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Angstpatienten in der Apotheke: Panikattacke oder Angst­störung – was hilft?

Eine auf einem Bett sitzende Frau im Gegenlicht
Medikamente, Psychotherapie oder Apps: Angststörungen können und müssen behandelt werden. | Bild: panitan / AdobeStock 

Eine Panikattacke kommt aus dem heiteren Himmel: Betroffene haben plötzlich ein beklemmendes Gefühl, Herzklopfen, verschwitzte Hände, Atemnot, Angst, ohnmächtig zu werden oder die Kontrolle über sich selbst zu verlieren.

Ein solcher Anfall kommt mit Wucht – und lässt Betroffene mitunter denken, dass sie sterben. Allein in Deutschland erlebten im Schnitt etwa 30 Prozent der Menschen im Lauf ihres Lebens eine Panikattacke, erklärt der Leiter der Angstambulanz der Berliner Charité, Andreas Ströhle.

Deutschlandweit melden Krankenkassen: diagnostizierte Angstzustände und entsprechende Erkrankungen nehmen zu

Charité-Mediziner Ströhle beschreibt Panikattacken als körpereigene Alarmanlage. Doch nicht jeder Angstanfall laufe gleich ab – und nicht immer stecke eine psychische Erkrankung dahinter. dpa/mia 

Was passiert im Körper bei einer Panikattacke?

Bei einer Panikattacke komme es zu einer Aktivierung von bestimmten Hirnregionen, erklärt Ströhle. „Für diese körperlichen Reaktionen sind der Hirnstamm und die physiologischen Zentren im Gehirn verantwortlich, die den Kreislauf und die Atmung regeln.“ Diese stammesgeschichtlich alten Zentren seien für Reaktionen wie beschleunigter Puls, Atemnot oder Schwitzen mitverantwortlich.

Werden diese Prozesse in Gang gesetzt, kommt es im Körper zu einer massiven Alarmreaktion. Diese führt Ströhle zufolge dazu, „dass sich der Körper auf eine große Bedrohung einstellt, Reaktionen wie Kampf oder Flucht besser möglich sind und die Muskulatur besser durchblutet ist“. Dadurch könne der Körper auf eine potenzielle Bedrohung möglichst gut reagieren.

Nehme die Attacke ihren Lauf, seien die Symptome vielfältig, erklärt der Experte. „Atemnot, Hyperventilation oder beschleunigte Atmung sind klassische Symptome einer Panikattacke, müssen aber nicht zwangsläufig auftreten.“ 

Mitunter leiden Betroffene auch unter Schweißausbrüchen, Unruhe oder vermehrtem Harndrang. Auch von der Angst, die Kontrolle zu verlieren, verrückt zu werden oder gar zu sterben, berichten Betroffene. dpa/mia 

Mögliche Ursachen einer Panikattacke

Die Gründe für eine Panikattacke können ganz unterschiedlich sein. Möglich sind unter anderem psychische und körperliche Erkrankungen, Lebensereignisse und auch Drogen wie Alkohol oder Beruhigungsmittel. 

Bestimmte Risikofaktoren machen ein Auftreten zudem wahrscheinlicher. Vermehrter Kaffeekonsum, Schlafdefizit, Stress oder bestimmte Medikamente können begünstigend wirken.

Überdies gibt es situativ ausgelöste Anfälle. Hat man etwa eine Schlangenphobie und wird mit dem Tier konfrontiert, kann es zu einer Panikattacke kommen. „Von der Symptomatik her können die ähnlich sein wie bei einer Panikstörung, aber sie werden durch bestimmte Situationen beziehungsweise teilweise auch die Vorstellung daran ausgelöst.“

Es sei wichtig, zwischen einer Panikattacke und einer Panikstörung zu unterscheiden. Die Attacke kann auch bei gesunden Menschen auftreten, etwa in einer lebensbedrohlichen Situation oder einer starken Bedrohung. dpa/mia 

Angststörung – Eine Krankheit oder ein Symptom?

