Fencheltee: Nicht für Schwangere und unter vier Jahren
Aufgrund ihrer krampflösenden und schleimlösenden Wirkung werden die Früchte des Fenchels (Foeniculum vulgare) traditionell zur symptomatischen Behandlung von Blähungen, Bauchschmerzen und Husten eingesetzt. Insbesondere in Form von Tees (z. B. H&S Bio Schwangerschaftstee, Bio-Schwangerschaftstee der Drogerie-Kette dm) ist die Anwendung von Fenchel bei Babys, Kleinkindern, Schwangeren und Stillenden beliebt.
Die Wirkung wird unter anderem dem in dem ätherischen Öl enthaltenen Estragol zugeschrieben. Bereits 2005 hatte der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auf das potenziell kanzerogene (krebserregende) Risiko von Estragol-haltigen Arzneimitteln hingewiesen.
Fenchel: Karzinogene Wirkung von Estragol
Damals konnte in tierexperimentellen Untersuchungen gezeigt werden, dass dosisabhängig aus Estragol der reaktive Metabolit 1´-Hydroxyestragol gebildet wird. Dieser bindet an die DNA und bedingt so die genotoxischen und karzinogenen Folgen.
Vor allem in sehr hohen Dosen traten in zahlreichen Studien Lebertumoren bei Mäusen auf. Der HMPC kam seinerzeit zu dem Schluss, dass bei einer kurzzeitigen Anwendung von Estragol-haltigen Tees in der empfohlenen Dosis bei Erwachsenen nicht von einem signifikanten Krebsrisiko ausgegangen werden kann.
Schon damals empfahl der Ausschuss, dass aufgrund der limitierten Datenlage Kinder unter vier Jahren möglichst keinen Fencheltee zu sich nehmen sollten.
EMA: Kein Fenchel bei Kindern unter 4 Jahren, Schwangeren und Stillenden
Im Januar dieses Jahres ist zudem eine neue Monografie des „Committee on Herbal Medicinal Products“ (HMPC) der europäischen Arzneimittelbehörde zu Fenchel erschienen. Darin heißt es unter anderem:
„In der Allgemeinbevölkerung sollte die Exposition gegenüber Estragol so niedrig gehalten werden, wie dies praktisch möglich ist. Bei schwangeren und stillenden Frauen muss die tägliche Aufnahme von Estragol unter 0,05 mg/Person pro Tag liegen. Bei Kindern unter zwölf Jahren muss die tägliche Aufnahmemenge von Estragol unter 1,0 µg/kg Körpergewicht liegen.“
Aufgrund fehlender Daten wird in der Monografie Kindern unter vier Jahren grundsätzlich von dem Konsum von Fenchel abgeraten. Das Gleiche gilt auch für die Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit.
Auch bei Kindern unter zwölf Jahren gilt die Anwendung von Fenchel als pflanzliches Arzneimittel nicht als etabliert und sollte nicht länger als eine Woche andauern.
Schweizerische Arzneimittelbehörde rät auch von Fencheltee ab
Am 6. März hat nun auch die Schweizerische Arzneimittelbehörde Swissmedic die Empfehlung der EMA nochmals bekräftigt: Kinder unter vier Jahren sollten ohne ärztliche Rücksprache keinen Fencheltee trinken. Außerdem rät Swissmedic Schwangeren und Stillenden grundsätzlich von Fencheltee ab.
Wer bisher Fencheltee seinem Kind unter vier Jahren gegeben hat oder als Schwangere und Stillende Fencheltee getrunken hat, muss sich nun dennoch nicht übermäßig sorgen. Es handelt sich um eine „vorläufige“ Empfehlung von Swissmedic:
„Neueste Studien weisen darauf hin, dass Estragol in hohen Mengen möglicherweise schädlich für die Gesundheit sein kann. Die Relevanz der bisher vorliegenden Daten für den Menschen ist noch nicht abschließend geklärt und Gegenstand der weiteren Forschung“, heißt es zur Erklärung. Doch weil bei Tees eine exakte Dosierung des Wirkstoffes – aufgrund von Faktoren wie Wassertemperatur und -menge oder die Dauer des Ziehenlassens – nicht möglich sei, rät Swissmedic lieber zur Vorsicht als zur Nachsicht.
Wo ist noch Estragol enthalten?
Im März dieses Jahres erinnerte das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) daran, dass laut Koordinierungsgruppe für dezentrale Verfahren und Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (CMDh) der EMA Zulassungsinhaber bis März 2024 überprüfen sollten, „ob ihre Arzneimittel dem Richtwert für Estragol entsprechen“. Gegebenenfalls seien regulatorische Maßnahmen zu setzen, um den Richtwert einzuhalten und Estragol-haltige Hilfsstoffe sollten ersetzt werden, hieß es.
Die wichtigsten Quellen für Estragol seien aus Arzneimittelsicht
- Fenchel, Fenchelöl,
- Anis, Anisöl und
- Sternanis, Sternanisöl.
Neben Fencheltee ist also auch an Anistee zu denken, dessen Konsum kritisch sein könnte. Zudem gibt es solche Tees nicht nur als auf ihren Gehalt hin kontrollierte Arzneimittel aus der Apotheke, sondern auch als Lebensmittel. Quellen:
- Public statement on the use of herbal medicinal products containing estragole. Informationen des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC), European Medicine Agency (EMA), EMA/HMPC/137212/2005 Rev 1 Corr 1*12. Mai 2023
- Voitl, Peter. Fencheltee für Kinder? Die aktuelle Richtlinie der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zur Verwendung von estragolhaltigen Produkten. Monatsschrift Kinderheilkunde 2023, Ausgabe 11