Meldungen vom 05. bis 09.07.2021
Montag, 05.07.2021
STIKO: Zu wenige Daten für generelle Impfempfehlung für Kinder ab 12
Trotz der Forderungen aus der Politik nach einer generellen Corona-Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren bleibt die Ständige Impfkommission (STIKO) bei ihrem zurückhaltenden Kurs. Das Gremium nehme „die diversen Forderungen der Politik“ sehr wohl wahr, erklärte STIKO-Mitglied Martin Terhardt am Montag. „Wir fühlen uns weiterhin unserem Auftrag als unabhängige ehrenamtliche Kommission zur evidenzbasierten Erarbeitung von Impfempfehlungen verpflichtet.“
Die STIKO beobachte die Datenlage täglich und werde „gerade zu diesem Thema sicher schnell reagieren“, wenn es deutliche Änderungen gebe, betonte Terhardt. Die bisher verfügbaren Daten lieferten jedoch noch keine ausreichenden Beweise für die Sicherheit des Impfstoffs in der Altersgruppe. Im RBB-Inforadio hatte Terhardt gesagt: „Mich entsetzt das immer wieder, wie die Politik vorprescht und wissenschaftliche Daten eher ignoriert.“
SPD-Chefin Saskia Esken hatte die STIKO aufgefordert, ihre Haltung zur Impfung von Jugendlichen zu überdenken. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Wochenende gefordert: „Die STIKO sollte dringend überlegen, wann sie das Impfen von Jugendlichen empfiehlt.“ Das würde den Schutz für alle erhöhen und einer Generation, die auf viel verzichten musste, wieder Freiheiten zurückgeben.
Auch ohne generelle Stiko-Empfehlung sind Kinder und Jugendliche ab 12 in die deutsche Impfkampagne eingebunden, können also unabhängig von Vorerkrankungen geimpft werden. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) handelt es sich um eine individuelle Entscheidung von Eltern mit ihren Kindern und den Ärztinnen und Ärzten. dpa/vs
Diskussion über Strafen für geschwänzte Impftermine
Politiker von SPD und Union haben sich Forderungen angeschlossen nach Strafzahlungen für Menschen, die Corona-Impftermine nicht wahrnehmen. „Es wäre richtig, wenn es eine Strafe gäbe für diejenigen, die nicht einmal ihren Termin absagen“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei (CDU). Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) wies die Idee zurück. Kritik kam auch von Ärztevertretern und von der Opposition: Statt mit Bußgeldern solle lieber mit Impfanreizen gearbeitet werden.
Die Terminausfälle in den Impfzentren führten dazu, „dass wir langsamer impfen, als wir könnten, und dass wir Impfstoff wegwerfen müssen“, kritisierte Lauterbach. Er sei selbst Impfarzt im Impfzentrum Leverkusen und kenne das Problem ausfallender Termine. Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte, Impftermine verfallen zu lassen, sei rücksichtslos und ein Schlag ins Gesicht aller, die noch auf den knappen Impfstoff warteten. „Wer nur zu bequem ist, zum Hörer zu greifen oder mit wenigen Klicks einen Termin abzusagen, sollte für die angefallenen Ausfallkosten aufkommen müssen.“
Vermutet wird, dass Menschen Termine verstreichen lassen, weil sie im Urlaub sind, weil sie die Corona-Gefahr als nicht mehr so hoch einschätzen oder weil sie inzwischen einen früheren Termin bei einem Betriebsarzt oder in einer Praxis bekommen haben.
Nach monatelanger Impfstoff-Knappheit ist nach Einschätzung der Bundesregierung inzwischen eine neue Phase erreicht: Das Angebot beginnt die Nachfrage zu übersteigen. Die Regierung hatte deshalb auch ihr Impfversprechen, wonach jeder, der wolle, bis Ende des Sommers ein Impfangebot bekommen könne, zuletzt auf Ende Juli vorgezogen. dpa/vs
Große Mehrheit erwartet schärfere Corona-Maßnahmen im Herbst
Trotz fortschreitender Impfkampagne rechnet eine große Mehrheit der Deutschen im Herbst mit steigenden Corona-Infektionszahlen und neuen staatlichen Beschränkungen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sagten 76 Prozent, dass sie einen Anstieg der Infektionszahlen erwarten. 74 Prozent gehen von einer Verschärfung der Maßnahmen gegen die Pandemie im Herbst aus. Nur 16 Prozent meinen, dass es keine neuen Einschränkungen geben wird. Zehn Prozent machten keine Angaben.
