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Rauchstopp besser so früh wie möglich

Frau hält Zigarette in den Händen, und bricht sie in der Mitte durch
 Rauchen ist einer der größten vermeidbaren Risikofaktoren für Lungenkrebs. | Bild: Siam / AdobeStock

Im Jahr 2024 „feiert“ der Terry-Report den 60. Jahrestag seines Erscheinens. Als 1964 der BerichtNational Library of Medicine: "Smoking and Health: Report of the Advisory Committee to the Surgeon General of the Public Health Service " „Rauchen und Gesundheit: Bericht des Beratenden Ausschusses beim Sanitätsinspekteur der Vereinigten Staaten“ durch den damaligen Surgeon General Luther Leonidas Terry veröffentlicht wurde, war der Mythos, dass Rauchen gesund sei, endgültig gebrochen.

Seitdem ist der kausale Zusammenhang zwischen dem Tabakrauchen und der Entstehung von Lungenkrebs eine unumstößliche wissenschaftliche Tatsache. Neuere StudienBritish Journal of Cancer: "Association of smoking and polygenic risk with the incidence of lung cancer: a prospective cohort study"  aus dem Jahr 2022 konnten sogar zeigen, dass der Faktor Rauchen in höherem Maße mit dem Risiko für Lungenkrebs assoziiert ist, als genetische Vorbelastungen.

Kampagnen machen auf Rauchstopp aufmerksam

Dennoch stiegen die Zahlen der Raucher noch bis in die 80er-Jahre in vielen Ländern, um seitdem rückläufig zu sein. Laut aktuellen Zahlen des BundesgesundheitsministeriumsQuelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/r/rauchen#:~:text=In%20Deutschland%20rauchen%20insgesamt%2022,in%20der%20Raucherquote%20zu%20beobachten.  rauchen in Deutschland derzeit noch immer rund 22,7 Prozent der Erwachsenen.

Im Bewusstsein der negativen Auswirkungen des Tabakrauchens auf die Gesundheit – und die Gesundheitskosten für die Allgemeinheit – gibt es etliche Kampagnen, die zum Rauchverzicht aufrufen wie etwa „rauchfrei“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). 

Dass die Gesundheitsschützer dabei mit ihren Kampagnen, Schockbildern und der Forderung nach einem möglichst frühen Rauchstopp – oder von vorneherein dem völligen Verzicht – wohl recht haben, zeigt jetzt eine neue schwedische Studie.

Lungenkrebsrisiko bleibt auch nach Rauchstopp hoch

Bengt Järvholm, Professor an der Abteilung für öffentliche Gesundheit und klinische Medizin der Universität Umeå in Schweden, kam mit seinem Team in der jetzt im Fachmagazin European Journal of Public Health veröffentlichten StudieEuropean Journal of Public Health: "Changing smoking habits and the occurrence of lung cancer in Sweden - a population analysis"  zu dem Schluss, dass nach einem Rauchstopp das Risiko für Lungenkrebs für den Einzelnen nicht in dem Maße abnimmt, wie es bisherige Forschung vermuten ließ.

Die Forschenden hatten Zahlen über die Veränderung der Rauchgewohnheiten in der schwedischen Allgemeinbevölkerung aus Erhebungen und über die Besteuerung des Zigarettenverkaufs gewonnen und sie in Zusammenhang mit den Meldedaten aus dem schwedischen Krebsregister über die Inzidenz von Lungenkrebs gestellt. Dabei bezogen sie Daten aus dem recht langen Zeitraum zwischen 1970 und 2021 in ihre Auswertung mit ein.

Die Daten stratifizierten sie dabei nach Geschlecht, Alter und Zelltyp und verglichen das Auftreten von Lungenkrebs im Laufe der Zeit im Alter zwischen 40 und 84 Jahren.  

Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass der Zigarettenverkauf 1980 mit 1.800 Zigaretten pro Person seinen Höhepunkt erreichte und bis 2021 auf 600 Zigaretten pro Person zurückging. Das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, indes sank nicht im gleichen Maße. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass das Lungenkrebsrisiko mehrere Jahre nach der Raucherentwöhnung ungünstiger ist als in früheren Studien angenommen“, schreiben die Forschenden.

Steigende Fallzahlen an Adenokarzinomen

Während in allen Altersgruppen die Inzidenz für Plattenepithelkarzinome der Lunge über die Jahre etwas sank, stieg die Inzidenz für die häufigen Adenokarzinome von 1970 bis 2021 stark an. 

Für Männer zwischen 75 und 79 Jahren blieb das Risiko für alle Arten insgesamt gleich – dabei verschob sich allerdings das Verhältnis der Inzidenz von Plattenepithelkarzinomen zu Adenokarzinomen. Während erstere in der Altersgruppe zurückgingen, nahmen letztere um den Faktor sechs zu. „Die Inzidenzraten betrugen zu Beginn des Studienzeitraums bei Männern und Frauen im Alter von 75–79 Jahren etwa 15–20 Fälle pro 100.000 Personenjahre und stiegen bis 2020 auf etwa 120–135 Fälle pro 100.000 Personenjahre an“, schreiben die Forschenden.

