Rezeptur
Praxiswissen
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ASS riecht nach Essig: Was ist zu beachten?

PTA steht in der Rezeptur und vermengt Substanzen in der Fantaschale
Acetylsalicylsäure wird unter anderem als Analgetikum, Antipyretikum sowie als Antiphlogistikum und in niedriger Dosis auch zur Hemmung der Thrombozytenaggregation eingesetzt. | Bild: Gerhard Seybert / AdobeStock

Acetylsalicylsäure (ASS) wird in der Rezeptur überwiegend zur Herstellung von Kapseln in pädiatrischer Dosierung verarbeitet. Der Wirkstoff ist dabei als Rezepturgrundstoff erhältlich und liegt meist als weißes, kristallines Pulver vor. 

Laut Arzneibuch handelt es sich bei Acetylsalicylsäure um einen geruchlosen Feststoff. Allerdings weisen teilweise bereits frisch geöffnete Gefäße einen Geruch nach Essig auf. Beim Verreiben des Pulvers in einer rauen Reibschale kann sich der Geruch intensivieren, was möglicherweise auf die dann stattfindende Oberflächenvergrößerung zurückzuführen ist.

Woher kommt der Geruch nach Essigsäure?

Acetylsalicylsäure wird aus Salicylsäure und Essigsäureanhydrid, einer Essigsäureverbindung, synthetisiert. Chemisch handelt es sich bei der Acetylsalicylsäure um einen Ester der Salicylsäure. 

Acetylsalicylsäure gilt dabei als feuchtigkeitsempfindliche Substanz. Bereits kleine Mengen an Wasser, auch aus feuchter Luft, können zu einer Zersetzungsreaktion führen. Bei dieser Hydrolyse wird Acetylsalicylsäure wieder in Salicylsäure und Essigsäure gespalten, dies erklärt den Essiggeruch der Substanz.

Verwendbarkeit der Substanz nach Geruchsprüfung des Europäischen Arzneibuchs

Das DAC/NRF hat erst kürzlich darüber informiert, dass ein Essiggeruch nicht unbedingt als Qualitätsminderung gilt, sofern die Lagerungsbedingungen innerhalb des Verwendbarkeitsdatums korrekt eingehalten wurden. 

Zur Sicherheit wird auf die Durchführung der Geruchsprüfung nach Ph. Eur. Methode 2.3.4 verwiesen: Dazu werden auf einem Uhrglas von 6 bis 8 cm Durchmesser 0,5 g bis 2,0 g Rezeptursubstanz in dünner Schicht ausgebreitet. Ist nach 15 Minuten ein Essiggeruch kaum wahrnehmbar, darf der Wirkstoff verarbeitet werden.

Wann wird Acetylsalicylsäure eingesetzt?

Therapeutisch wird Acetylsalicylsäure (ASS) als Analgetikum, Antipyretikum sowie als Antiphlogistikum verwendet. In niedrigen Dosen von 100 mg täglich wird ASS auch zur Hemmung der Thrombozytenaggregation eingesetzt.

Hierfür kommen in Deutschland fast ausschließlich Fertigarzneimittel zur Anwendung. Bei Kindern unter zwölf Jahren darf Acetylsalicylsäure wegen einer Gefahr des Reye-Syndroms nur nach ärztlicher Verordnung eingesetzt werden.

Zur Erinnerung: Was ist das Reye-Syndrom?

Beim Reye-Syndrom handelt es sich um eine seltene, aber oft tödlich verlaufende pädiatrische Erkrankung. Dabei kommt es zu einer Schädigung des Gehirns und einer Degeneration der Leber. 

Das Syndrom kann nach einem viralen Infekt und der Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) entstehen und tritt meist bei Kindern zwischen vier und zwölf Jahren auf. 

Heilbar ist das Reye-Syndrom nicht, es können lediglich die Symptome, wie Erbrechen, Krampfanfälle oder Verwirrtheit, gelindert werden.

Dosierung von Acetylsalicylsäure bei Kindern

Acetylsalicylsäure darf bei Kindern also nicht in der Selbstmedikation eingesetzt werden. In der Apotheke können aber trotzdem Rezepte auftauchen, bei denen die Substanz bei jüngeren Kindern verschrieben wird. 

