Lenacapavir: 2 Spritzen pro Jahr schützen vor HIV
Auf der Welt-Aids-Konferenz, die vergangene Woche in München stattfand, wurde eine Studie vorgestellt, die weltweit große Hoffnungen im Kampf gegen Aids weckt.
So soll Lenacapavir, halbjährlich gespritzt, eine HIV-Infektion zu 100 Prozent verhindern. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatte den Kapsid-Inhibitor 2022 unter dem Handelsnamen „Sunlenca“, hergestellt und vertrieben vom US-Pharmaunternehmen Gilead, zur Behandlung von HIV zugelassen.
Lenacapavir wird vor allem Personen verordnet, die schon lange HI-Viren in sich tragen und mit Resistenzen gegen andere Arzneimittel kämpfen. Für diese Anwendung ist es allerdings in Deutschland nicht zugelassen.
Prävention: Keine Infektion unter Lenacapavir
Gilead hat den Kapsid-Inhibitor nun zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) getestet. An der Studie waren mehr als 5.300 Frauen zwischen 16 bis 25 Jahren in Südafrika und Uganda beteiligt, die ursprünglich HIV-negativ waren.
Zur Erinnerung: Was ist eine Präexpositionsprophylaxe?
PrEP (auch HIV-PrEP) ist die Abkürzung für „Präexpositionsprophylaxe“ und bedeutet so viel wie „Vorsorge vor einem möglichen HIV-Kontakt“. Bei dieser Schutzmethode nehmen HIV-negative Menschen HIV-Medikamente ein, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen.
Eingesetzt werden hierfür die beiden Virostatika Tenofovir und Emtricitabin. Diese gehören zu den Reverse-Transkriptase-Inhibitoren, genauer gesagt zu den NtRTIs, und hemmen die Vermehrung der viralen Partikel im Organismus.
Nach der Einnahme gelangen die Wirkstoffe unter anderem in die Zellen der Schleimhäute (z. B. im Darm oder in der Vagina), die bei Geschlechtsverkehr mit Körperflüssigkeiten oder Schleimhäuten des Partners in Kontakt kommen. Wenn HIV dann in diese Zellen eindringt, können sich die Viren nicht vermehren. Eine HIV-Infektion wird verhindert.
Dazu muss jedoch eine ausreichende Menge der Wirkstoffe im Blut und in den Schleimhäuten vorhanden sein. Wird das Medikament abgesetzt, verschwinden die Wirkstoffe im Körper und somit auch die Schutzwirkung.
2.134 Teilnehmerinnen bekamen zweimal im Jahr (alle sechs Monate) Lenacapavir unter die Haut gespritzt. Zwei weitere Gruppen erhielten zwei unterschiedliche Arzneimittel zur oralen Präexpositionsprophylaxe.
In der Lenacapavir-Gruppe gab es keinen einzigen Fall einer HIV-Infektion. In den beiden anderen Gruppen mit rund 3.200 Teilnehmerinnen gab es hingegen insgesamt 55 HIV-Infektionen.
Lenacapavir nicht zur Prävention zugelassen
Derzeit ist Lenacapavir noch nicht zur Präventiv-Therapie zugelassen. Zudem sei die Forschung auch nicht abgeschlossen, heißt es in Medienberichten. Gilead warte noch auf die Ergebnisse der klinischen Phase-III-Studie, so „tagesschau.de“Quelle: https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/aids-hiv-medikament-100.html .
Auch läuft noch eine zweite Studie, in der der Kapsid-Inhibitor als PrEP für Männer, die Sex mit Männern haben, und für männliche Sexarbeitervuntersucht wird. In dieser Forschungsreihe wird das Arzneimittel ebenfalls halbjährlich verabreicht.
Lenacapavir besser als Impfung?
Auf der Welt-Aids-Konferenz in München wurden auch aktuelle Impfstoffkandidaten vorgestellt. Bei drei Anwärtern konnten vielversprechende Studienergebnisse erzielt werden, doch bis zu einer Zulassung können noch Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen.
Die Herausforderung in der Entwicklung eines Impfstoffs liegt unter anderem darin, dass das HI-Virus schnell seine Eiweißstoffe auf der Oberfläche verändern kann, wodurch ein Impfstoff unwirksam wird.
„Es gelingt dem menschlichen Immunsystem kaum, stabile, sogenannte neutralisierende Antikörper auszubilden und einen wirksamen Schutz zu entwickeln“, erklärt Infektiologe Christoph Spinner gegenüber tagesschau.de. Umso bedeutender sei die Entdeckung, dass die Lenacapavir-Spritze hundertprozentig vor einer HIV-Infektion schützt.
Halbjahresspritze praktikabler als tägliche Tabletteneinnahme
Der Hersteller Gilead ist nun zunehmend mit der Forderung konfrontiert, das Medikament speziell in Ländern des Globalen Südens schnell und günstig verfügbar zu machen – und so zum weltweit bis 2030 angestrebten Ende der HIV-Epidemie beizutragen. Nach wie vor infizieren sich weltweit jährlich 1,3 Millionen Menschen neu mit dem Virus, jede Minute stirbt ein Mensch an den Folgen von Aids.
Am Rande der Welt-Aids-Konferenz forderten Aktivisten, kostengünstige Generika zuzulassen. Der Gilead-Preis von Lenacapavir soll laut Forschern aus Liverpool und NGOs in den USA bei 40.000 US-Dollar pro Jahr liegen.
Die UNAIDS-Exekutivdirektorin Winnie Byanyima sprach bei der Eröffnung der Aids-Konferenz von einem „Wundermittel“, das dringend für Menschen in Asien, Lateinamerika und Afrika bereitgestellt werden müsse. Es sei möglich, das Medikament zu Kosten von 100 US-Dollar oder weniger zur Verfügung zu stellen.
Vor allem junge Frauen in Afrika als besonders von HIV betroffene Gruppe könnten von dieser Art der Prävention profitieren. Laut UNAIDS infizieren sich wöchentlich weltweit 4.000 junge Frauen, mehr als 3.000 davon in Subsahara-Afrika. Teils werden Frauen wegen der Einnahme der bisher gebräuchlichen täglichen oralen PrEP mit Pillen diskriminiert, etwa weil angenommen wird, sie seien infiziert.
Auch der Arzt und Aids-Forscher Hendrik Streeck vom Universitätsklinikum Bonn sieht die Chance, ein Stigma zu reduzieren. So sagt er gegenüber tagesschau.de: „Denn Menschen, die immer eine Tablette, mit der sie sich vor einer HIV-Infektion schützen, bei sich oder auch zu Hause haben, sind viel zu erkennbar für andere. Der Schutz durch die Spritze wäre eben nicht so erkennbar wie durch diese tägliche Tablette oder auch ein Kondom.“ Quellen: dpa, tagesschau.de