COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Sicherheitsbericht des PEI: Corona-Impfung bei Jugendlichen: Welche Neben­wirkungen gibt es?

Jugendliche in lilagestreiftem Tshirt wird von Arzt geimpft
Der aktuelle Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts nimmt auch die Verträglichkeit von COVID-19-Impfstoffen bei Jugendlichen unter die Lupe. | Bild: Anushka / AdobeStock

Seit dem 16. August empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) eine allgemeine Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Zuvor war die Impfkommission zurückhaltender und hatte nur vorerkrankten Kindern zur Corona-Impfung geraten. Unter anderem nannte die STIKO als Gründe für ihre Zurückhaltung einen „begrenzten Kenntnisstand über seltene Nebenwirkungen der neuen mRNA-Impfstoffe in dieser Altersgruppe“ und „Berichte zu Herzmuskelentzündungen im zeitlichen Zusammenhang mit mRNA-Impfungen, vor allem bei Jungen und jungen Männern“.

Bislang sind zwei Impfstoffe für ab Zwölfjährige in der EU zugelassen: Comirnaty® von Pfizer/Biontech war am 31. Mai 2021 der erste Corona-Impfstoff für diese Altersgruppe, wenige Wochen später folgte am 23. Juli 2021 Spikevax® von Moderna.

PEI und PRAC zu Myo- und Perikarditis 

Nun hat sich das Paul-Ehrlich-Institut in seinem letzten Sicherheitsbericht vom 19. August, der Daten ab Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis 31. Juli 2021 berücksichtigt, auch zu Myokarditiden bei Jugendlichen im Zusammenhang mit der Corona-Impfung geäußert. Eingeschlossen hat das PEI ausschließlich Daten zur Impfung mit Comirnaty®, da Spikevax® erst eine Woche zuvor zugelassen worden war. Bereits zuvor waren Myokarditis und Perikarditis als mögliche Nebenwirkungen einer COVID-19-Impfung in den Sicherheitsberichten Thema, so berichtete das PEI am 10. Juni über „zunehmend Meldungen über den Verdacht einer Myokarditis oder Perimyokarditis im zeitlichen Zusammenhang mit der Verabreichung von COVID-19-mRNA-Impfstoffen, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“. Am 19. Juli informierte das PEI sodann gemeinsam mit Pfizer/Biontech und Moderna in einer Roten Hand über seltene Fälle von Myokarditis und Perikarditis, die im Zusammenhang mit einer Impfung mit den mRNA-Impfstoffen Comirnaty® und Spikevax® beobachtet wurden. Und der Ausschuss für Risikobewertung für Arzneimittel bei der EMA, PRAC, sah bereits zuvor mindestens die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den kardialen Ereignissen und den Impfungen mit COVID-19-mRNA-Impfstoffen, woraufhin die Fachinformationen entsprechend angepasst wurden.

Vor allem Lokalreaktionen 

Bislang erreichten das PEI nun 731 Meldungen über den Verdacht von Nebenwirkungen nach Comirnaty®-Impfung bei Jugendlichen, 116 seien „schwerwiegend“ gewesen. Die meisten Meldungen betrafen Lokalreaktionen und bekannte Allgemeinreaktionen. Insgesamt kommt das PEI – unter Einbeziehung des Anteils bereits geimpfter Jugendlicher und der Zahl der Jugendlichen in dieser relevanten Altersgruppe – auf 0,54 Meldungen pro 1.000 Impfdosen. Bei den schwerwiegenden Meldungen waren es entsprechend mit 0,09 pro 1.000 Impfdosen deutlich weniger. Bezogen auf das Alter gab es insgesamt 185 Nebenwirkungsmeldungen bei Jugendlichen bis 15 Jahre, davon seien zehn schwerwiegend gewesen. Das PEI weiß von einem Todesfall eines 15-jährigen Jungen mit schweren Vorerkrankungen zwei Tage nach der Impfung, wobei als Reaktion Fieber mitgeteilt wurde. Das PEI konnte einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgrund fehlender Informationen nicht beurteilen.

Häufigste schwerwiegende Meldung bei Jugendlichen: Myo-/Perikarditis 

Als schwerwiegende Reaktion wurde am häufigsten eine Myo-/Perikarditis (24 Meldungen) berichtet. Meist waren die Erkrankten männlich (22), nur zwei Fälle betrafen weibliche Jugendliche. Das PEI führt an, dass „alle Fälle schwerwiegend“ waren. Nur bei 21 von 24 Jugendlichen ist bekannt, nach welcher Dosis sich die Myo-/Perikarditis entwickelte, in diesen Fällen war es meist (62 Prozent, 13 Fälle) nach der zweiten Impfdosis.