So wird der Wirkstoff zur Therapie des Kawasaki-Syndroms auch bei jungen Patienten angewendet. Bei diesem Syndrom handelt es sich um eine akute, fieberhafte Erkrankung, die mit einer Entzündung der kleinen und mittleren Arterien einhergeht. 

Auch zur Vorbeugung und Behandlung thromboembolischer Ereignisse wie Schlaganfall oder Herzinfarkt wird ASS bei Kindern eingesetzt.

Die nachfolgende Übersicht liefert Dosierungsempfehlungen für Acetylsalicylsäure zur Anwendung bei Kindern: Quelle: Kinderformularium.de 

  Kawasaki-SyndromProphylaxe und Behandlung thromboembolischer Ereignisse
1 Monat bis 18 Jahre

Zu Beginn:  

  • 30 bis 50 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag in 3 bis 4 Dosen
  • maximal 3.000 mg pro Tag

Zur Erhaltung:  

  • 3 bis 5 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag in einer Dosis
  • 3 bis 5 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag in einer Dosis
  • maximal 80 mg pro Tag

Herstellung niedrig dosierter Kapseln mit Acetylsalicylsäure

Bedarf für Rezepturarzneimittel mit Acetylsalicylsäure besteht also bei gewünschter niedriger Dosierung für Kinder. Flüssige Zubereitungen zum Einnehmen spielen keine Rolle, da der Wirkstoff feuchtigkeitsempfindlich ist und bei Anwesenheit von Wasser zu Salicylsäure und Essigsäure gespalten wird. Daher wird Acetylsalicylsäure zur pädiatrischen Anwendung zu Kapseln verarbeitet.  

Als Herstellungsmethode ist die massenbasierte Herstellung zu empfehlen. Dabei wird der Wirkstoff in einer glatten Schale aus Edelstahl mit dem Füllmittel ohne Verreiben gemischt. Dazu müssen zunächst die benötigten Mengen an Acetylsalicylsäure und Füllmittel getrennt voneinander abgewogen werden.

Rezepturbeispiel: Acetylsalicylsäure-Kapseln 10 mg 60 Stück

Um die Einwaage an Wirkstoff berechnen zu können, muss gegebenenfalls ein Einwaagekorrekturfaktor und ein Produktionszuschlag berücksichtigt werden. Diesen Produktionszuschlag empfiehlt das NRF grundsätzlich bei der rezepturmäßigen Herstellung von Kapseln, da es unweigerlich zu Pulververlusten kommt. 

Normalerweise beträgt der Produktionszuschlag bei Kapseln mit einem Wirkstoffgehalt von niedriger als 20 mg 10 %. Bei der Verarbeitung von Acetylsalicylsäure tritt im Vergleich zu anderen Wirkstoffen jedoch nur ein geringer Verlust auf. Laut NRF ist daher ein Wirkstoff-Produktionszuschlag von 5 % ausreichend. 

Die abzuwiegende Menge an ASS kann dann nach folgender Formel berechnet werden:  

Masse Wirkstoff = Wirkstoffdosis x fE x fP x Anzahl der Kapseln  

fE: Einwaagekorrekturfaktor des Wirkstoffs

fP: Produktionszuschlag 5 %

Masse Acetylsalicylsäure = 0,01 g x 1,02 x 1,05 x 60 = 0,6426 g

 

Weiterhin kann die Einwaage an Füllmittel nach folgender Formel berechnet werden:  

Masse Füllmittel = mKI x Anzahl der Kapseln – Masse Wirkstoff

Mit mKI ist die Masse des Kapselinhalts gemeint. Diese beträgt auf Basis des Standardfüllmittels Mannitol-Siliciumdioxid-Füllmittel (NRF S.38.) für Kapseln der Größe 1 0,275 g.  

Masse Füllmittel = 0,275 g x 60 – 0,6426 g = 15,86 g

Zur Herstellung von 60 Stück Acetylsalicylsäure-Kapseln 10 mg müssen also 0,6426 g Wirkstoff und 15,86 g Füllstoff abgewogen und anschließend miteinander vermischt werden. Quellen:
- DAC/NRF-Rezepturhinweis Acetylsalicylsäure (04.06.2024)
- Fachinformation ASS-ratiopharm 100 mg magensaftresistente Tabletten
- https://www.ptaheute.de/serien/arzneistoffe-und-ihre-indikationen/wann-wird-acetylsalicylsaeure-eingesetzt
 

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