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Was ist eigentlich das Simmonds-Sheehan-Syndrom?

Mutter hält Baby nach der Geburt im Arm
Ein starker Blutverlust während der Geburt kann bei den betroffenen Frauen teils schwerwiegende Beschwerden verursachen. | Bild: kieferpix / AdobeStock

Komplikationen während und nach einer Geburt können in einigen Fällen langfristige Folgen für die Mutter haben. Eine seltene postpartale Komplikation ist das Simmonds-Sheehan-Syndrom, das meistens verzögert auftritt und mit einer totalen oder partiellen Hypophyseninsuffizienz einhergeht.

Gut zu wissen: Wie das Simmonds-Sheehan-Syndrom seinen Namen erhielt

Der deutsche Pathologe Morris Simmonds (1855–1925) hat als Erster das Krankheitsbild des Simmonds-Sheehan-Syndroms beschrieben. Einige Jahre später (1938) hat der britische Mediziner Harold Leeming Sheehan zu dieser seltenen Erkrankung wissenschaftlich geforscht. 

In der früheren Literatur wurde daher die Bezeichnung Simmonds-Sheehan-Syndrom verwendet. In aktuellen Veröffentlichungen ist die Krankheit meistens jedoch unter der Bezeichnung Sheehan-Syndrom zu finden.  

Im ICD-10-Verzeichnis wird allerdings weiterhin der lange Name Simmonds-Sheehan-Syndrom aufgeführt und ist dort unter dem Code E 23.0 zu finden.

Welche Ursache steckt hinter dem Simmonds-Sheehan-Syndrom?

Das Simmonds-Sheehan-Syndrom beruht im Wesentlichen auf einem Mangel der Hormone des Hypophysenvorderlappens. Die Erkrankung kann die Folge einer schweren Blutung während oder nach einer Geburt sein. 

Ein starker Blutverlust führt dazu, dass die hormonproduzierende Funktion der Hypophyse beeinträchtigt ist. Zunächst sind meistens die Gonadotropine betroffen, die die Funktion der Sexualorgane steuern.

Zur Erinnerung:  Welche Funktion hat der Hypophysenvorderlappen? 

Der Hypophysenvorderlappen ist eine wichtige endokrine Drüse, die für die Bildung verschiedener Hormone verantwortlich ist. Die wichtigsten dort gebildeten Gonadotropine sind das follikelstimulierende Hormon (FSH) und das luteinisierende Hormon (LH). Weitere dort gebildete Hormone sind unter anderen Thyrotropin (TSH), Corticotropin (ACTH), Somatotropin, Melanotropin und Prolaktin.

Welche Symptome treten auf?

Als erstes Symptom wird gelegentlich auffällig, dass die Mutter durch die Störung der Prolaktin-Produktion ihr Baby nach der Geburt nicht stillen kann. Im Weiteren kann sich dieses Syndrom kurzfristig durch eine extrem hohe Harnausscheidung (Polyurie) und ein dadurch entstehendes Durstgefühl (Polydipsie) manifestieren.

Als weitere Folge stellt sich ein sekundärer Hypogonadismus ein, der sich durch das Ausbleiben der Menstruation manifestiert. Später verschwindet auch die Geschlechtsbehaarung, die Haut am Körper wird dünn, faltig und trocken.

Im weiteren Verlauf: Hypothyreose, Herzbeschwerden und Ödeme

In der späteren Phase nimmt die Produktion der Schilddrüsenhormone ab. Dadurch kommt es zu Symptomen, die für eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) charakteristisch sind, wie z. B. Kälteempfindlichkeit, leichte Ermüdbarkeit, Verlust von Potenz und Libido sowie Gewichtszunahme.  

Durch den Mangel an Corticotropin kommt es schließlich zur Abnahme der Nebennierenrindenhormone (u. a. Aldosteron, Cortisol). Diese Hormone sind essenziell für die Aufrechterhaltung des biologischen Gleichgewichts. Der Mangel an Corticoiden führt zu einer vielfältigen und komplexen Symptomatik, wie z. B. Herzbeschwerden, Lähmungen, Schwäche, Ödeme, psychische Störungen, Depression, Infektanfälligkeit.

Solche Verläufe können sich je nach Schädigungsgrad der Hypophyse sofort nach der Geburt manifestieren, aber auch über Jahre hinweg langsam entwickeln.

Wie wird das Simmonds-Sheehan-Syndrom behandelt?

Die Grundlage für die Behandlung des Simmonds-Sheehan-Syndroms ist der lebenslange Ersatz von fehlenden Hormonen: Eine Hypothyreose wird durch Substitution der Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin) und der Cortisolmangel durch Substitution der Glucocorticoide (Hydrocortison, Prednison) behandelt. Darüber hinaus werden auch Geschlechtshormone entsprechend substituiert. 

Die Kombination der verschiedenen Hormone bringt ein hohes Nebenwirkungspotential mit sich. Betroffene sind auf eine lebenslange und enge Überwachung des Hormonstatus angewiesen. 

Besondere Lebensumstände, zusätzliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder stärkere Beanspruchung im Alltag machen eine Dosisanpassung notwendig.

Hormon-Dosierung an Extremsituationen anpassen

In Stresssituationen, wie beispielsweise bei Operationen, anstrengenden Sportarten oder Infektionen, kann der Bedarf an Glucocorticoiden erhöht sein. Häufig werden Betroffenen Hydrocortison-Präparate in unterschiedlicher Dosis verordnet, um auf geänderte Situationen und den damit einhergehenden Bedarf entsprechend zu reagieren.  

Gleiches gilt auch bei extremer psychischer Belastung wie beispielsweise bei Examensstress, Scheidung oder Trauer. Dies muss bei der Therapie berücksichtigt werden, denn unbehandelt kann ein Cortisolmangel zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen. Mediziner sprechen in einem solchen Fall von „hypophysärem Koma“. Solche Krisen entstehen, wenn der aktuelle Bedarf an Cortisol des Körpers höher ist als durch die Ersatztherapie abgedeckt wird.

Die Hauptsymptome des hypophysären Komas sind 

  • zunehmende Müdigkeit,
  • Teilnahmslosigkeit,
  • Leistungsminderung,
  • Apathie und
  • Schläfrigkeit.

Eine Behandlung muss notfallmedizinisch mit einer hochdosierten Cortisontherapie behandelt werden. Betroffene mit einer Hypophyseninsuffizienz sollten daher immer einen Notfallausweis mit sich führen, damit der behandelnde Arzt bei unerwarteten Ereignissen entsprechend reagieren kann. Quellen:
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/219795/Erkrankungen-im-Wochenbett
- https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-who/kode-suche/htmlamtl2019/block-e20-e35.htm
- https://www.glandula-online.de/fileadmin/user_upload/Krankheitsbilder/der_klassiker.pdf
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK459166/
- https://www.universimed.com/at/article/diabetologie-endokrinologie/sheehan-syndrom-risiko-330739
 

Simmonds-Sheehan-Syndrom in Kürze

  • Eine postpartale Komplikation, die als Folge eines Blutverlustes auftreten kann.
  • Symptome können kurzfristig oder verzögert auftreten.
  • Betroffene sind auf eine lebenslange Substitution von Hormonen angewiesen.
  • Dosierung der Hormone muss entsprechend im Bedarfsfall z. B. bei Stress, Infektionen oder anderen Belastungen angepasst werden.
  • Die Erkrankung kann zu lebensbedrohlichem, hypophysärem Koma führen.