Änderung der BtMVV: Wird ein fehlendes BtM-„A“ weiterhin retaxiert?
Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Anfrage:
Unsere Apotheke hat zwei Vollabsetzungen über jeweils mehr als 500 Euro durch die DAVASO GmbH im Auftrag der IKK classic für BtM-Rezepte aus Juli und November 2022 erhalten, auf denen jeweils das „A“ gefehlt hatte. Die Rezepte waren beide für einen Patienten ausgestellt, der schon länger identisch versorgt worden war. Die BtM-Höchstmengen sind doch im April gestrichen worden. Können wir in einem Einspruchsverfahren auf Kulanz der Krankenkasse hoffen?
Mit den letzten Änderungen der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) sind seit dem 8. April 2023 die BtM-Höchstmengen, die bei Verordnung von BtM durch Ärzte und Apotheken beachtet werden mussten, gestrichen worden. Somit müssen Ärzte keine Höchstmengen mehr berücksichtigen und Rezepte nicht mehr mit einem „A“ kennzeichnen.
Allerdings ist die Retaxfrist für Rezepte, die vor den Änderungen der BtMVV ausgestellt und abgerechnet wurden, noch nicht abgelaufen. Es stellt sich die Frage, ob Krankenkassen weiterhin auch ältere BtM-Rezepte retaxieren, wenn dort die damals geltenden Höchstmengen überschritten wurden und das „A“ nicht auf dem Rezept angegeben war.
Weiterhin Retaxationen bei fehlendem „A“
In den Erläuterungen zu den Änderungen der BtMVV ist hinsichtlich der Höchstmengen Folgendes zu finden(Punkt B „Lösungen“; Drucksache 680/22 vom 22.12.22, Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung und der Tierärztegebührenordnung) :
„Die bisherige Begrenzung der ärztlichen Verschreibung bestimmter Betäubungsmittel der Anlage III des BtMG auf Höchstverschreibungsmengen innerhalb bestimmter Zeiträume (§§ 2, 3 und 4 BtMVV) ist als Kontrollinstrument entbehrlich und wird aufgehoben.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese Vorgabe aufgrund der fortschreitenden medizinischen Entwicklung zu keiner höheren Sicherheit für den Betäubungsmittelverkehr geführt hat, sondern insbesondere mit einem verzicht- und vermeidbaren bürokratischen Mehraufwand für die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker einhergeht.
Des Weiteren werden die Arbeitsabläufe bei der Überprüfung der Betäubungsmittelverschreibung hinsichtlich der Einhaltung der Höchstverschreibungsmengen entbehrlich. Dies entlastet die Überwachungsbehörden der Länder und ermöglicht Vereinfachungen bei der Abrechnung von Betäubungsmittelverschreibungen.“
Man kann davon ausgehen, dass diese Begründung auch schon vor Inkrafttreten der Änderungen auf den BtM-Verkehr zutraf. Daher wäre es denkbar, dass die Krankenkassen in diesem (und auch bei weiteren älteren BtM-Rezepten mit fehlendem „A“) Kulanz zeigen und von dem Recht Gebrauch machen, auf eine Retaxation zu verzichten und die Apotheke trotz eines Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten.
Dies ist nach § 6 Abs. 1 Buchst. c Rahmenvertrag durchaus möglich:
§ 6 Abs. 1 Buchst. c Rahmenvertrag
„Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch der Apothekerin/des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung in papiergebundener oder elektronischer Form. Der Vergütungsanspruch der Apothekerin/des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […] die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten […]“
Dass Krankenkassen hierbei Kulanz zeigen und eine Retax zurücknehmen, zeigt ein Retaxfall, den das DeutscheApothekenPortal (DAP) zuletzt veröffentlichte. Hier wurde dem Einspruch der Apotheke, im Rahmen dessen der Arzt nochmals bestätigte, dass er das „A“ lediglich vergessen hatte, stattgegeben und der Apotheke zumindest Einkaufspreis plus Mehrwertsteuer erstattet.
Einspruch gegen Retax erheben bei fehlendem „A“
Auch die nun von den Retaxationen betroffene Apotheke sollte Einspruch gegen die Retax einlegen und sich auf die oben genannten Gründe berufen. Zusätzlich sollte darauf hingewiesen werden, dass der Patient schon länger in dieser Form versorgt wurde und durch das fehlende „A“ nur ein rein formaler Fehler vorlag, der keinen Einfluss auf die Arzneimitteltherapiesicherheit hatte.