COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Fragen und Antworten: Warum rät die STIKO nicht zur generellen Impfung von Kindern?

Halbsichtbares Tshirt mit Pailettenschmetterling mit entblößtem Oberarm, Impfspritze wird davor gehalten
Sollte man Kinder gegen Corona impfen? | Bild: IMAGO / Eibner Europa

Was sie sagt, ist für Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Richtschnur: Die Ständige Impfkommission (STIKO) wird wohl zunächst keine generelle Empfehlung zum Impfen von Kindern und Jugendlichen gegen Corona aussprechen – obwohl sich alle ab 12 theoretisch seit Montag impfen lassen können. Da es dazu viele Fragen gibt, hier einige Antworten:

Was ist bisher bekannt?

Laut einem vorläufigen Entwurf empfiehlt die STIKO, dass nur Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren geimpft werden sollen, die bestimmte Vorerkrankungen haben. Das Gremium nennt in einem als vertraulich gekennzeichneten Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, rund ein Dutzend Krankheitsbilder, die mit anzunehmendem erhöhtem Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf einhergehen. Darunter sind etwa 

  • Adipositas,
  • chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion und
  • chronische Niereninsuffizienz.

Außerdem wird in dem Entwurf die Impfung für Kinder empfohlen, in deren Umfeld Menschen leben, die stark gefährdet sind, einen schweren COVID-19-Verlauf zu bekommen, und die zum Beispiel selbst nicht geimpft werden können.

Kann man ein gesundes Kind dennoch impfen lassen?

Ja, so hatte es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits angekündigt, ohne die Empfehlung der STIKO abzuwarten. Kinder und Jugendliche sollen demnach in die Impfkampagne eingebunden werden. Es sei dann eine individuelle Entscheidung von Eltern mit ihren Kindern und den Ärzten. Wie es im Empfehlungsentwurf heißt, soll der Piks „nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder Jugendlichen bzw. der Sorgeberechtigten möglich“ sein.

Welche Nebenwirkungen hat die Impfung?

Insgesamt bewerten die Autoren einer Studie im „New England Journal of Medicine“ die Impfung für die Kinder als gut verträglich, die Impfreaktionen seien überwiegend mild bis moderat gewesen. Ähnlich wie in anderen Altersgruppen klagten die Kinder am häufigsten über Schmerzen an der Einstichstelle (79 bis 86 Prozent der Kinder nach der ersten, beziehungsweise zweiten Dosis), Müdigkeit (60 bis 66 Prozent) und Kopfschmerzen (55 bis 65 Prozent). Etwa 20 Prozent bekamen nach der zweiten Impfung Fieber.

Die Beschwerden verschwanden meist innerhalb von wenigen Tagen. Rund die Hälfte der Kinder (50,8 Prozent) nahm nach der zweiten Spritze ein Mittel gegen Fieber und Schmerzen ein. Schwere unerwünschte Wirkungen wie Thrombosen oder einen anaphylaktischen Schock habe es im Zusammenhang mit der Impfung nicht gegeben, berichten die Wissenschaftler. Allerdings lässt die geringe Gesamtzahl von 1.131 Geimpften nur bedingt Rückschlüsse über seltene Nebenwirkungen zu.

Warum will die STIKO bislang keine generelle Impfempfehlung geben?

Die Experten sprachen zuletzt mehrfach von Wissenslücken bezüglich der Sicherheit des Impfstoffs in der Altersgruppe: Verwiesen wurde auf die geringe Zahl an geimpften Probanden und eine kurze Nachbeobachtungszeit. Hinzukommt: Wenn sich gesunde Kinder mit SARS-CoV-2 infizieren, haben sie laut Fachleuten ein sehr geringes Risiko, schwer zu erkranken. In anderen Worten: Der Nutzen der Impfung wiegt möglicherweise ihr Risiko nicht auf. 

Rund 80 Kinder und Jugendliche wurden in der Pandemie bislang auf Intensivstationen in Deutschland behandelt, davon hatten knapp zwei Drittel Vorerkrankungen. Für Erwachsene mit COVID-19 wurden bislang mehr als 112.000 abgeschlossene Intensiv-Behandlungen erfasst (pro Patient kann wegen Verlegungen mehr als eine Behandlung gezählt sein).

Was kann für eine Impfung eines gesunden Kindes sprechen?

„Aus Elternperspektive wäre mein Kind geimpft. Klarer Fall. Dieses Risiko möchte ich nicht“, sagte der Charité-Virologe Christian Drosten kürzlich dem Schweizer Online-Magazin „Republik“. Er argumentiert mit Langzeitfolgen wie Geruchs- und Geschmacksverlust und Müdigkeit bei einem kleinen Teil der Betroffenen und dem Risiko des sogenannten Pädiatrischen Multisystem-Inflammationssyndroms. Dies ist eine schwere Erkrankung Wochen nach der Infektion, die bisher aber als selten und gut behandelbar gilt.

