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Die Blaue Hand: Ketamin-Nasenspray: nur unter ärztlicher Aufsicht

Frau hält in einer Hand Nasenspray
Die FDA warnt erneut vor einer missbräuchlichen Anwendung von Ketamin-Nasensprays. | Bild: Anton / AdobeStock

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) warnte bereits seit Februar 2022 vor der illegalen Anwendung von Ketamin-Präparaten im häuslichen Umfeld bei psychiatrischen Störungen. 

„Der FDA ist bekannt, dass einige Apotheken Ketamin-Nasensprays entweder allein oder in Kombination mit anderen Inhaltsstoffen herstellen“, heißt es in einer entsprechenden Mitteilung. In den letzten Jahren habe es in der Folge eine besorgniserregende Anzahl von Berichten über Nebenwirkungen gegeben.

Gut zu wissen: Rezeptur mit Ketamin im NRF

Auch im deutschen DAC/NRF (Deutscher Arzneimittel-Codex/Neues Rezeptur Formularium) findet sich eine Rezepturformel für ein Ketamin-Nasenspray. Allerdings ist es zur Anwendung bei postoperativen Schmerzen gedacht und es wird darauf hingewiesen, dass ein Esketamin-Nasenspray zur Behandlung schwerer therapieresistenter Depressionen regulär zugelassen ist.

Unterschiede zwischen Ketamin und Esketamin

Grundsätzlich liegt der Gedanke nicht fern, Ketamin in psychiatrischen Indikationen als Nasenspray einzusetzen, denn Ketamin ist ein racemisches Gemisch aus R- und S-Ketamin (Racemat = Mischung aus gleichen Anteilen beider Enantiomere einer optisch aktiven Substanz). Das S-Enantiomer Esketamin ist sowohl in den USA als auch in Europa als Nasenspray unter dem Handelsnamen Spravato® für die Behandlung von Depressionen zugelassen – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen wie einer ärztlichen Aufsicht. 

Die FDA gibt jedoch zu bedenken, dass es zwischen Ketamin und Esketamin durchaus Unterschiede gibt: In Tierstudien soll racemisches Ketamin bei Nagern zu Hirnschädigungen geführt haben. Auch wenn nicht klar ist, ob sich diese Erkenntnis auf den Menschen übertragen lässt, soll es unter Esketamin bislang keine entsprechenden Beobachtungen geben. 

Außerdem weist die FDA darauf hin, dass die nicht zugelassenen Ketamin-Nasensprays teils höher dosiert und häufiger verwendet werden als Spravato®.

Gut zu wissen: Wie kommt Spravato® in die Apotheke?

Ein Auszug aus der Lauer-Taxe erklärt, dass Spravato® ein Arzneimittel in der kontrollierten Distribution ist, also nur beim pharmazeutischen Unternehmer direkt bestellt werden kann und nicht über den Großhandel. 

Außerdem gilt es zu beachten:  

„Bei Arzneimitteln, die den Wirkstoff Esketamin enthalten und die zur intranasalen Anwendung bestimmt sind, ist gemäß § 2 Absatz 3a AMVV auf der Verschreibung durch die verschreibende Person zu vermerken, dass das Arzneimittel nicht an die Patientin oder den Patienten, sondern nur an die Arztpraxis oder die Klinik, der die verschreibende Person angehört, abgegeben werden darf. Fehlt auf der Verschreibung dieser Vermerk, so kann der Apotheker oder die Apothekerin die Verschreibung um diese Angaben ergänzen, wenn nach den für ihn oder sie erkennbaren Umständen ein dringender Fall vorliegt und eine Rücksprache mit der verschreibenden Person nicht mit zumutbarem Aufwand möglich ist.“

Warnung vor oraler Anwendung von Ketamin-Präparaten

Ketamin stammt ursprünglich aus der Anästhesie und wird dort als Injektion angewendet. Bei den entsprechenden Präparaten verweist die FDA auf Risiken wie Halluzinationen, Delirium, Atemdepression und arzneimittelinduzierte Leberschäden. 

Seit dem 10. Oktober warnt die FDA nun erneut vor Ketamin-Präparaten zur Selbstanwendung – dieses Mal auch in oralen Formulierungen. Die FDA erklärt, dass der Bezug solcher Präparate über Telemedizin-Plattformen für zu Hause für einige Patienten attraktiv erscheint. Bei der Anwendung von Ketamin bedarf es mindestens genauso wie bei den zugelassenen Esketamin-Nasensprays medizinischer Überwachung. 

