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Beratung: Umgang mit einer schweren Diagnose

PTA legt tröstend Hand auf Schulter einer Kundin
Menschen gehen ganz unterschiedlich mit schwerwiegenden Diagnosen um. | Bild: Drazen / AdobeStock

Eine Krankheit ist eine unbeabsichtigte Veränderung im Leben, die mit den bekannten Ressourcen nur schwer zu managen ist und die sowohl die Psyche als auch den Körper trifft. Betroffene müssen häufig nicht nur das emotionale Trauma der unguten Nachricht bewältigen, sie müssen sich auch mit den Reaktionen ihrer sozialen Umwelt auseinandersetzen.

Unheilbare Krankheit als Trauma betrachten

Eine Apotheke besuchen täglich zahlreiche schwer erkrankte Menschen oder ihre Angehörigen. Einige von ihnen haben das Bedürfnis, sich den Apothekenmitarbeitenden im Gespräch zu öffnen, andere Betroffene sind in sich gekehrt und meiden Gespräche. 

Eine unheilbare Erkrankung ist kein vorübergehender Zustand. Es ist eine Krise im Leben und kein gewöhnlicher Alltagsstressor. Dieses Trauma kann bei Betroffenen zu einer akuten oder chronischen posttraumatischen Belastungsstörung führen. Die Form der Bewältigung hat dabei einen großen Einfluss auf die psychische Verfassung der Betroffenen. 

Gut zu wissen: Wie äußert sich eine akute posttraumatische Belastungsstörung? 

Die akute Symptomatik beginnt mit einer „Schockstarre“ und mit einer gewissen Bewusstseinseinengung sowie einer Unfähigkeit, Reize und Informationen zu verarbeiten.  

Die Patienten ziehen sich dann entweder zurück oder werden mehr als üblich aktiv. Auch können Betroffene gleichgültig gegenüber anderen Menschen werden, verspüren keine Freude und vermeiden Aktivitäten. 

In der Folge können die Beschwerden nicht nur zu Schlafstörungen, Panikattacken, Angstzuständen und Depression führen, sondern auch zu weiteren körperlichen Störungen wie Verdauungsproblemen, Magenschmerzen und Herzbeschwerden.  

Dauern die Symptome länger als drei Monate, wird der Zustand als chronisch bezeichnet.

Unterschiedliche Bewältigungsstrategien für Krisen

Es gibt es verschiedene Strategien, wie Kristen bewältigt werden können. Dabei wird zwischen emotionsfokussierten, problemfokussierten und dysfunktionalen Bewältigungsformen unterschieden.

  • Emotionsfokussierte Bewältigung meint z. B. Auseinandersetzung mit der neuen Situation, Akzeptanz und Neubewertung sowie einen achtsamen Umgang mit sich selbst im Alltag.
  • Bei einer problemfokussierten Bewältigung werden z. B. Informationen und Wissen über die Erkrankung und die mögliche Therapie eingeholt.
  • Von einer dysfunktionalen Bewältigung spricht man, wenn z. B. Ablenkung, Verdrängung und Vermeidung im Vordergrund stehen.

Eine emotionsfokussierte Bewältigungsstrategie führt im optimalen Fall zur problemfokussierten Strategie. 

Ein vermeidender Bewältigungsstil hingegen ist dysfunktional und bezieht sich auf die betroffene Person selbst. Er zeichnet sich dadurch aus, dass die Diagnose als solche nicht akzeptiert wird. 

Der Betroffene informiert sich nicht über Behandlungsmöglichkeiten, lenkt sich stark ab und verdrängt alles, was mit der Erkrankung zusammenhängt. Arzt- und Untersuchungstermine werden nicht wahrgenommen und das Leben wird ohne Rücksicht auf die Erkrankung weitergeführt.

Fehlinformationen erschweren das Verarbeiten einer Diagnose

Eine Schwierigkeit beim Umgang mit einer belastenden Diagnose ist, dass Erkrankte oder Angehörige häufig mit unwahren Behauptungen konfrontiert werden, die auf Unwissenheit und Fehlinformationen basieren. 

