Aktuelles
6 min merken gemerkt Artikel drucken

FPIES: Seltene Nah­rungsmittelallergie bei Kindern

Kleinkind bekommtLöffel mit Brei in den Mund geschoben
Der Verzehr von bestimmten Lebensmitteln kann bei bestehender FPIES insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern zu Bauchkrämpfen, Durchfall, Erbrechen und Schwäche führen. | Bild: bernardbodo / AdobeStock

Nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel kommt es in seltenen Fällen zu schweren Magen-Darm-Problemen. Symptome, die im ersten Moment an einen Magen-Darm-Infekt erinnern, können auch ein Hinweis auf eine Lebensmittelprotein-induzierte Enterocolitis (Food Protein Induced Enterocolitis Syndrom, FPIES) sein. 

Diese Form der Lebensmittelallergie tritt vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern auf, wobei Erwachsene gelegentlich auch davon betroffen sind. PTA sollten typische Symptome im Apothekenalltag erkennen und die Betroffenen über Risiken und Therapiemöglichkeiten aufklären.

FPIES: Säuglinge und Kleinkinder überwiegend betroffen

Beschwerden im Zusammenhang mit FPIES werden immer durch den Verzehr bestimmter Lebensmittel ausgelöst und können sich in einer akuten oder chronischen Form darstellen. Die Hauptrisikogruppe für die akute Form sind Kleinkinder zu Beginn der Beikosteinführung. Zu diesem Zeitpunkt kommen die Kinder erstmals mit verschiedenen Lebensmitteln in Berührung. 

Die Symptome zeigen sich bereits ein bis vier Stunden nach der Nahrungsmittelaufnahme und können mitunter so heftig ausfallen, dass ein Krankenhausaufenthalt nötig ist. Eine Besserung der Beschwerden tritt innerhalb von 24 Stunden ein. Außerdem zeigen sich im Normalfall keine Gedeihstörungen bei den erkrankten Kleinkindern.

Die chronische Form zeigt sich oft bereits bei Säuglingen, die noch gestillt werden oder eine geeignete Formula-Nahrung erhalten. FPIES entsteht hier aufgrund von Proteinen in der Muttermilch bzw. Kuh- oder Sojamilch aus der jeweiligen Pre-Nahrung. 

Die Symptome treten scheinbar unabhängig von den Mahlzeiten auf, da die Säuglinge innerhalb kurzer Abstände über den Tag verteilt gefüttert werden. FPIES kann unerkannt langfristig zu Gedeihstörungen des Säuglings führen.

Akute Form von FPIES: Heftiges und wiederholtes Erbrechen

Häufig wird bei der Erstvorstellung bei einem Arzt oder in einer Klinik die Symptomatik mit einem Magen-Darm-Infekt verwechselt. Denn: Charakteristisch für die akute Form ist ein wiederholtes und heftiges Erbrechen, welches in kurzer Zeit zu einem starken Flüssigkeitsverlust des Körpers führt. 

Weitere typische Symptome sind neben Erbrechen und Flüssigkeitsverlust

  • akute Beschwerden:
    • wässriger und/oder blutiger Durchfall
    • Schwäche
    • niedriger Blutdruck
    • Entzündungen der Schleimhäute
    • Bauchkrämpfe
    • Blässe
    • Schock
  • chronische Beschwerden:
    • Durchfall
    • Bauchkrämpfe
    • Gedeihstörung
    • Unruhe
    • ausgeprägte Schläfrigkeit

Im Gegensatz zu einer typischen Nahrungsmittelallergie, die Immunglobulin-E-vermittelt abläuft, sind bei FPIES weder Asthma noch ein anaphylaktischer Schock zu befürchten.

Gut zu wissen: Nahrungsmittelallergie – zell- oder Immunglobulin-E-vermittelt?

Bei einer Nahrungsmittelallergie reagiert das Immunsystem fälschlicherweise auf harmlose Stoffe aus Lebensmitteln, meist bestimmte Proteine. Die klassische Nahrungsmittelallergie gehört zu den Typ-1-Allergien und entsteht aufgrund einer Sensibilisierung, die auf die Bildung von Immunglobulin(Ig)E-Antikörpern zurückzuführen ist. 

Durch nahrungsmittelspezifische IgE-Antikörper entstehen sofortige Reaktionen nach dem Verzehr von auslösenden Lebensmitteln, auch dann, wenn nur Spuren aufgenommen werden. Nach dem Allergenkontakt kommt es u. a. zur Freisetzung von Histamin und folglich zu charakteristischen Beschwerden wie Schwellungen im Mund, Juckreiz oder Asthma. Im schlimmsten Fall entsteht ein anaphylaktischer Schock, der lebensbedrohlich sein kann. Zur Diagnose dient der Nachweis von allergenspezifischen IgE-Antikörpern im Blut.

