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Besser kein veganer Käseersatz in der Schwangerschaft?

Runder Cashewkäse, daneben liegt eine Scheibe Brot
In veganen Ersatzprodukten wurden Lebensmittelinfektionen-auslösende Bakterien gefunden. | Bild: pikoso.kz / AdobeStock

Pflanzenbasierte Käse-Ersatzprodukte gelten als sichere Alternativen zu Rohmilchprodukten für Menschen mit einem erhöhten Risiko für Lebensmittelinfektionen – zum Beispiel Immunsupprimierte oder Schwangere – wie einer Listeriose

Wissenschaftler berichten im „New England Journal of Medicine“NEJM: „Outbreak of Listeriosis Associated with Consumption of Vegan Cheese“  im April 2024 nun jedoch über acht Fälle einer Listeriose, die im Zusammenhang mit dem Verzehr von veganen Käse-Ersatzprodukten stehen: Vier schwangere Frauen mit Frühgeburten in Frankreich, eine Frau mit Schwangerschafts-assoziierter Sepsis in Deutschland, ein Listeriosefall bei einem dreijährigen Kind in Belgien, ein Neugeborenes mit Meningitis in den Niederlanden sowie eine 38-jährige immunsupprimierte Person mit Meningoenzephalitis (Frankreich).

Gut zu wissen: Was ist Rohmilchkäse?

Wird Milch (Rind, Büffel, Schaf, Ziege) bei der Käseherstellung nicht wärmebehandelt (mindestens 50 °C) oder bei 72 bis 75 °C pasteurisiert, spricht man beim entstehenden Käse von Rohmilchkäse. Rohmilchkäse sind mit dem Hinweis „mit Rohmilch hergestellt“ zu kennzeichnen. Almkäse sind häufig aus Rohmilch hergestellt. 

Beispiele für Rohmilchkäse sind Allgäuer Emmentaler, Camembert de Normandie, Roquefort.

Käseersatz auf Cashew-, Mandel- oder Kokosbasis

Die bei den Infizierten isolierten Listerien waren eng verwandt mit Listerien, die in veganem Käseersatz und in dessen Produktionsumgebung gefunden wurden. Auch waren alle Betroffenen den kontaminierten Produkten sicher ausgesetzt. 

Es handelte sich um halbfeste Käse-Ersatzprodukte – wie Camembert, Ziegenkäse, Blauschimmelkäse auf Basis von roher Mandel-, Cashew- oder Kokosnussmilch –, die die Hersteller im Einzelhandel sowie online angeboten hatten.

Salmonellen in Cashew-Käseersatz

Es ist nicht das erste Mal, dass Lebensmittelinfektionen-auslösende Bakterien auch in veganen Produkten gefunden wurden. Bereits 2014 informierten die CDC (Centers for Disease Control and Prevention) – eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, die sich mit der Prävention und Kontrolle von Krankheiten beschäftigt – über einen Salmonellenausbruch bei 17 Menschen in Verbindung mit dem Verzehr von Käseersatz auf Cashewbasis. 

Dennoch würden vegane Käse-Ersatzprodukte nach wie vor und fälschlicherweise als sichere Alternative zu Rohmilchkäse für Schwangere angeboten, kritisieren aktuell die Wissenschaftler im „NEJM“. Sie monieren zudem, dass vegane Käse-Ersatzprodukte keinen „Hygieneschritt“ wie eine Pasteurisierung durchliefen, der eine Kontamination kontrollieren könnte. 

Die berichteten Fälle unterstreichen ihrer Ansicht nach die Notwendigkeit, dass Hersteller von veganem Käseersatz das Listeriose-Risiko in ihren Produktionsprozessen berücksichtigen müssen.

Listerien vermehren sich auch in Milch-Ersatzprodukten

Listerien seien „allgegenwärtig“ und könnten rohe Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Gemüse, Obst und Nüsse kontaminieren, meist dürfte man an rohes Fleisch und Rohmilchprodukte denken. 

Dass sich Listerien jedoch nicht ausschließlich in tierischen Produkten vermehren, konnten Wissenschaftler 2023 in einer Studie„Food Microbiology“: „Growth of food-borne pathogens Listeria and Salmonella and spore-forming Paenibacillus and Bacillus in commercial plant-based milk alternatives“  zeigen: Sie hatten vergleichsweise Pflanzen-basierte Milch und Kuhmilch mit den Erregern Listeria monocytogenes und Salmonella enterica kontaminiert. Die Wissenschaftler beobachteten, dass sich die Listerien und Salmonellen in der Pflanzenmilch sogar stärker vermehrten als in der Kuhmilch, zumindest bei höheren Temperaturen als im Kühlschrank. 