Ausgang der Myo-/Perikarditis

Wie verlief die Myo-/Perikarditis? Sind die Betroffenen mittlerweile wieder genesen? Dem PEI liegen Informationen vor, dass sieben Jugendliche zwischenzeitlich wieder genesen sind oder auf dem Weg der Besserung. Bei elf Geimpften sei der vorherige Gesundheitszustand noch nicht wiederhergestellt. In sechs Fällen liegen dem PEI keine Informationen zum Ausgang der Myo-/Perikarditis vor. Bislang wurde kein Todesfall bei Jugendlichen berichtet. Die Daten zum Verlauf deuten laut PEI zudem auf einen „günstigeren Verlauf der Myokarditis im Vergleich zu in der Literatur beschriebenen Myokarditis-Verläufen“ hin.

Wie viel häufiger ist eine Myokarditis nach Impfung?

Das PEI hat berechnet, dass es bei Kindern eine Melderate von 1,77 Fällen einer Myo-/Perikarditis pro 100.000 Dosen Comirnaty® gab. Berücksichtigt wurde die Impfquote bis zum 31. Juli 2021 mit 20,5 Prozent für einmal geimpfte Kinder und 9,9 Prozent für vollständig geimpfte Kinder. Betrachtet man nur die männlichen Jugendlichen – die eine Myo-/Perikarditis häufiger erleiden –, kommt man auf eine höhere Melderate von 3,18 pro 100.000 Impfdosen. Betrachtet man ausschließlich vollständig geimpfte Jungen, gab es unter 17.483 geimpften Jungen einen mit Myo-/Perikarditis.

24 statt 15 Fälle in 30 Tagen

Interessant ist an dieser Stelle, wie hoch die Hintergrundinzidenz einer Myokarditis bei Zwölf- bis 17-Jährigen ist – also wie häufig kommt es auch ohne COVID-19-Impfung in dieser Altersgruppe zu einer Herzmuskelentzündung? Das PEI hat anhand von Daten zur Hintergrundinzidenz aus dem Jahr 2020 (8,66 Myokarditisfällen pro 100.000 Personenjahre) berechnet, wie häufig eine Myokarditis bei geimpften Jugendlichen statistisch zufällig erwartet worden wäre. Das PEI kommt auf fünf Fälle einer Myokarditis in der Impfkohorte innerhalb von 14 Tagen – gemeldet wurden mit 15 Fällen dreimal so viele. Innerhalb von 30 Tagen hätte das PEI zehn Kinder mit Myokarditis erwartet, gemeldet wurden 24.

US-Studie kam ebenfalls auf höhere Myokarditisraten nach Impfung

Erst jüngst hatten Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten die Raten von Myokarditis und Perikarditis nach COVID-19-Impfungen mit der Häufigkeit dieser kardialen Ereignisse vor Verfügbarkeit der Corona-Impfstoffe verglichen. Auch sie kamen auf höhere Myo- und Perikarditisraten im Zusammenhang mit mRNA-Corona-Impfungen: So lag die durchschnittliche monatliche Zahl an Myokarditis- oder Myoperikarditisfällen in der Zeit vor der Impfung bei 16,9 gegenüber 27,3 in der Zeit nach der Impfung. Die durchschnittliche Anzahl der Perikarditisfälle betrug 49,1 vor Verfügbarkeit der Impfstoffe beziehungsweise 78,8 danach.

Anaphylaxie, Krampfanfälle und Thrombosen?

Das PEI hat sich neben der ausführlichen Analyse der Myo-/Perikarditisfälle bei Jugendlichen auch andere unerwünschte Reaktionen im Zusammenhang mit einer Pfizer/Biontech-Impfung angeschaut. Nach Myo-/Perikarditiden seien als zweithäufigste mögliche Nebenwirkung anaphylaktische Reaktionen bei sieben weiblichen Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren beschrieben (0,52 Meldungen auf 100.000 Impfdosen): 3 Fälle nach Level 1 der Brighton Collaboration (BC) und je zwei Fälle nach Level 2 und Level 4.

Gut zu wissen: Was besagt die Brighton Collaboration (BC)?

Die Brighton Collaboration hat Falldefinitionen und Richtlinien zur Bewertung einiger unerwünschter Ereignisse im Zusammenhang mit der Verabreichung von Impfstoffen entwickelt. Mithilfe der BC-Standards lässt sich die Schwere einer Reaktion besser bewerten. Dabei entspricht Level 1 dem höchsten, Level 2 und 3 geringeren Graden der diagnostischen Sicherheit, Level 4 sind Meldungen eines Verdachts auf Anaphylaxie mit unvollständigen Angaben zur klinischen Symptomatik.

Zudem weiß das PEI von sechs Krampfanfällen bei 16- und 17-jährigen Jugendlichen (drei weiblich, drei männlich). Bei zwei Jugendlichen sei jedoch eine Epilepsie bekannt. Derzeit kann das PEI „wegen mangelnder klinischer Informationen zu Begleiterkrankungen und Begleittherapie“ einen Zusammenhang mit der Impfung nicht beurteilen, erklärt es. Aus diesem Grund ebenfalls nicht beurteilbar seien zudem Fälle von Thrombosen bei vier 16- und 17-jährigen Mädchen.

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