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Codein: Wann ist das Opioid indiziert?

Bei unproduktivem Reizhusten werden hustenreizstillende Wirkstoffe wie Codein verwendet, die den Hustenreflex unterdrücken, indem sie das Hustenzentrum im Stammhirn hemmen. Bei Husten mit Schleimbildung dürfen diese Antitussiva jedoch nicht verabreicht werden, da sonst die Gefahr eines Sekretstaus besteht.
Codein gehört aber auch zu den schwach wirksamen Opioid-Analgetika der WHO-Stufe 2 und wird zur Therapie von akuten, mäßig starken Schmerzen eingesetzt. Dabei wird die Substanz mit nichtopioiden Schmerzmitteln kombiniert.
Gut zu wissen: Einteilung der Analgetika nach WHO
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ein Stufenschema zur Behandlung von Schmerzen entwickelt:
In der Schmerztherapie soll dabei zunächst, also in der Stufe 1, ein nichtopioides Analgetikum wie Ibuprofen oder Paracetamol eingesetzt werden. Reicht diese Therapie nicht aus, wird in der 2. Stufe ein schwach wirksames Opioid allein oder in Kombination mit einem nichtopioiden Analgetikum angewendet. Neben Codein gehören auch Dihydrocodein, Tilidin und Tramadol zu den schwach wirksamen Opioiden der WHO-Stufe 2.
In der 3. Stufe kann dann ein stark wirksames Opioid allein oder wieder in Kombination mit einem nichtopioiden Analgetikum verabreicht werden. Zu den stark wirksamen Opioiden dieser WHO-Stufe 3 zählen unter anderem Morphin, Oxycodon, Buprenorphin und Fentanyl.
Codein wird zu Morphin verstoffwechselt
Codein wirkt als Agonist an den Opioidrezeptoren, wodurch das Hustenzentrum blockiert wird. Die analgetische Wirkung kommt durch die Unterdrückung schmerzempfindlicher Impulse zustande, zudem wird die Schmerzwahrnehmung verändert.
Codein gilt dabei als Prodrug (Vorstufe). Etwa 10 % des Wirkstoffs werden im Körper über das Cytochrom-P450-Enzym CYP2D6 in Morphin umgewandelt.
Chemisch unterscheiden sich Codein und Morphin nur durch eine zusätzliche Methylgruppe am Codein. Morphin ist dabei deutlich stärker analgetisch wirksam als Codein. Die Aktivität des abbauenden Enzyms ist nun von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Rund 7 % der Deutschen gelten als langsame Metabolisierer: Bei ihnen fehlt das Enzym CYP2D6 fast komplett und sie bilden daher kein Morphin, womit die schmerzstillende Wirkung unzureichend ist.
Im Gegensatz dazu metabolisieren etwa 3 % der Bevölkerung Codein ultraschnell. Sie weisen mehrere Kopien des Gens für das Enzym auf und setzen Codein daher sehr schnell und in größeren Mengen zu Morphin um. Schon nach einmaliger Einnahme kann bei diesen Menschen die Morphin-Konzentration gefährlich ansteigen und es kann zu einer Überdosierung kommen.
Codein: Wann ist die Anwendung kontraindiziert?
Insbesondere in hohen Dosen kann Morphin zu einer Atemdepression führen und es besteht die Gefahr des Erstickens. Dies ist vor allem bei Kindern gefährlich. Hinzu kommt in dieser Altersgruppe, dass Morphin nur langsam über die Nieren ausgeschieden wird.
Im Zusammenhang mit der Gabe von Codein kam es bereits zu tödlichen Morphinvergiftungen bei Kindern. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die betroffenen Kinder Morphin ultraschnell verstoffwechselten. Da die Schnelligkeit dieser Metabolisierung nicht vorhersehbar ist, ist Codein bei Kindern unter zwölf Jahren zur Behandlung von Husten und Schmerzen schon seit mehreren Jahren kontraindiziert.
Unmittelbar nach einer Mandelentfernung oder bei bekannten Atemproblemen darf Codein auch bei Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren nicht eingesetzt werden. Auch stillende Frauen dürfen kein Codein einnehmen, denn wenn die Mutter Codein schnell verstoffwechselt, ist das Risiko für einen Atemstillstand beim Säugling erhöht.
Wie wird Codein dosiert?
Der Wirkstoff Codein ist in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, meist werden Tabletten, Kapseln, Tropfen oder Zäpfchen eingesetzt. Die Dosierung richtet sich dabei nach der eingesetzten Indikation.
