Unter Atomoxetin: Aggressives Verhalten & Serotoninsyndrom
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Atomoxetin ist ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Er wird bei Kindern und Erwachsenen eingesetzt, um die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu behandeln.
Seit einiger Zeit häufen sich Berichte, dass sich Kinder und Erwachsene unter Atomoxetin feindselig und aggressiv verhalten und zu Gewaltbereitschaft neigen. Nun wurde ein europäisches, die periodischen Sicherheitsberichte bewertendes Verfahren zu Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Atomoxetin durchgeführt.
Der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hält einen Kausalzusammenhang zwischen Atomoxetin und Mordgedanken zumindest für möglich, da einige Fälle im engen zeitlichen Zusammenhang mit Atomoxetin aufgetreten sind und weil der PRAC den Wirkmechanismus als plausibel einschätzt. Fach- und Gebrauchsinformationen Atomoxetin-haltiger Arzneimittel müssen jetzt angepasst werden.
Zur Erinnerung: Was ist ADHS?
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist die am häufigsten diagnostizierte psychische Krankheit bei Kindern. Betroffene sind oft unaufmerksam, können sich schlecht konzentrieren und ihre Gefühle nur schwer kontrollieren.
Die genauen Ursachen sind unklar. Fachleute vermuten sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse. Die Störung zieht häufig Schwierigkeiten in der Schule, in der Familie und im sonstigen sozialen Umfeld nach sich. Auch Erwachsene können unter ADHS leiden.
Unter Atomoxetin-Therapie: Auf Verhaltensänderungen bei Kindern achten
In der Gebrauchs- bzw. Fachinformation werden Familien und andere betreuende Personen künftig aufgefordert oder „angewiesen“, sofort einen Arzt oder eine Apotheke aufzusuchen, wenn bei Kindern „bedrohliches Verhalten und Gedanken, anderen Schaden zuzufügen“, auftreten.
Besonders relevant sind signifikante Veränderungen der Stimmung oder des Verhaltensmusters nach Beginn der Behandlung mit Atomoxetin oder nach einer Dosisänderung.
Bereits in der Vergangenheit gab es Berichte zu schwerwiegenden Fällen in klinischen Studien, bei denen Kinder körperlich übergriffig wurden.
Atomoxetin: Serotoninsyndrom und Zähneknirschen als Nebenwirkung
Neben „Mordgedanken“ könnte unter Atomoxetin das Risiko für ein Serotoninsyndrom erhöht sein. Das gilt insbesondere bei gleichzeitiger Anwendung von Atomoxetin und anderen serotonergen Arzneimitteln wie
- selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI),
- Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI),
- Opioiden (z. B. Tramadol) und
- tetrazyklischen oder trizyklischen Antidepressiva.
Zur Erinnerung: Was ist das Serotoninsyndrom?
Das Serotoninsyndrom ist eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung. Sie tritt auf, wenn ein Wirkstoff, der die Serotoninwirkung erhöht (= serotonerger Effekt), überdosiert wird bzw. mehrere Wirkstoffe mit serotonergem Effekt kombiniert werden.
Besteht der Verdacht auf ein Serotoninsyndrom, sollte eine sofortige notärztliche Behandlung eingeleitet werden. /vs
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat beschlossen, den Hinweis zu ergänzen, dass auf Symptome des Serotoninsyndroms geachtet werden sollte. Darunter fallen „Verwirrtheit, Ruhelosigkeit, Koordinationsstörungen und Steifheit, Halluzinationen, Koma, schneller Herzschlag (Tachykardie), erhöhte Körpertemperatur, schnelle Blutdruckschwankungen, Schwitzen, Hitzewallungen, Zittern, überaktive Reflexe, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall“. Beim Auftreten soll ein Arzt aufgesucht und die Therapie angepasst oder abgebrochen werden.
Weiterhin wird die Nebenwirkung „unwillkürliches Zähneknirschen (Bruxismus)“ bei pädiatrischen Patienten zukünftig in der Fach- und Gebrauchsinformation mit unbekannter Häufigkeit aufgeführt.
Änderungen zu Atomoxetin in Fach- und Gebrauchsinformation aufnehmen
Die Koordinierungsgruppe der EMA ist der Ansicht, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Atomoxetin-haltigen Arzneimittel unverändert bleibt, solange die Änderungen in Gebrauchs- und Fachinformationen aufgenommen werden. Quellen:
- Umsetzung des einstimmigen Beschlusses der Koordinierungsgruppe EMA/CMDh/325197/2024 vom 25. Juli 2024 betreffend die Zulassungen für Humanarzneimittel mit dem Wirkstoff Atomoxetin
- Bescheid des BfArM vom 13. Januar 2025; www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Periodic-Safety-Update-Reports_PSURs/PSUR-Single-Assessment/Anlagen/a-f/Atomoxetin-CMDh-Beschluss.html