
Patienten, die wiederholt an Verstopfung leiden und bei denen keine klare Ursache ersichtlich ist, sollten zur Untersuchung an einen Arzt verwiesen werden. So können individuelle Therapien besprochen und passende Abführmittel (Laxanzien) ausgewählt werden.
Gut zu wissen: Wer trägt die Kosten für Abführmittel?
Abführmittel müssen normalerweise vom Kunden selbst gezahlt werden, weshalb sie einen großen Teil des OTC-Geschäfts im Apothekenalltag ausmachen.
In einigen Fällen dürfen Ärzte Laxanzien aber auch auf GKV-Rezept verordnen. Dazu gehören beispielsweise Tumorleiden, Mukoviszidose, vor diagnostischen Eingriffen oder begleitend zur Opioid-Therapie. Zu finden sind diese Informationen in der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Anlage 1.
Osmotisch wirkende Laxanzien: Wo liegen die Unterschiede?
Abführmittel werden in osmotisch und stimulierend wirkende Vertreter eingeteilt. Die osmotisch wirkenden Laxanzien binden Wasser im Stuhl, machen diesen weicher und wirken somit einer Verstopfung entgegen. Zur optimalen Wirkung muss immer ausreichend Flüssigkeit aufgenommen werden.
Dazu zählen beispielsweise Macrogole (z. B. Laxatan® M, Movicol ®, DulcoSoft®) und Lactulose (Bifiteral®), die ihr Wirkoptimum nach ein bis drei Tagen erreichen. Ziel ist es, den Stuhl normal zu formen. Sie sind besonders gut verträglich und für die Langzeitanwendung zugelassen, was beispielsweise unter Opioid-Therapie sinnvoll ist.
Für einen schnellen Wirkungseintritt stehen Zäpfchen zur Verfügung, die Glycerol (z. B. Glycilax®) oder Sorbitol (z. B. Microlax®) enthalten. Sie dienen der Erweichung des Stuhls direkt im Enddarm und können innerhalb von einigen Minuten einer akuten Entleerungsstörung entgegenwirken.
Auch Natriumsulfat (Glaubersalz), Magnesiumsulfat (Bittersalz) oder Natrium Mono-/-Dihydrogenphosphat (Freka-Clyss) gehören zu den osmotisch wirkenden Laxanzien. Sie wirken sehr stark osmotisch und werden eher für eine Darmentleerung, beispielsweise vor einer Operation oder Fastenkur, eingesetzt.
Welche stimulierenden Abführmittel stehen in der Selbstmedikation zur Verfügung?
Stimulierend wirkende Abführmittel beschleunigen die Transitzeit des Stuhls und fördern gleichzeitig eine hohe Wassermenge im Darm, wodurch der Stuhl erweicht.
Gut zu wissen: Was versteht man unter Transitzeit?
Die Transitzeit bezeichnet die Zeit, die die aufgenommene Nahrung benötigt, um einen Abschnitt des Verdauungstraktes oder den gesamten Verdauungstrakt zu passieren. Durch die Messung dieser Zeit kann herausgefunden werden, ob der Darm normal oder verzögert arbeitet. /vs
Die Arzneistoffe Bisacodyl (z. B. Dulcolax®) und Natriumpicosulfat (z. B. Laxoberal®) wirken nach oraler Einnahme innerhalb von circa zehn Stunden. Auch Sennesblätter bzw. -früchte (z. B. H&S Abführtee, Midro Tee) haben eine ähnliche Wirkdauer.
Diese drei Abführmittel sind apothekenpflichtig und in der Selbstmedikation zur kurzzeitigen Behandlung von Verstopfung geeignet. Sie sollten so dosiert werden, dass ein normal geformter Stuhl entsteht.
Auch Aloe vera Trockenextrakt (z. B. Kräuterlax®) und Rizinusöl gehören zu den stimulierenden Laxanzien. Letzteres wirkt bereits im Dünndarm und führt ähnlich wie Glaubersalz zu einer schnellen Darmentleerung. Daher wird Rizinusöl heute nicht mehr im Rahmen der Leitlinien empfohlen.