Als Analgetikum ist die einzunehmende Dosis leicht höher als bei einer gewünschten antitussiven Wirkung. Als Hustenstiller werden 15 mg bis 44 mg Codein alle 6 bis 8 Stunden empfohlen, dabei sollte die maximale Tagesdosis von 200 mg nicht überschritten werden. Die letzte Einnahme sollte möglichst am Abend vor dem Schlafengehen erfolgen, denn so kann der Husten in der Nacht effektiv gedämpft werden. Bessert sich der Husten nach zwei Wochen nicht, ist eine weitere diagnostische Abklärung nötig.
Präparatebeispiele: Codein – 1 A Pharma® 16 mg/ml Tropfen zum Einnehmen, BronchiCodein® Tropfen 24 mg Codein/ml
Zur Einnahme bei Schmerzen beträgt die Dosierung 28,3 mg bis 56,6 mg Codein in einem Abstand von mindestens 6 Stunden, die Tageshöchstdosis liegt bei 240 mg. Die Dauer der Anwendung ist auf drei Tage zu begrenzen. Wird keine wirksame Schmerzlinderung erreicht, sollte mit dem Arzt gesprochen werden. Grundsätzlich ist Codein immer in der niedrigsten wirksamen Dosierung und für möglichst kurze Zeit einzunehmen.
Präparatebeispiele: Azur® compositum 350 mg/50 mg/30 mg Tabletten (Tabletten enthalten Paracetamol 350 mg, Coffein 50 mg, Codeinphosphat-Hemihydrat 30 mg), Paracetamol comp. Stada® 500 mg/30 mg Tabletten (Tabletten enthalten Paracetamol 500 mg, Codeinphosphat-Hemihydrat 30 mg)
Gut zu wissen: Bei Codein-Tropfen kein Aut-idem-Austausch möglich
Codein-Tropfen sind in unterschiedlichen Wirkstärken im Handel erhältlich. Gibt es bei einem Hersteller Lieferschwierigkeiten, ist ein Austausch nicht einfach möglich. Aufgrund der unterschiedlichen Dosis würde es sich dabei nicht um einen Aut-idem-Austausch, sondern um einen Aut-simile-Austausch handeln. Dafür ist eine Rücksprache mit dem Arzt und ein durch die Praxis geändertes Rezept nötig.
Welche Nebenwirkungen können unter Codein auftreten?
Bei der Anwendung von Codein kann es zu der bereits erwähnten Atemdepression kommen. Typischerweise kann es auch zu Müdigkeit und Schläfrigkeit und damit zu einer Beeinflussung des Reaktionsvermögens kommen. Wie bei der Einnahme anderer Opioide auch können ebenso Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung auftreten. Aufgrund der euphorisierenden Wirkung besteht auch ein Missbrauchspotenzial.
Codein: Was ist wichtig für die Beratung?
Wie alle anderen Hustenstiller auch darf Codein nicht zusammen mit Expektorantien eingenommen werden, da das Sekret dann nicht abgehustet werden kann.
Auch eine gemeinsame Gabe mit anderen atemdepressiv und zentral dämpfenden Substanzen, wie Benzodiazepinen und Z-Substanzen (z. B. Zopiclon und Zolpidem), ist nicht erlaubt.
Patienten dürfen zudem während der Therapie mit Codein keinen Alkohol trinken. Auch Asthmatiker und Personen mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung sollten nicht mit Codein behandelt werden.
Holen Eltern für sich einen Hustensaft in der Apotheke ab, sollten sie darüber informiert werden, dass Codein-haltige Zubereitungen keinesfalls für Kinder geeignet sind.
Gut zu wissen: Ist ein BtM-Rezept für Codein nötig?
In der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes sind die verkehrsfähigen und verschreibungspflichtigen Betäubungsmittel gelistet. Hier findet sich auch der Wirkstoff Codein wieder.
Codein fällt allerdings nicht unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), wenn die entsprechende Zubereitung bis zu 2,5 von Hundert oder je abgeteilte Form bis zu 100 mg Codein, berechnet als Base, enthält.
Die im Handel erhältlichen Fertigarzneimittel müssen daher normalerweise nicht auf einem BtM-Rezept verordnet werden. Einzige Ausnahme dazu: Wenn der Arzt Codein für eine Betäubungsmittel- oder Alkohol-abhängige Person verschreibt, muss er dies auf einem BtM-Rezept tun. Die Apotheke hat dazu aber keine Prüfpflicht.
Quellen:
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Codein_785
- ttps://www.pharmazeutische-zeitung.de/steckbrief-codein-138309/
- https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0042-104435.pdf
- Fachinformation: Codein – 1 A Pharma® 16 mg/ml Tropfen zum Einnehmen
- https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RI/2013/RI-codeinhaltige-am-kinder.html