Erweiterte Austauschmöglichkeiten: Nichtverfügbarkeit: Was, wenn Ersatz auch ein Rabatt ist?
Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Frage:
„Uns liegt ein Rezept über Doxepin 50 100 Stück vor. Das entsprechende Arzneimittel ist derzeit nicht lieferbar. Daher haben wir 2x die 50 Stück Packung abgegeben, die selbst wiederum ein Rabattarzneimittel darstellt. Nach den neuen Regelungen vom 01.08.2023 muss in diesem Fall eine Nichtverfügbarkeit aufgedruckt werden. Da wir jedoch ein Rabattarzneimittel abgegeben haben, würden wir jetzt eigentlich keine Nichtverfügbarkeit aufdrucken. Ist das korrekt?“
Hintergrund: Neue Austauschmöglichkeiten für Apothekenteams
Seit dem 1. August 2023 sind die erweiterten Austauschregeln in Kraft. Eingeführt wurden diese im Zuge des Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) mit dem Ziel, Apotheken bei Engpässen und Lieferschwierigkeiten mehr Handlungsspielraum zu ermöglichen.
Gut zu wissen: Wo kann man die neuen Austauschregeln nachlesen?
Für gesetzlich Versicherte sind die neuen Regelungen in § 129 Abs. 2a SGB V, für privat Versicherte, Beihilfeempfänger und Selbstzahler in § 17 Abs. 5b ApBetrO zu finden.
Gemäß den neuen Regelungen kann das nach Maßgabe des Rahmenvertrags abzugebende Arzneimittel bei Nichtverfügbarkeit gegen ein „verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel“ ausgetauscht werden. Dabei darf – sofern die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs dadurch nicht überschritten wird – im Hinblick auf folgende Punkte von der Verordnung abgewichen werden, ohne dass eine ärztliche Rücksprache notwendig wird:
- die Packungsgröße,
- die Packungsanzahl („Bündeln“),
- die Abgabe von Teilmengen aus der Packung eines Fertigarzneimittels („Auseinzeln“),
- die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.
In obigem Praxisfall lag Punkt zwei der neuen Austauschmöglichkeiten vor. Wir haben beim DeutschenApothekenPortal (DAP) nachgefragt, worauf dabei zu achten ist.
Abgaberangfolge (vorerst) beachten
Thomas Noll vom DAP erklärte gegenüber der Redaktion, dass es im Falle von Nichtverfügbarkeit keine Rolle spiele, ob die abgegebene Packung selbst auch rabattiert sei oder nicht. Da der zur 100er-Packung gehörige Rabattartikel nicht abgegeben wurde, spiele der Rabattpartner keine Rolle (mehr).
Wichtig sei für das Vorgehen vielmehr, dass es bei den Doxepin-100-Stück-Packungen auch wirklich keine lieferbare Option gibt. „Die Abgaberangfolge muss immer komplett durchlaufen werden“, so Noll. Das heißt, es ist nacheinander zu prüfen, ob
- ein Rabattpartner,
- eines der vier preisgünstigen Arzneimittel,
- oder ein Artikel oberhalb der vier preisgünstigen Arzneimittel
lieferbar ist. „Erst, wenn hier keine Packung verfügbar ist, darf ein wirkstoffgleiches Arzneimittel mit anderer Packungsgröße, Packungsanzahl etc. abgegeben werden.“
Noll weist auch darauf hin, dass dies ursprünglich anders kommuniziert wurde. Doch – nach aktuellem Stand – dürfe nicht einfach irgendetwas abgegeben werden, nur weil ein Artikel nicht lieferbar sei.
Hierüber informierte auch der Apothekerverband Schleswig-Holstein jüngst seine Mitglieder. Der Verband rät in einem Rundschreiben aufgrund von „derzeit noch nicht abgeschlossenen rechtlichen Prüfungen und Abstimmungen vorerst an der Abgaberangfolge des Rahmenvertrages [...] festzuhalten“.
Fazit
Im genannten Fallbeispiel wäre laut Noll bei vollständiger Nichtlieferbarkeit der 100er-Packung die entsprechende Sonder-PZN mit Faktor zu nutzen. Dabei sei auch auf die Zuzahlung zu achten, denn: „Leider fallen nach aktuellem Stand auch die Zuzahlungen für beide Packungen an. Das Zusammenfassen von mehreren Zuzahlungen gilt erst ab Februar 2024.“
Gut zu wissen: Mehr zum Thema bietet das DAP
Aus aktuellem Anlass hat das DAP auf seiner Website eine Arbeitshilfe zu den neuen Austauschmöglichkeiten erstellt sowie ein Merkblatt rund um das Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) veröffentlicht. In einem Erklärvideo werden die Inhalte nochmals kurz und bündig aufgegriffen.