Neue NRF-Vorschrift: Cannabidiol-Kapseln aus der Rezeptur: Was ist zu beachten?
Neben der Zubereitung von öligen Cannabidiol-Lösungen (NRF 22.10.) kann Cannabidiol (CBD) in der Rezeptur auch zu Kapseln verarbeitet werden. Dabei werden die einzelnen Kapselunterteile mit einer geschmolzenen lipophilen Fettschmelze befüllt. Aufgrund zahlreicher Anfragen aus der Apothekenpraxis ist aktuell ein Rezepturvorschlag zur Herstellung von Cannabidiol-Kapseln dazugekommen.
Zur Erinnerung: Wie wirkt Cannabidiol?
Die beiden Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) gehören zu den bekanntestes Inhaltsstoffen der Cannabispflanze (Cannabis sativa L.). Aufgrund seiner psychoaktiven Wirkung zählt THC zu den Betäubungsmitteln, CBD weist dagegen keine berauschende Wirkung auf.
Die Substanz wirkt unter anderem antiemetisch und antikonvulsiv und wird zur Therapie von Krampfanfällen, die durch das Lennox-Gastaut-Syndrom oder das Dravet-Syndrom ausgelöst werden, eingesetzt. Auch bei zahlreichen anderen Krankheitsbildern wird Cannabidiol mittlerweile verordnet.
Üblicherweise wird die Substanz aufsteigend dosiert, begonnen wird mit 5 mg pro Kilogramm Körpergewicht als Tagesdosis. Die Einnahme erfolgt zweimal täglich zu den Mahlzeiten.
Eigenschaften der Rezeptursubstanz Cannabidiol
Cannabidiol liegt als weißes bis gelbliches Pulver vor. Die Substanz ist stark lipophil und daher in Wasser praktisch unlöslich. In Alkoholen wie Ethanol 96% (V/V) und fetten Ölen besteht dagegen eine gute Löslichkeit. Die Rezeptursubstanz gilt als lichtempfindlich und muss daher dicht verschlossen und vor Licht geschützt gelagert werden.
Cannabidiol-Kapseln mit Fettschmelze befüllen
Cannabidiol kann nicht als Pulvermischung in Kapseln eingebracht werden, da sich die Substanz auch nach Zusatz von Hochdispersem Siliciumdioxid nur schlecht fein verreiben lässt. Der Wirkstoff wird daher in einer flüssigen Fettschmelze gelöst und anschließend gleichmäßig auf die Kapselunterteile verteilt.
Zur Herstellung der Cannabidiol-Kapseln kommen Gemischtkettige Triglyceride zum Einsatz, die unter dem Namen Softisan® 378 erhältlich sind. Die halbfeste Masse schmilzt beim Erwärmen zu einer klaren, schwach gelben Flüssigkeit, die sich durch eine stark verzögerte Kristallisation beim Erkalten auszeichnet. Klare Schmelzen können daher ausreichend lange zwischen 30 °C und 35 °C verarbeitet werden, bis es etwa bei Raumtemperatur zum Erstarren kommt. Durch diese Eigenschaften sind die Gemischtkettigen Triglyceride gut als Grundlage zur Befüllung von Kapseln mit Fettschmelzen geeignet.
Gut zu wissen: Vergleich zu Dronabinol-Kapseln
Zur Herstellung von Dronabinol-Kapseln nach NRF-Vorschrift 22.7. wird der Wirkstoff ebenfalls in einer flüssigen Fettschmelze gelöst. Auch hier kommen Gemischtkettige Triglyceride zum Einsatz. Diese müssen bei der Verarbeitung von Dronabinol noch mit Palmitoylascorbinsäure als Antioxidans versetzt werden.
Bei der Herstellung von Cannabidiol-Kapseln kann jedoch auf diesen Hilfsstoff verzichtet werden.
NRF-Vorschrift für die Herstellung von Cannabidiol-Kapseln verwenden
Bei der standardisierten Rezeptur aus dem NRF enthält eine einzelne Kapsel 10 mg bis 250 mg Cannabidiol. Für diese untere und obere Dosis ist jeweils die Masse für den einzelnen Kapselinhalt angegeben. Für andere Dosierungen kann die benötige Masse nach einer vorgegebenen Formel (s. u.) berechnet werden.
Cannabidiol-Kapseln 10 mg bis 250 mg (NRF 22.17.) | |||
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1 Hartkapsel enthält: | |||
10 mg | 10 mg bis 250 mg | 250 mg | |
Cannabidiol | 0,01 g | nach Bedarf | 0,250 g |
Gemischtkettige Triglyceride | zu 0,433 g | nach Bedarf | zu 0,457 g |
Kapselhülle Gr. 1 (aus Hartgelatine oder Hypromellose) | 1 Stück | 1 Stück | 1 Stück |
Für Dosierungen zwischen 10 mg und 250 mg kann die Masse des Kapselinhalts (mKI) einer Kapsel aus der gewünschten Dosis an Cannabidiol (mCBD) nach folgender Formel berechnet werden:
mKI = 0,099 × mCBD + 0,432 g
Hat der Arzt beispielsweise 20 Cannabidiol-Kapseln zu 50 mg verordnet, so beträgt die Masse des Kapselinhalts nach Verwendung der Formel 0,437 g.
mKI = 0,099 × 0,050 g + 0,432 g = 0,437 g
Die Masse des Kapselinhalts wird nun mit der gewünschten Stückzahl an Kapseln multipliziert. Da sich die lipophile Schmelze mit Cannabidiol nicht vollständig abfüllen lässt, muss ein Produktionszuschlag berücksichtigt werden. Dieser Überschuss bezieht sich auf Cannabidiol und den Kapselinhalt und sollte mindestens zwei Kapselfüllungen betragen.