Die Forschenden sahen damit ein „erhebliches Risiko einer Listeriose und Salmonellose“ bei Milch-Ersatzgetränken auf pflanzlicher Basis. Folglich rieten sie dazu, Empfehlungen für die Zeit nach Öffnung des Produkts sorgfältig zu prüfen.

Zur Erinnerung: Listerien und Listeriose

Listerien sind grampositive Bakterien. Es gibt sieben Spezies, von denen Listeria monocytogenes am häufigsten krankmachend für Menschen ist. 

Listerien sind recht genügsam und stellen wenige Anforderungen an ihre Umgebung, um sich vermehren zu können: Sie benötigen zwischen –0,4 bis +45 °C, um wachsen zu können – das bedeutet: Listerien vermehren sich auch im Kühlschrank. Wichtig für ihre Vermehrung sind jedoch weitere Faktoren, wie pH-Wert und Salzkonzentration. 

Das Robert Koch-Institut (RKI) beschreibt das Vorkommen von Listerien mit „ubiquitär“, das bedeutet: überall – Erde, Pflanzen, Abwässer, landwirtschaftlicher Bereich. Häufig findet man Listerien wohl in verdorbener Silage als Tierfutter.

Die Listeriose – die durch Listerien verursachte Erkrankung – ist eine lebensmittelbedingte Infektionserkrankung und meldepflichtig. Anstecken kann man sich über tierische Nahrungsmittel – Fleisch und Fleischerzeugnisse, Fisch und Fisch-Erzeugnisse, Milch und Milchprodukte wie Käse – und über pflanzliche Lebensmittel, zum Beispiel vorgeschnittene Salate. 

Wie die Listerien in den Endprodukten landen, dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • Direkt bei der Gewinnung des Ausgangsmaterials (z. B. Melken der Kuh),
  • beim nicht vollständigen Abtöten der Bakterien bei der Verarbeitung des Lebensmittels oder
  • durch Kontamination in lebensmittelverarbeitenden Betrieben.

Dabei ist auch eine Rekontamination möglich, das bedeutet: Nach Listerien-abtötenden Prozessen kommen die Lebensmittel wieder in Kontakt mit den Bakterien und werden erneut verunreinigt. Das Robert Koch-Institut (RKI) beschreibt zudem Fälle mit Listerien durch Sauermilchkäse (Harzer Käse) aus pasteurisierter Milch. Das Krankheitsrisiko aus Weichkäsen lasse sich derzeit „nicht abschließend bewerten“.

Listeriose: Gefahr vor allem für Schwangere und Immungeschwächte

Bei ansonsten gesunden Menschen kommt es bei Listerienkontakt „selten zu einer Infektion und noch seltener zu einer Erkrankung“, schreibt das RKI. Listeriosen sind vor allem für immungeschwächte Menschen und Schwangere ein Risiko. 

Beim Verzehr von mit Listerien kontaminierten Produkten in der Schwangerschaft können diese das ungeborene Kind infizieren. Eine Früh oder Fehlgeburt kann die Folge sein oder, dass das Baby infiziert zur Welt kommt. Listerien-infizierte Neugeborene mit einer sogenannten Frühinfektion (Symptome beginnen in der ersten Lebenswoche) leiden am Atemnotsyndrom, an Sepsis und Hautläsionen. 

Bei einer Spätinfektion – Symptombeginn ab der zweiten Lebenswoche – kommen die Babys meist termingerecht zur Welt, infizieren sich im Geburtskanal und erkranken dann häufig an einer Meningitis (Hirnhautentzündung).

Aus diesem Grund sollen Schwangere auf Rohmilchprodukte, rohen Fisch und rohes Fleisch sowie abgepackten Salat verzichten – und vielleicht auch besser auf die veganen Käse-Ersatzprodukte.

Bei Listeriose: Amoxicillin ist Mittel der Wahl

Als Antibiotikum der Wahl gilt Amoxicillin oder Ampicillin, kombiniert mit einem Aminoglykosid. Allerdings sind Aminoglykoside in der Schwangerschaft kontraindiziert. Mittel der zweiten Wahl ist Cotrimoxazol.