Von Langzeitfolgen (Long-COVID/Post-COVID) betroffen sind nach Schilderungen von Ärzten eher Jugendliche als kleine Kinder. Solche länger anhaltenden Einschränkungen kennen Mediziner auch von anderen Virusinfektionen wie dem Pfeifferschen Drüsenfieber. Auch die Pandemie mit Lockdown als Stressfaktor an sich spielt aber wohl eine Rolle: „Wenn sich die Pandemiesituation bessert, dürften zumindest bei einem Teil der Betroffenen auch die Ermüdungsanzeichen besser werden“, hatte Markus Hufnagel vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Freiburg im Frühjahr gesagt.

Welche Bedeutung hat eine STIKO-Empfehlung? 

Was die STIKO nach Aufarbeitung wissenschaftlicher Daten empfiehlt, gilt in Deutschland als medizinischer Standard. Normalerweise ist ihr Urteil wichtig für Fragen der Haftung und der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen. Bei der Corona-Impfkampagne ist dies aber ohnehin über den Bund geregelt. Formal sei das Impfen auch ohne STIKO-Empfehlung möglich, es widerspreche aber „einer seit jeher etablierten Praxis“, erklärte die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin kürzlich. Beklagt wurde ein Vertrauensverlust durch „das Vorpreschen einiger politischer Entscheidungsträger“. In einer weiteren Stellungnahme stärkten 30 medizinische Fachgesellschaften ebenfalls der STIKO den Rücken.

Warum unterscheiden sich die Einschätzungen von STIKO und EU-Einrichtungen?

Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) und die EU-Kommission gaben kürzlich grünes Licht für die Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs ab zwölf Jahren – die STIKO schränkt hingegen ein. Das mag verwirrend klingen, hat aber nichts mit vermeintlich verschiedenen Meinungen zu tun. Die Institutionen haben unterschiedliche Aufgaben und Blickwinkel: Die EMA ist für die grundsätzliche Zulassung auf dem europäischen Markt zuständig, während es bei der STIKO darum geht, den Einsatz des Impfstoffs zum besten Nutzen der Bevölkerung in Deutschland zu regeln. In anderen Ländern, etwa mit höheren Fallzahlen oder höheren Anteilen von Kindern an der Bevölkerung, können die Überlegungen anders aussehen.

Werden Impfungen aller Kinder zwingend für eine Herdenimmunität gebraucht?

Das hängt auch von der weiteren Entwicklung der Pandemie und der Impfbereitschaft unter Erwachsenen ab. Minderjährige haben einen Anteil von 16,4 Prozent an der Bevölkerung hierzulande – für Kinder unter zwölf Jahren ist bisher aber gar kein Impfstoff zugelassen. Als Schwelle für den weitgehenden Verzicht auf Maßnahmen und Regeln müssen laut RKI mehr als 80 Prozent der Bevölkerung immun sein, entweder durch eine vollständige Impfung oder eine durchgemachte Infektion plus Impfung. Sollte sich eine ansteckendere Virusvariante durchsetzen, könnten noch mehr Immune nötig sein. Bislang hat rund die Hälfte der Menschen im Land noch nicht einmal eine erste Dosis bekommen.

Im Gegensatz zur Situation bei der Grippe gelten Kita- und Grundschulkinder nicht als besondere Treiber der Pandemie. STIKO-Chef Thomas Mertens schätzte den Nutzen von Kinder-Impfungen für die Herdenimmunität kürzlich als gering ein: „Man sollte die Hoffnung auf den epidemiologischen Effekt nicht übertreiben.“ Manche Fachleute äußerten auch die Hoffnung auf abschirmende Effekte durch hohe Impfquoten bei Erwachsenen – ob dies aber für einen normalen Schulbetrieb im Herbst und Winter ausreicht, ist die große Frage.

Gibt es überhaupt schon genügend Impfstoff für Kinder?

Die streng festgelegte Reihenfolge bei der Corona-Impfung ist seit diesem Montag bundesweit aufgehoben. Mit dem Ende der sogenannten Priorisierung haben alle ab zwölf Jahren nun zumindest theoretisch die Möglichkeit, einen Impftermin zu bekommen. Impfstoffe sind aber weiter rar, speziell für Kinder reservierte Dosen gibt es nicht. Für mehrere Experten ein Argument, mit dem Immunisieren gesunder Kinder zu warten: Es gebe noch zu viele gefährdete Erwachsene ohne Impfung. Quelle: dpa / cel 

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