Zur Abgabe von 20 Kapseln müssen also die benötigten Einwaagen für 22 Kapseln berechnet werden:
Cannabidiol: 0,050 g × 22 = 1,1 g
Gemischtkettige Triglyceride: 0,437 g × 22 – 1,1 g Cannabidiol = 8,514 g
Zur Inprozesskontrolle wird eine für das Cannabidiol verwendete Wägeunterlage zurückgewogen. Der angezeigte Wert darf dabei nicht höher als 1% der Wirkstoffmasse sein.
Herstellung der Cannabidiol-Kapseln nach NRF
Zur Herstellung werden zunächst in einer Kapselmaschine die Kapselhüllen geöffnet und die Unterteile der Kapseln zur visuellen Kontrolle etwa 5 mm über dem Niveau des Kapselbretts fixiert.
Der Wirkstoff wird in Gemischtkettigen Triglyceriden in einer Fantaschale oder einem Becherglas unter Wärmezufuhr gelöst, dabei kann ein Wasserbad oder eine Heizplatte verwendet werden. Niedrige Konzentrationen an Cannabidiol lösen sich meist relativ schnell, bei höherer Dosierung ist möglicherweise ein Erhitzen des Ansatzes auf 80 °C nötig. Bei Verwendung einer Heizplatte muss die Temperatur kontrolliert werden und darf 100 °C nicht übersteigen.
Wird der Ansatz im Wasserbad erwärmt, darf kein Kondenswasser in die Zubereitung gelangen.
Gut zu wissen: Temperaturkontrolle
Zur Kontrolle der Temperatur bei der Herstellung von Arzneimitteln werden Infrarot-Thermometer empfohlen. Damit ist eine berührungslose Kontrolle und somit keine Kontamination und kein Verlust der Zubereitung möglich.
Kapseln mit Cannabidiol-Schmelze befüllen
Nachdem eine klare Flüssigkeit ohne ungelöste Rückstände erhalten wird, wird der Ansatz zur Befüllung zunächst auf etwa 45 °C abgekühlt. Danach wird die Fettschmelze über eine stumpfe Kanüle in eine 1-ml-Einmalspritze aufgezogen und bis zu zwei Kapselunterteile über die Kanüle vollständig befüllt. Vorzugsweise ist die Oberfläche der Flüssigkeit dabei schwach nach innen gewölbt und muss den Rand der Kapselhülle berühren.
Nach erneutem Befüllen der Spritze werden nach und nach alle Unterteile mit der Fettschmelze befüllt. Die lipophile Flüssigkeit wird dazu im Bereich zwischen 40 °C und 45 °C warm gehalten. Der Leerraum, der beim Erkalten der Schmelze in den Kapseln entsteht, darf nicht weiter aufgefüllt werden, da es sonst zu Fehldosierungen kommt.
Vor dem Verschließen der Kapseln muss die lipophile Schmelze in allen Kapseln gleichartig matt und undurchsichtig aussehen. Ist diese jedoch noch unvollständig erstarrt und durchsichtig, muss weiter abgekühlt werden.
Nach dem vollständigen Abkühlen werden die Kapseln fest verschlossen. Vorhandene Fettmassereste an der Oberfläche der Kapseln werden mit einem Tuch entfernt. Nach dem Verschließen dürfen die Kapseln weder verformt noch geknickt sein.
Kennzeichnung und Haltbarkeit
Die fertigen Kapseln werden unmittelbar nach der Herstellung in ein Weithalsglas aus Braunglas oder eine Dose aus Kunststoff abgefüllt. Je nach Risikoeinschätzung können kindergesicherte Behältnisse sinnvoll sein.
Das Etikett wird nach § 14 Apothekenbetriebsordnung beschriftet, zusätzlich ist der Name und die Ziffer der NRF-Vorschrift anzugeben. Als wasserfreie Darreichungsform sind die Cannabidiol-Kapseln mikrobiell nicht anfällig und daher beträgt die Aufbrauchsfrist laut NRF 1 Jahr.
Die Gemischtkettigen Triglyceride neigen nach der Erstarrung zur Nachhärtung, bei Raumtemperatur ist ein Ausölen der Flüssigkeit aus den Kapseln nicht zu befürchten. Höhere Temperaturen sind jedoch zu vermeiden und die Kapseln sollten daher nicht über 25 °C gelagert werden. Quellen:
Cannabidiol-Kapseln 10 bis 250 mg (NRF 22.17.);
DAC/NRF-Rezepturhinweis Cannabidiol (14.06.2023)