Angststörungen werden dagegen häufig nicht richtig erkannt und können sich auch über somatische (körperliche) Beschwerden manifestieren. Wenn ein Patient über länger andauernde körperliche Symptome wie Schmerzen, Magen- und Darmbeschwerden, Schlafstörungen oder einen hohen Blutdruck klagt, kann auch eine Angststörung oder eine andere psychische Erkrankung dahinter stecken.

Auf der anderen Seite können Angstzustände auch bei vielen körperlichen Erkrankungen auftreten. Dazu gehören unter anderem Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Migräne, Tumoren, eine Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) und Hypoglykämien (Unterzucker) bei Diabetes. 

Eine länger nicht behandelte körperliche Grunderkrankung kann die Psyche so stark beeinträchtigen, dass eine alleinige Behandlung der Ursache nicht ausreicht. Es ist daher wichtig, Angstsymptome oder chronische somatische Beschwerden ärztlich abzuklären und eine mögliche Grunderkrankung rasch zu behandeln. 

Therapien bei Angst- und Panikzuständen

Die aktuelle Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen empfiehlt eine psychotherapeutische Behandlung, die durch Medikamente wie Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (z. B. Citalopram, Escitalopram, Paroxetin oder Sertralin) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Venlafaxin) unterstützt werden kann. Benzodiazepine sind aufgrund ihres starken Abhängigkeitspotenzials nicht Mittel der Wahl, dennoch werden sie im akuten Notfall auch heute noch eingesetzt.

Im Falle einer akuten Panikattacke wird allerdings selten eine sofortige medikamentöse Behandlung notwendig – der Patient beruhigt sich häufig durch die Anwesenheit des Arztes bzw. Psychotherapeuten. 

In der Regel hält eine Panikattacke maximal 30 Minuten an. Langfristig wird Patienten mit einer Panikstörung eine Verhaltenstherapie und Ausdauersport (z. B. dreimal pro Woche 5 km Lauf) als ergänzende Maßnahmen empfohlen.

Gut zu wissen: Psychotherapeut, Psychologe und Psychiater

Ein Psychotherapeut ist ein Arzt oder ein Psychologe und verfügt über eine Approbation nach dem Psychotherapeuten Gesetz (PsychThG).

Ein Psychiater ist ein Arzt, der sich auf die Behandlung psychischer Störungen und Krankheitsbilder spezialisiert hat. Arzneimittel zur Behandlung der psychischen Störungen dürfen nur Ärzte verschreiben, nicht aber Psychologen. 

Davon zu unterscheiden sind Heilpraktiker für Psychotherapie. Dieser Abschluss berechtigt Heilpraktiker nicht zum Führen der approbierten Berufsbezeichnung Psychotherapeut. Ihr Schwerpunkt liegt auf einer Gesprächstherapie unterstützt mit alternativen Heilmethoden wie Akupunktur oder Homöopathie.

Apps gegen Angst und Panik – ein effektiver Zusatztipp für Betroffene

Die Wartezeiten auf einen Platz für eine psychotherapeutische Behandlung sind derzeit sehr lang. Um die Wartezeit zu überbrücken, stellen Gruppenangebote, Selbsthilfegruppen und Online-Interventionen eine gute, unterstützende Möglichkeit dar.

Einen Durchbruch bei der Behandlung der psychischen Störungsbilder bieten digitale Gesundheits-Anwendungen (DiGA) wie „HelloBetter“, „Invirto“, „Mindable“, „Velibra“ und „Selfapy“. Diese Apps werden mittlerweile als Medizinprodukte im Verzeichnis des BfArM aufgelistet und können daher von Ärzten bzw. Psychotherapeuten zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. 

Um ins Verzeichnis aufgenommen zur werden, müssen die jeweiligen Anwendungen den strengen Qualitätskriterien und Sicherheitsanforderungen des Medizinproduktegesetzes entsprechen und ihre Wirksamkeit muss wissenschaftlich belegt sein. Stiftung Warentest hat sich jüngst einige Anwendungen bei Angststörungen angeschaut