Gut zu wissen: Schonen pflanzliche Laxanzien den Darm?
Die enthaltenen wirksamen Bestandteile in den Sennesblättern und -früchten ähneln in ihrer Wirkweise den chemischen Vertretern aus der gleichen Gruppe und stellen deshalb keine besonders schonende oder milde Alternative dar.
Im Gegenteil: Hierbei kann es schnell zu Überdosierungen kommen, wenn nicht auf die empfohlene Tagesdosis von einem Tee pro Tag geachtet oder der Tee nicht richtig zubereitet wird.
Daueranwendung von Bisacodyl und Natriumpicosulfat ohne Gewöhnungseffekt
Es gibt derzeit keinen Hinweis darauf, dass der langfristige Einsatz von Bisacodyl und Natriumpicosulfat den Darm träge macht. In einer groß angelegten Studie aus 2023 wurden rückblickend Patientendaten dahingehend ausgewertet, ob bei einer Langzeiteinnahme von Bisacodyl – länger als 28 Tage – eine Dosissteigerung zur Wahrung der Wirksamkeit stattfinden muss. Da 94 % der Probanden über den gesamten Zeitraum die Anfangsdosis beibehielten, gehen die Forschenden davon aus, dass es keinen Gewöhnungseffekt gibt.
Dies könnte damit zusammenhängen, dass der wirksame Metabolit der beiden Substanzen nicht vom Körper aufgenommen wird und auch nicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann, weshalb bei langfristiger Anwendung keine Abhängigkeit droht.
Insbesondere Patienten mit chronischen Beschwerden profitieren von den Wirkstoffen und können neben einer Symptomreduktion auch dauerhaft von einer Steigerung der Lebensqualität profitieren.
Darmschädigung bei empfohlener Dosierung nicht wahrscheinlich
Im Rahmen einer großen Metaanalyse, die sich auf Daten von mehr als 40 verschiedenen Studien beruft, konnten keine Hinweise auf eine Darmschädigung bei sachgerechter Anwendung von Bisacodyl festgestellt werden. Weder die Muskulatur bzw. die Nerven des Darms noch die Darmbewegung wurden durch den Wirkstoff verändert. Ebenso konnten keine krebserregenden oder toxischen Effekte festgestellt werden.
Wichtig ist zu erwähnen: Es muss immer die empfohlene Dosis des Abführmittels eingehalten werden, um das Ziel, einen normal geformten Stuhl, zu erhalten.
Eine unsachgemäße Einnahme, Überdosierungen oder ein missbräuchlicher Einsatz ohne eine vorliegende Verstopfung können zu strukturellen Veränderungen der Darmoberfläche führen.
Gut zu wissen: Kontraindikationen beachten!
Zu den Kontraindikationen für Laxanzien in der Selbstmedikation gehören chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und ein Darmverschluss. Kunden sollten hierbei immer an einen Arzt verwiesen werden.
Außerdem sollte bei Kunden, die regelmäßig Abführmittel erwerben, immer wieder hinsichtlich der empfohlenen Dosierung beraten werden, um langfristige Nebenwirkungen zu minimieren. Dazu gehören Krämpfe, Bauchschmerzen, Durchfall sowie Elektrolytverschiebungen. Insbesondere bei Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollte ein Kaliummangel vermieden werden.
Personen ohne eine Verstopfung, die Abführmittel z. B. missbräuchlich zur Gewichtsreduktion einsetzen, sollten unbedingt über gesundheitsschädigende Wirkungen aufgeklärt werden. Neben einem erhöhten Flüssigkeitsverlust kann es auch zu Nährstoffdefiziten und Vitaminmangelzuständen kommen.
Quellen:
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37029896/
- https://www.efsm.online/de_de/article-overview/101/2024/are-all-stimulant-laxatives-the-same-a-comparative-perspective-on-bisacodyl-sodium-picosulfate-sps-and-senna
- https://www.g-ba.de/downloads/83-691-956/AM-RL-I-OTC-2024-10-09.pdf