Johnson & Johnson ab 60 und für alle
Die Ständige Impfkommission empfiehlt, dass der COVID-19-Impfstoff Janssen (Janssen ist ein Tochterunternehmen von Johnson & Johnson) „in der Regel“ bei Personen ab 60 Jahren verwendet werden soll. Doch sollen auch Jüngere nach „ärztlicher Aufklärung und bei individueller Risikoakzeptanz“ weiterhin die Möglichkeit haben, sich mit dem Vektorimpfstoff impfen zu lassen. Dies teilte die STIKO am Montag mit. Somit gelten fortan seitens der STIKO für den COVID-19-Impfstoff Janssen die gleichen Empfehlungen wie für die Vektorvakzine Vaxzevria® von AstraZeneca.
Altersbeschränkungen wurden erwartet
Die Altersbeschränkungen für den vierten Corona-Impfstoff in der EU und die neue STIKO-Empfehlung kamen nicht völlig überraschend. Bereits am Wochenende hatte das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ berichtet, dass die STIKO eine Altersbeschränkung für den Corona-Impfstoff plane. Der Spiegel hatte sich auf Aussagen einer Sprecherin des Robert Koch-Instituts (RKI) berufen.
Seltene Thrombosen vor allem bei jüngeren Frauen
Grund für die Altersbeschränkungen dürften sehr seltene Fälle von schweren Blutgerinnseln und verminderten Blutplättchen sein, die im Zusammenhang mit den Vektorimpfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson auftreten können und vor allem bei jüngeren Frauen beobachtet wurden.
Zeitweise waren Impfungen mit AstraZeneca in mehreren Ländern Europas (unter anderem Deutschland) pausiert worden. Auch die USA stoppten im April die Impfungen mit dem dort notfallzugelassenen Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson (in den USA liegt keine Zulassung für die AstraZeneca-Vakzine vor). Europa verschob den Start der Impfungen mit dem Johnson & Johnson-Impfstoff. FDA (Food and Drug Administration) und EMA (Europäische Arzneimittelagentur) prüften sodann die Sicherheit der Impfstoffe und empfahlen, sowohl in den USA (Johnson & Johnson) als auch in der EU (AstraZeneca und Johnson & Johnson) weiter damit zu impfen. Sie stuften den Nutzen höher ein als das Risiko – und zwar für alle Altersgruppen. Die STIKO hatte jedoch bereits zuvor für die AstraZeneca-Vakzine empfohlen, dass diese nur noch bei ab 60-Jährigen geimpft werden sollte, denn insbesondere jüngere Frauen hatten nach Impfungen mit den Vektor-Impfstoffen sehr seltene Thrombosen des ZNS und des Abdomens im Verbindung mit niedrigen Blutplättchenzahlen entwickelt.
Priorisierung für Johnson & Johnson aufgehoben
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) befasste sich am gestrigen Montag mit der Vektorvakzine von Johnson & Johnson: Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder einigte sich, die Priorisierung für den COVID-19-Impfstoff Janssen aufzuheben. Er solle bei ab 60-Jährigen regelhaft zum Einsatz kommen, aber auch jüngere Menschen könnten „nach ärztlicher Aufklärung und individueller Risikoakzeptanz“ entscheiden, ob sie sich mit dem Vektorimpfstoff impfen lassen möchten.
Ein Vorteil des Johnson & Johnson-Impfstoffes ist sicherlich, dass für eine vollständige Impfserie eine einzige Dosis genügt, was bedeutet: Zwei Wochen nach Impfung gilt man als vollständig geimpft und erhält somit auch vermehrt Grundrechte zurück.
Gleiche Regeln für AstraZeneca und Johnson & Johnson
Mit diesem Schritt hatten Spahn und seine Länderkollegen bereits in der vergangenen Woche beim AstraZeneca-Impfstoff überrascht: Die Gesundheitsministerkonferenz hatte den Vorschlag Spahns am 6. Mai unterstützt, Impfungen mit Vaxzevria® fortan allen Altersgruppen anbieten zu wollen. Somit gelten für die Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Janssen nun die gleichen Regeln.
Die Zulassungen der AstraZeneca- und Johnson & Johnson-Vakzinen decken dies durchaus ab: Beide dürfen laut bedingter Zulassung ab einem Alter von 18 Jahren geimpft werden. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie dürfte diesen Schritt möglicherweise nicht begrüßen: Sie forderte in der vergangenen Woche eine erneute Nutzen-Risiko-Bewertung von Vaxzevria® und verwies auf ein Sicherheitssignal, dass nicht nur jüngere, sondern auch ältere Frauen ein erhöhtes Risiko für Sinus- und Hirnvenenthrombosen hätten.
Kommen Ältere zu kurz?
Inwiefern sich die Aufhebung der Impfpriorisierungen bei diesen beiden COVID-19-Impfstoffen auf die Impfkampagne in Deutschland auswirkt, bleibt abzuwarten. Viele der älteren Menschen ab 60 Jahren sind bereits – zumindest einmal – geimpft. Der Janssen COVID-19-Impfstoff dürfte dann zur Komplettierung der Impfserie wohl nicht mehr infrage kommen, denn für einen vollständigen Impfschutz genügt hier bereits eine Dosis. Der STIKO-Vorsitzende Professor Thomas Mertens kritisierte allerdings die Aufhebung der Priorisierung gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) klar. Er fürchtet, dass jüngere Menschen nun älteren den Impfstoff wegschnappen könnten: „Ich empfinde es als nicht gerecht und nicht sinnvoll, wenn es dazu käme, dass Menschen, die einem hohen Risiko für eine Erkrankung ausgesetzt sind und die bereits länger gewartet haben, jetzt noch länger als nötig auf ihre Impfung warten müssten“, sagte Mertens der FAZ.