Colchicin: Nicht nur bei Gicht indiziert
Bei Colchicin handelt es sich um ein Alkaloid aus der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale). Überwiegend kommt die Substanz in den Samen, Blüten und Knollen der Pflanze vor. Colchicin ist also ein Naturstoff, hat aber nur eine geringe therapeutische Breite.
Toxische Wirkungen können bereits in therapeutischen Dosen auftreten – die letale Dosis beträgt bei Erwachsenen normalerweise 20 mg. Todesfälle sind aber auch schon bei niedrigeren Dosen vorgekommen.
Vergiftungen können auch beim Verzehr der Pflanze auftreten. Häufig werden die Blätter des Bärlauchs mit der Herbstzeitlosen verwechselt. Gerade in den Monaten April und Mai treten diese Vergiftungsfälle beim Sammeln von vermeintlichem Bärlauch auf. Ein spezielles Antidot bei Colchicin-Vergiftungen steht nicht zur Verfügung.
Colchicin zur Anwendung bei einem Gichtanfall
Colchicin hemmt die Polymerisation von Mikrotubuli in einer Zelle und wirkt so zellteilungshemmend (antimitotisch). Mikrotubuli sind Proteinverbindungen, die eine entscheidende Funktion bei der Teilung einer Zelle haben. Weiterhin hat Colchicin eine antiinflammatorische (entzündungshemmende) Wirkung.
Colchicin wird unter anderem bei einem akuten Gichtanfall eingesetzt. Der genaue Wirkmechanismus ist allerdings nicht genau bekannt. Vermutlich verhindert Colchicin das Einwandern von Abwehrzellen in die Gelenke und das Fortschreiten von Entzündungsreaktionen. Die starken Schmerzen, die bei Gichtpatienten auftreten, werden wahrscheinlich nicht primär durch die Harnsäurekristalle ausgelöst, sondern vor allem durch daraufhin einwandernde Entzündungsmediatoren.
Gut zu wissen: Was passiert bei einem akuten Gichtanfall?
Bei einem Gichtanfall können bestimmte Gelenke innerhalb kurzer Zeit anschwellen und äußerst schmerzempfindlich werden. Typischerweise ist meist das Gelenk der Großzehe betroffen, auch das Kniegelenk oder andere Zehen- sowie Fingergelenke können schmerzhaft anschwellen.
Auslöser dieser entzündlichen Reaktion sind kleine, nadelförmige Harnsäurekristalle, die sich in den Gelenken ablagern. Solche Ablagerungen können entstehen, wenn der Harnsäurespiegel im Körper erhöht ist.
Auf jeden Fall kann Colchicin die Schmerzen im Gelenk wirkungsvoll reduzieren und wirkt auch der Ausfällung weiterer Kristalle entgegen. Auf die Konzentration an Harnsäure im Blut hat die Substanz allerdings keinen Einfluss.
Soll ein Gichtanfall mit Colchicin behandelt werden, muss die Therapie innerhalb 36 Stunden nach Auftreten der Symptome beginnen. Die Wirkung tritt dann meist innerhalb von zwölf Stunden ein.
Colchicin als Therapie bei familiärem Mittelmeerfieber
Neben einem Einsatz bei Gicht wird Colchicin auch zur Vorbeugung des familiären Mittelmeerfiebers verwendet. Dabei handelt es sich um eine Erbkrankheit, die vor allem in den Regionen des östlichen Mittelmeers vorkommt.
Durch Veränderungen in einem bestimmten Gen wird von den Betroffenen ein Protein gebildet, das Entzündungen aktivieren kann. Die Patienten leiden unter wiederkehrenden Fieberschüben, die scheinbar ohne erkennbaren Grund auftreten können. Dabei sind auch Entzündungen im Bauchfell und den Gelenken möglich.
Die Erkrankung ist nicht heilbar, eine medikamentöse Therapie mit Colchicin muss daher lebenslang erfolgen.
Colchicin: Unterschiedliche Dosierung je nach Indikation
Die Dosierung von Colchicin unterscheidet sich je nach Einsatzgebiet. Übliche Einzeldosen sind dabei:
- Zur Behandlung im akuten Gichtanfall:
- Zunächst wird eine Anfangsdosis von 1 mg (zwei Tabletten) eingenommen, danach 2- bis 3-mal täglich 0,5 mg (eine Tablette).
- Sobald der akute Gichtanfall beendet ist, soll auch die Einnahme von Colchicin beendet werden, auch wenn nach 2 bis 3 Tagen keine Besserung eintritt.
