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Arzneimittel und nichtmedikamentöse Therapien im Vergleich: ADHS bei Erwachsenen: Welche Therapie wirkt besser?

Frau sitzt auf der Couch bei einer Therapiesitzung
Bei einer ADHS-Erkrankung bei Erwachsenen kann auch eine nichtmedikamentöse Therapie, wie beispielsweise eine Psychotherapie, zur Besserung der Symptome führen. | Bild: loreanto / AdobeStock

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Bei bis zu 75 % der Patienten bleibt ADHS bis ins Erwachsenenalter bestehen und betrifft weltweit rund 2,5 % der Erwachsenen. 

Als Behandlungsmöglichkeiten kommen medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien zum Einsatz. In den vergangenen Jahren wuchs die Anzahl an Studien zu nichtpharmakologischen Optionen in der ADHS-Therapie bei Erwachsenen. Auch aufgrund möglicher Nebenwirkungen der eingesetzten Arzneimittel besteht der Bedarf, besser zu verstehen, wie sich Arzneimittel und nichtpharmakologische Interventionen mit Blick auf Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit unterscheiden. 

Zudem tritt ADHS häufig zusammen mit anderen Störungen auf, wie beispielsweise Stimmungsschwankungen, Angstzuständen und Suchterkrankungen, die es bestmöglich zu behandeln gilt.

Studie vergleicht Arzneimittel mit nichtmedikamentösen Therapien

In einem aktuellen systematischen Review, der in Lancet PsychiatryLancet Psychiatry: "Comparative efficacy and acceptability of pharmacological, psychological, and neurostimulatory interventions for ADHD in adults: a systematic review and component network meta-analysis", Stand: 01/2025  veröffentlicht wurde, verglichen Wissenschaftler pharmakologische und nichtpharmakologische (psychologische und neurostimulierende) Interventionen zur ADHS-Behandlung im Erwachsenenalter. Insgesamt flossen Daten aus 113 randomisierten kontrollierten klinischen Studien mit 14.887 Teilnehmenden in die Analyse ein – 63 davon untersuchten pharmakologische Therapien.

Primäre Ergebnisse waren die Wirksamkeit und Akzeptanz der Therapien. Sowohl Patienten als auch die behandelnden Ärzte bewerteten anhand von Skalen, wie sich der Schweregrad der Kernsymptome unter der Therapie veränderte. Zur Bewertung wurde ein Zeitpunkt gewählt, der am nächsten bei zwölf Wochen lag.

Psychopharmaka erzielen schnelle Besserung bei ADHS

Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass eine schnelle Besserung der Symptome nur durch Arzneimittel mit Stimulanzien wie Methylphenidat oder Atomoxetin erreicht werden konnte, gestützt auf die Aussage von Patienten und Ärzten.

Mit Blick auf die Akzeptanz waren alle Interventionen verglichen mit Placebo ähnlich, mit Ausnahme von Atomoxetin und Guanfacin, die sich als weniger akzeptabel als Placebo erwiesen. Bei der Verträglichkeit waren Atomoxetin, Modafinil, Guanfacin und Stimulanzien mit einer höheren Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen verbunden als Placebo, was mit früheren Ergebnissen übereinstimmt, schreiben die Autoren.

Bei weiteren relevanten Ergebnissen wie der Lebensqualität zeigten sich die ADHS-Arzneimittel als nicht wirksam, was aber auch mit dem kurzen Zeitraum der Untersuchung zusammenhängen kann. Nichtpharmakologische Behandlungen zeigten erst später eine Besserung der Kernsymptome und eine inkonsistente Wirksamkeit, allerdings bei geringerer Studienlage. Insgesamt fehlten Langzeitdaten.

Erkenntnisse entsprechen weitgehend den Leitlinien  

Gegenüber dem Science Media Center äußerten sich verschiedene Experten, inwiefern die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung mit den Leitlinien übereinstimmen.

Prof. Dr. Marcel Romanos, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Würzburg erklärte, dass die Ergebnisse des Reviews aussagekräftig seien und nicht ignoriert werden könnten. Das Ergebnis sei gleich mit den Erkenntnissen zu ADHS bei Kindern und Jugendlichen. 

Eine Psychotherapie wirke kaum auf die Kernsymptome einer ADHS, welche sehr gut mit Arzneimitteln adressiert werden könnten. Sekundäre Störungen, wie häufige psychische Begleitsymptome, könnten hingegen mit einer Psychotherapie positiv beeinflusst werden. Was man bei Kindern immer besser verstehe, wurde nun auch bei Erwachsenen bestätigt.

Dr. Oliver Grimm, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie vom Universitätsklinikum Frankfurt, erklärte, dass die Erkenntnisse weitgehend den aktuellen Leitlinienempfehlungen entsprechen, die sich für Arzneimittel als First-Line-Therapie aussprechen. Die Analyse liefere erstmals eine direkte Vergleichbarkeit aller Therapieoptionen und zeige Limitationen der bisherigen Evidenz auf. 

Insgesamt sehe er keine bahnbrechenden Erkenntnisse, aber es gebe durchaus spannende Einzelstudien. Die Metaanalyse ermögliche sehr schön eine Vergleichbarkeit aller Interventionen und so deren Diskussion.