Für viele chronische Erkrankungen findet auch die medizinische Diagnostik keine eindeutige Ursache und dadurch auch keine Prävention, dennoch – oder gerade deshalb – existieren zahlreiche Mythen über viele Erkrankungen wie Krebs, Multiple Sklerose oder Alzheimer

Ungebetene Ratschläge, vage Prognosen oder Bewertungen bezüglich einer Erkrankung sollten daher achtsam gewählt werden und sich nur auf gültiges Fachwissen stützen. 

Beratungstipp: Im Gespräch Worte mit Bedacht wählen

Unbedingt vermieden werden sollten:

  • Sätze, welche die Krankheit relativieren und stereotypisieren (z. B. „Es gibt inzwischen gute Therapiemöglichkeiten“, „Nicht alle Menschen, die an MS erkranken, sind auf einen Rollstuhl angewiesen“)
  • Sätze, die die Gefühle der Betroffenen verletzen oder abwerten (z. B. „Ich weiß, wie Sie sich fühlen“)
  • Gängige Ermunterungen (z. B. „Lassen Sie den Kopf nicht hängen“)

Auch Alltagsfloskeln wie z. B. „Na, ist bei Ihnen alles gut?“ sind gegenüber den Betroffenen, insbesondere in der schweren Anfangszeit, zu vermeiden.

In Krisen: Mitteilungsbedürfnis von betroffenen respektieren

Menschen reagieren unterschiedlich emotional: Während einige bei schlechten Nachrichten in Tränen ausbrechen und Trost in ihrem sozialen Umfeld suchen, ziehen sich andere zurück. 

Eine schwerwiegende Diagnose ist ein Vulkan der negativen Emotionen. Weinen kann sehr beruhigend und entlastend sein. Vielen Menschen, insbesondere Männern, ist es allerdings manchmal unangenehm, in Gegenwart anderer zu weinen

Ob eine Person, wenn sie von einer bestimmten Emotion überwältigt ist, nun aber tatsächlich weint oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab: zum Beispiel von ihrer Selbstwahrnehmung, psychischen Verfassung, Persönlichkeit, dem Alter, Geschlecht oder auch situativen Merkmalen.

Emotionsarbeit – das Management der Emotionen

Das Managen von Gefühlen ist ein Aspekt der emotionalen Intelligenz. Emotionsarbeit ist eine relevante Fähigkeit, die empfundenen Emotionen adäquat zu verarbeiten. 

Sie ist eine Schlüsselkompetenz in Dienstleistungsberufen und kann in gewissem Maße entwickelt und trainiert werden. Wenn Apothekenmitarbeitende Anteilnahme verspüren, können sie dies auch zeigen („Mitfühlen, aber nicht mitleiden“). 

Ein Apothekenmitarbeiter sollte jedoch nicht völlig aufgelöst vor dem Betroffenen stehen, sondern die Kontrolle über eigene Emotionen behalten.  

Grundsätzlich sind der Gesundheitszustand und das Wohlbefinden einer Person Privatsache. Betroffene und ihre Angehörigen müssen ihr Umfeld nicht darüber informieren, dass sie erkrankt sind. 

Nur in wenigen Fällen müssen andere über eine Erkrankung informiert werden, z. B. wenn eine Krankheit ansteckend ist oder wenn sie die Ausübung des Berufs beeinträchtigt. Sowohl der Patient als auch die Angehörigen sollen sich daher niemals dazu gedrängt fühlen, über ihr aktuelles Wohlbefinden den Außenstehenden Auskunft geben zu müssen.  

Schicksalsschlag im Team und Datenschutz

Auch am Arbeitsplatz haben die Mitarbeitenden hin und wieder einen Schicksalsschlag zu verarbeiten. Sofern dieses Schicksal die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt und die Qualität der Arbeit nicht gefährdet ist, sollte es den Betroffenen überlassen werden, wann und wem sie sich anvertrauen. Mutmaßungen, aktives Ausfragen und wertende Kommentare finden in einem empathischen Team nicht statt.  

Geben Mitarbeitende die Information am Arbeitsplatz im Team vertraulich bekannt, ist es im Sinne des Strafgesetzes § 203 ein Privatgeheimnis.

Der Pflicht zur Verschwiegenheit unterliegen demnach alle Informationen, die den Apothekenmitarbeitern in ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut wurden. 

Das betrifft personenbezogene Daten und Fakten und umfasst sowohl die Kundeninformationen als auch persönliche Informationen der Beschäftigten.