In Deutschland war die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) am Samstag erstmals seit rund elf Monaten wieder unter 5 gefallen. Am Sonntag stieg sie aber erstmals seit vielen Wochen wieder an. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den bundesweiten Wert mit 5,0 an. Auch die Zahlen für Gesamteuropa steigen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wieder. dpa/vs
80 Prozent der positiven Corona-Schnelltests falsch-positiv
Der Anteil falsch-positiver Ergebnisse bei Corona-Schnelltests in Hamburg hat sich in den vergangenen Wochen deutlich erhöht. Lag er in der ersten Mai-Woche bereits bei etwas über der Hälfte, waren in der zweiten Juniwoche schon 80 Prozent der Menschen mit positivem Corona-Schnelltestergebnis nicht infiziert, wie aus der Antwort der Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion hervorgeht. In den Wochen dazwischen kletterte der Anteil der per PCR-Test festgestellten falsch-positiven Ergebnisse von 52 über 69 und 71 auf 75 Prozent.
Der sozialpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion Fraktion, Andreas Grutzeck, nannte den hohen Anteil an falschen Ergebnissen für die Betroffenen zumindest kurzfristig beunruhigend. Es stelle sich „die generelle Frage, wie aussagekräftig Schnelltests tatsächlich noch sind“.
Bedauerlich sei, dass der Senat erst im Juni begonnen habe, Testzentren zu kontrollieren, so Grutzeck. Dabei habe es zu dem Zeitpunkt schon Betrugsvorwürfe gegeben. „Etwas mehr Sorgfaltspflicht sollte auch in einer Pandemie drin sein“, sagte der CDU-Politiker. Mit Stand 23. Juni gab es der Senatsantwort zufolge in Hamburg 404 Testzentren, darunter 91 in Apotheken. 25 von ihnen seien zumindest temporär unter anderem wegen hygienischer Mängel geschlossen worden. dpa/vs
Mediziner: Impfungen bei Kindern überfällig
In der Debatte um Corona-Impfungen bei Kindern hat der renommierte Biomediziner Gerhard Ehninger die Ständige Impfkommission kritisiert. Sie blockiere „unverantwortlich den Einsatz von zugelassenen Medikamenten“, schrieb der Hämatologe, Onkologe und Krebsforscher in einer Kolumne der „Dresdner Neuesten Nachrichten“. „Die Impfungen bei Kindern sind überfällig.“ Angesichts der Delta-Variante, die in Israel und Großbritannien das Infektionsgeschehen trotz Impfrate über 50 Prozent wieder verstärkt hat, müssten alle vorhandenen Impfdosen rasch verabreicht und eine Quote von über 90 Prozent erreicht werden.
Ehninger appellierte zudem, den Sommer zu nutzen, um die Sicherheit für Kinder und Jugendliche zu erhöhen. An Schulen fehle es an Infrastruktur wie Klimageräten und Informationstechnologie, Ausweichräumen und virensicheren Belüftungsanlagen. „Die Delta-Variante hat unter diesen Bedingungen in kleinen Klassenräumen mit 25 ungeimpften Schülerinnen und Schülern leichtes Spiel“, warnte er. Das Schuljahr dürfe nicht „mit der gleichen Blauäugigkeit“ beginnen wie im Herbst 2020.
Die EU-Kommission hat den Corona-Impfstoff von Biotech/Pfizer für Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. In Deutschland gibt es bisher noch keine allgemeine Impfempfehlung für diese Altersgruppe, aber Überlegungen hinsichtlich vorerkrankter Kinder. Die Bundesregierung will für Kinder und Jugendliche bis Ende August mindestens die erste Impfung möglich machen. dpa/vs
Intensivmediziner: Nicht mehr nur auf Inzidenz schauen
Intensivmediziner sprechen sich dafür aus, bei der Pandemiebekämpfung nicht mehr ausschließlich die Inzidenzwerte in den Fokus zu stellen. „Mit steigender Impfquote ist der Inzidenzwert alleine weniger aussagekräftig, um die potenzielle Gefahr für das Gesundheitssystem messen zu können“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis. „Wir rechnen damit, dass die Inzidenzwerte im Herbst, wie in England aktuell schon der Fall, stärker steigen werden als die Zahl der Intensivpatienten“, so der Intensivmediziner.
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) äußerte sich ähnlich: Die Inzidenzwerte würden weiter eine wichtige Rolle spielen, „weil sie natürlich eine Aussage darüber treffen, wie viele Leute sich neu mit Corona infizieren“, sagte er. „Aber wenn wir jetzt in der Situation sind, dass eine hohe Zahl von Bürgern geimpft ist, müssen wir natürlich weitere Faktoren einbeziehen.“ Ganz wichtig sei die Frage, wie gut die Impfung gegen neue Varianten wie Delta wirke. dpa/vs