- Während eines Behandlungszyklus dürfen maximal 6 mg Colchicin (zwölf Tabletten) eingenommen werden. Eine erneute Einnahme von Colchicin darf frühestens nach 72 Stunden erfolgen.
- Treten gastrointestinale Symptome wie Durchfall oder Erbrechen auf, muss die Therapie mit Colchicin sofort abgebrochen werden.
- Zur Vorbeugung von Gichtanfällen:
- Am Abend werden 0,5 mg bis 1 mg Colchicin (ein bis zwei Tabletten) eingenommen.
- Bei Patienten mit Nieren- und Leberfunktionsstörungen beträgt die maximale Einzeldosis 0,5 mg pro Tag.
- Bei familiärem Mittelmeerfieber:
- Einnahme von 1 mg bis 3 mg (zwei bis sechs Tabletten) täglich: Die Dosis kann als Einmaldosis eingenommen oder auf zwei Tagesdosen verteilt werden. Die Dosis wird dabei schrittweise auf maximal 3 mg täglich gesteigert.
Präparatebeispiele: Colchicin Ysat 0,5 mg Tabletten, Colchicin Zentiva 0,5 mg Tabletten
Welche Nebenwirkungen können unter Colchicin auftreten?
Wie bereits erwähnt besitzt Colchicin nur eine geringe therapeutische Breite, bei der Einnahme ist daher Vorsicht geboten. Eine Abgrenzung zwischen wirksamen und bereits toxischen Dosen ist schwierig.
Denn: Die Toxizität der Verbindung wird durch das Körpergewicht, Wechselwirkung mit anderen Arzneimitteln und möglichen Vorerkrankungen des Patienten beeinflusst. Treten bei der Einnahme von Colchicin-Tabletten Erbrechen oder Durchfall auf, muss das Arzneimittel sofort abgesetzt werden. Diese Anzeichen können bereits auf eine drohende Vergiftung hindeuten.
Auch bei Fieber, Halsschmerzen oder Blutungen muss eine Behandlung mit Colchicin abgebrochen werden, da diese Symptome auf eine Störung der Blutzellen hindeuten können.
Gut zu wissen: Mehr Sicherheit bei der Einnahme von Colchicin
Noch vor einigen Jahren lag die maximale Höchstdosis bei der Behandlung eines akuten Gichtanfalls mit Colchicin bei 12 mg, dabei kam es jedoch teilweise schon zu Vergiftungen. Aus diesem Grund wurde die maximale Gesamtdosis auf 6 mg verringert.
Als weitere Sicherheitsmaßnahme wurden die erhältlichen Packungsgrößen auf maximal 30 Tabletten begrenzt. Die darin enthaltenen 15 mg Colchicin reichen zur Behandlung von mindestens zwei Gichtanfällen aus.
Auch wurde in der Gebrauchsinformation die verharmlosende Bezeichnung „Pflanzliches Arzneimittel“ gestrichen, da der Begriff „pflanzlich“ häufig mit einem „harmlosen“ Medikament verbunden wird.
Wichtig für die Beratung: Ernährung und Verhütung unter Colchicin beachten!
Wenn Patienten in der Apotheke Medikamente zur Therapie eines Gichtanfalls abholen, sollten diese auch über Hinweise zur Ernährung bei Gicht beraten werden. Denn: Gicht gilt als Purin-Stoffwechselerkrankung, bei der es zu Entzündungen in den Gelenken kommen kann. Durch eine hohe Harnsäurekonzentration im Blut lagern sich Kristalle in den Gelenken ab, dieses Übermaß an Harnsäure stammt von Purinen aus der Nahrung.
Um einem Gichtanfall vorzubeugen, sollten daher bestimmte Lebensmittel vermieden werden. Dazu gehören
- fettreiches Fleisch und Wurst,
- Innereien wie Leber, Herz oder Nieren,
- alkoholische Getränke, insbesondere Bier, sowie
- Softdrinks und Fruchtsäfte mit einem hohen Gehalt an Fruchtzucker (Fructose).
Weiterhin sollte bei der Abgabe von Colchicin darüber informiert werden, dass die Betroffenen keinen Grapefruitsaft trinken dürfen. Der Saft kann die Plasmaspiegel der Substanz erhöhen.
Auch sollten Patientinnen darauf hingewiesen werden, dass sie während und für mindestens drei Monate nach dem Ende der Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden müssen. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2024/daz-13-2024/ein-arzneistoff-zwei-indikationen
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2014/daz-11-2014/ein-patient-mit-akutem-gichtanfall
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Colchicin_44866
- Fachinformation Colchicin Zentiva 0,5 mg Tabletten