Die Studie zeigt auch einen Unterschied für Männer und Frauen über die Gesamtzahlen: Laut der Studienergebnisse wären bei gleichbleibendem Lungenkrebsrisiko bei Männern und Frauen im Alter von 40 bis 84 Jahren von 1970 bis 2021 etwa 2.250 Männer an Lungenkrebs erkrankt statt 1.695 Fällen. Das heißt, ein Rückgang um 555 Fälle. Bei Frauen wären es 544 Fälle anstelle der jetzigen 2.181 Fälle gewesen. Das bedeutet, es gab einen Anstieg um 1.637 Fälle von Lungenkrebs.

„Rauchen ist zweifelsohne der wichtigste Risikofaktor für Lungenkrebs. Es ist daher überraschend, dass der Rückgang des Rauchens in den Statistiken noch nicht deutlicher sichtbar ist. Es bedarf weiterer Forschung, um herauszufinden, warum dies der Fall ist“, sagt JärvholmUmeå University: "Lung cancer does not decrease in line with reduced smoking" .  

Verschiebung zu Adenokarzinomen im Zusammenhang mit Filterzigaretten

Eine mögliche Erklärung für die Verschiebung hin zum Adenokarzinom sei eventuell der Umstieg auf Filterzigaretten ab den 70er-Jahren, was zu weniger Teerablagerungen in den Lungen führt. Filterzigaretten sind laut älterer StudienNational Library of Medicine: "Risk of squamous cell carcinoma and adenocarcinoma of the lung in relation to lifetime filter cigarette smoking"  eher mit dem Risiko für Adenokarzinome verbunden, Nicht-Filterzigaretten mit dem für Plattenepithelkarzinome.  

Warum aber anders, als es etwa eine britische StudieNature: "Tobacco smoking and somatic mutations in human bronchial epithelium"  aus dem Jahr 2020 besagte, ein Rückgang der Raucherquote nicht im gleichen Maße mit einem Rückgang der Lungenkrebsinzidenz insgesamt korreliert, ließe sich nicht abschließend sagen, so die schwedischen Forschenden. Der britischen Studie zufolge sank die Zahl der Menschen, die vor dem 75. Lebensjahr an Lungenkrebs erkrankten, bei denjenigen, die vor dem Alter von 50 Jahren mit dem Rauchen aufhörten, von 16 Prozent auf drei Prozent.

„Die Ergebnisse sollten keinesfalls so interpretiert werden, dass es sinnlos ist, mit dem Rauchen aufzuhören. Im Gegenteil, die Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, frühzeitig mit dem Rauchen aufzuhören, am besten gar nicht erst damit anzufangen, denn es könnte sein, dass das Lungenkrebsrisiko länger erhöht ist, als wir bisher angenommen haben“, sagt Järvholm. Quellen:
- United States. Public Health Service. Office of the Surgeon General; Smoking and Health: Report of the Advisory Committee to the Surgeon General of the Public Health Service; 1964; https://profiles.nlm.nih.gov/spotlight/nn/catalog/nlm:nlmuid-101584932X814-img
- Zhang, P., Chen, PL., Li, ZH. et al. Association of smoking and polygenic risk with the incidence of lung cancer: a prospective cohort study. Br J Cancer 126, 1637–1646 (2022). https://doi.org/10.1038/s41416-022-01736-3
- Bundesministerium für Gesundheit; Rauchen; Stand: 3. Januar 2024; https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/r/rauchen
- BZgA; Rauchfrei; https://rauchfrei-info.de/
- Universität Umeå; Webauftritt; https://www.umu.se/en
- Bengt Järvholm, Linnea Hedman, Maréne Landström, Per Liv, Alex Burdorf, Kjell Torén, Changing smoking habits and the occurrence of lung cancer in Sweden—a population analysis, European Journal of Public Health, 2024;, ckae050, https://doi.org/10.1093/eurpub/ckae050
- Nilsson, O.; Lung cancer does not decrease in line with reduced smoking
- Universität Umeå, Pressemitteilung; 2.4.2024; https://www.umu.se/en/news/lung-cancer-does-not-decrease-in-line-with-reduced-smoking_11917275/
- Stellman SD, Muscat JE, Thompson S, Hoffmann D, Wynder EL. Risk of squamous cell carcinoma and adenocarcinoma of the lung in relation to lifetime filter cigarette smoking. Cancer. 1997 Aug 1;80(3):382-8. doi: 10.1002/(sici)1097-0142(19970801)80:3<382::aid-cncr5>3.0.co;2-u. PMID: 9241071. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9241071/
- Yoshida K, Gowers KHC, Lee-Six H, Chandrasekharan DP, Coorens T, Maughan EF, Beal K, Menzies A, Millar FR, Anderson E, Clarke SE, Pennycuick A, Thakrar RM, Butler CR, Kakiuchi N, Hirano T, Hynds RE, Stratton MR, Martincorena I, Janes SM, Campbell PJ. Tobacco smoking and somatic mutations in human bronchial epithelium. Nature. 2020 Feb;578(7794):266-272. doi: 10.1038/s41586-020-1961-1. Epub 2020 Jan 29. PMID: 31996850; PMCID: PMC7021511. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31996850/