Beispielsweise im April 2023 sei der FDA über einen Patienten berichtet worden, der außerhalb einer medizinischen Einrichtung Ketamin oral eingenommen und eine Atemdepression erlitten hatte. Er wollte damit offenbar eine posttraumatische Belastungsstörung behandeln. Sein Ketamin-Blutspiegel soll schließlich doppelt so hoch gewesen sein, wie es sonst in der Anästhesie üblich ist.

Schulungsmaterial zu Esketamin

Auch beim zugelassenen Spravato® gilt es einiges zu beachten, das zeigen die deutschen behördlich genehmigten Schulungsmaterialien zu Esketamin des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). 

Demnach müssen Patienten nach der Anwendung von Esketamin-Nasenspray von medizinischem Fachpersonal überwacht werden. Außerdem ist der behandelnde Arzt dafür verantwortlich zu entscheiden, ob und wann die Nachbeobachtung beendet werden kann. Dazu wird eine Checkliste mit dem Symbol der „Blauen Hand“ zur Verfügung gestellt. 

Die Nachbeobachtung darf beendet werden, wenn die Patienten:

  • keine Anzeichen einer Dissoziation oder Wahrnehmungsstörung aufweisen,
  • sie vollständig wach sind und auf Reize reagieren (keine Sedierung),
  • der Blutdruck in einem akzeptablen Bereich liegt und
  • auch andere Nebenwirkungen abgeklungen sind.

Zudem muss sichergestellt sein, dass die Patienten „bis zum folgenden Tag nach einem erholsamen Schlaf“ nicht Auto fahren und keine Maschinen bedienen.

Diese Risiken bestehen beim Esketamin-Nasenspray

Zudem informiert ein Leitfaden für Heilberufe unter anderem über die wichtigsten vier spezifischen Risiken von Esketamin-Nasenspray:

  • vorübergehende dissoziative Zustände und Wahrnehmungsstörungen
  • Bewusstseinsstörungen
  • erhöhter Blutdruck
  • Arzneimittelmissbrauch

Bei Patienten mit klinisch signifikanten oder instabilen kardiovaskulären Erkrankungen oder Atemwegserkrankungen bedarf es einer besonderen Risikoabwägung. Außerdem heißt es analog zu den aktuellen Hinweisen aus den USA auch im deutschen Schulungsmaterial:

„Das Nasenspray wird vom Patienten selbst unter direkter Aufsicht von medizinischem Fachpersonal in einer medizinischen Einrichtung angewendet. Der Patient darf das Arzneimittel nicht alleine zu Hause anwenden. Die Sprühflasche darf dem Patienten nicht mitgegeben werden.

Für die Anwendung selbst gilt zu beachten, dass  

  • zwei Stunden vorher nichts mehr gegessen werden,
  • mindestens 30 Minuten vorher nichts mehr getrunken und
  • eine Stunde vorher kein anderes Arzneimittel in die Nase gesprüht werden darf. 

Ein gesonderter Leitfaden, der auch die genaue Anwendung von Spravato® beschreibt, kann Patienten ausgehändigt werden.

Hinweise für einen Missbrauch von Ketamin

Zum Thema Arzneimittelmissbrauch heißt es im Esketamin-Leitfaden für die Heilberufe: „Bei Ketamin, der racemischen Mischung aus Arketamin und Esketamin, besteht ein bekanntes Potenzial für den Missbrauch als Freizeitdroge

Spravato® enthält Esketamin, aus den klinischen Studien liegen jedoch keine Berichte über arzneimittelsüchtiges Verhalten (z. B. Bitten um Dosierungsänderungen und/oder Entwendung von Nasensprays) vor. Ebenso wenig gab es Hinweise auf eine Entzugssymptomatik nach Beendigung der Therapie mit Esketamin Nasenspray.“ 

Weiter heißt es, dass das Vorliegen einer interstitiellen Zystitis ein Hinweis darauf sein könne, dass Ketamin als Freizeitdroge missbraucht wird. Die interstitielle Zystitis ist eine nichtinfektiöse chronische Harnblasenerkrankung, die mit Schmerzen, häufigem Wasserlassen und Harndrang einhergeht.