Eine allergische Reaktion bei FPIES verläuft nicht IgE- sondern zellvermittelt ab. Neben einer erhöhten Schleimhautpermeabilität im Magen-Darm-Trakt spielen auch der Neurotransmitter Serotonin sowie entzündungsfördernde Zytokine eine wichtige Rolle. 

In seltenen Fällen zeigt sich zusätzlich eine IgE-Sensibilisierung auf bestimmte Lebensmittel (atypische FPIES).

Nahrungsmittelauslöser unterscheiden sich bei Kindern und Erwachsenen 

Die Beschwerden entstehen typischerweise nach dem Verzehr von Grundnahrungsmitteln, wobei nicht alle in jedem Alter Symptome auslösen. Zu den Klassikern im Kleinkindalter gehören Kuhmilch und Hühnerei, bei Erwachsenen sind es Fisch und Krustentiere. Weitere potenzielle und altersunabhängige Auslöser sind 

Die Reaktionen nach dem Verzehr sind stark abhängig von der Menge des aufgenommenen Lebensmittels. Außerdem stellen minimale Spuren des allergieauslösenden Nahrungsmittels – wie sie beispielsweise in Fertigprodukten vorkommen – kein besonders hohes Risiko dar.

FPIES-Diagnose durch Ausschluss anderer Erkrankungen

Zur Diagnose des FPIES wird eine klinische Untersuchung in Kombination mit einem ausführlichen Anamnesegespräch durchgeführt. 

Die akute Form kann relativ schnell identifiziert werden, da der zeitliche Zusammenhang der Beschwerden mit der Nahrungsaufnahme vorhanden ist. Die chronische Erkrankung wird oft als Zufallsbefund gestellt, beispielsweise dann, wenn eine Umstellung der Säuglingsnahrung erfolgt und sich dadurch die Symptome verbessern. 

Zur Bestätigung der Diagnose dient ein Allergie-Test auf IgE-Antikörper im Blut, der bei FPIES immer negativ ausfällt (Ausnahme: atypische Form).

Medikamentöse Therapieoptionen bei FPIES

Bei schweren und plötzlich auftretenden Symptomen handelt es sich um einen Notfall. Der Schwerpunkt liegt dann auf dem Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes, der oral oder intravenös erfolgt. 

Zusätzlich werden Übelkeit und Erbrechen vorzugsweise mit dem 5-HT3-Rezeptorantagonisten Ondansetron behandelt, der bereits ab einem Alter von sechs Monaten indiziert ist. Glucocorticoide können die antiemetische Therapie ergänzen.

Treten nur leichte Symptome auf und ist der Zusammenhang mit einer Nahrungsmittelallergie bereits bekannt, können bei Übelkeit und Erbrechen orale Rehydratationslösungen mit Elektrolyten aus der Apotheke empfohlen werden. Dazu gehören beispielsweise Oralpädon® oder InfectoDiarrstop® LGG, die bereits ab dem Säuglingsalter indiziert sind.

Ernährungsberatung nach FPIES-Diagnose in Anspruch nehmen

Nach der Diagnosestellung und der Identifizierung des auslösenden Lebensmittels ist es ratsam, eine Ernährungsberatung bei einem zertifizierten Ernährungstherapeuten in Anspruch zu nehmen. Dies kann in Zusammenhang mit der Beikosteinführung sehr hilfreich sein. 

Der Nahrungsmittelauslöser muss im Alltag konsequent gemieden werden. Vor allem bei Kleinkindern ist bei einer Auslassdiät darauf zu achten, dass immer genügend Nährstoffe aufgenommen werden.

Die Einführung neuer Lebensmittel sollte einzeln, im Abstand von circa vier Tagen erfolgen, um mögliche Reaktionen zu beobachten. Eltern sollten nicht verzweifeln, wenn zu Beginn nur wenige Nahrungsmittel infrage kommen. 

Um dennoch eine gewisse Varianz anzubieten, sollte das neu eingeführte Lebensmittel auf unterschiedliche Arten zubereitet werden, beispielsweise durch Kochen, in Öl braten, im Ofen rösten oder die Zubereitung als Suppe, Püree oder Rohkost anbieten.

FPIES verschwindet meist von allein wieder

Bei einem Großteil der Betroffenen verschwindet die Erkrankung von allein bereits vor Eintritt in die Schule, bei einigen Auslösern sogar noch früher. Aktuellen Daten zufolge entsteht eine Toleranz auf Kuhmilch bereits mit 2 Jahren und auf Getreide mit 3 Jahren. 

Andere leiden wiederum ein Leben lang an Unverträglichkeiten, die langfristig auch in IgE-vermittelte Allergieformen übergehen. Neben der Nahrungsmittelallergie können deshalb auch Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis im Verlauf hinzukommen. Treten die Beschwerden erstmals im Erwachsenenalter auf, bleiben sie meist über die gesamte restliche Lebensdauer bestehen. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/11/12/fpies-fiese-unvertraeglichkeit
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/061-031l_S2k_Management_IgE-vermittelter_Nahrungsmittelallergien_2022-02.pdf