Stiftung Warentest prüft Antibiotika
Antibiotika helfen lediglich bei bakteriellen Infektionen. Liegen einer Erkrankung Viren zugrunde, wirken Antibiotika nicht. Ein „achtsamer Einsatz“ zähle – nicht nur, weil die Arzneimittel neben einer gewünschten antibakteriellen Wirkung auch Nebenwirkungen haben, sondern auch, weil die „Waffen stumpf“ würden, also aufgrund von Resistenzen weniger wirksam, klärt Stiftung Warentest im August-Testheft zu Antibiotika auf.
Anlass für Stiftung Warentest, sich mit den antibakteriellen Arzneimitteln zu beschäftigen, sind die Lieferengpässe bei zahlreichen Wirkstoffen. Diese machen den Apotheken die Abgabe eines ärztlich verordneten Antibiotikums teilweise unmöglich – vor allem bei antibiotischen Säften für Kinder.
Die Verbraucherschützer empfehlen Patienten, bei Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels in der Apotheke nachzufragen, ob ein Import-Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff verfügbar sei oder das benötigte Arzneimittel als Rezeptur hergestellt werden könne. Sollten alle Stricke reißen, bleibe noch die Verordnung eines alternativen Wirkstoffs, der das Erregerspektrum ebenfalls erfasst.
Penicilline hält Stiftung Warentest für geeignet
Stiftung Warentest hat sich im Zuge der Nichtlieferbarkeit auch mit dem sinnvollen Einsatz von Antibiotika beschäftigt. Die meisten Wirkstoffe empfehlen die Verbraucherschützer und halten sie für „geeignet“ – z. B. Penicillin V bei Scharlach oder bakterieller Mandelentzündung sowie Pivmecillinam bei unkomplizierter Blasenentzündung.
Auch die recht verbreitete Allergiesorge bei Penicillinen ordnet Stiftung Warentest ein: In 95 Prozent der Fälle liege keine Allergie vor. Das Problem: Eine vermeintliche Allergie verhindert den Einsatz der meist gut verträglichen Penicilline, die bei vielen Infektionen Mittel der Wahl sind. Dadurch wird der Einsatz von eventuell weniger selektiv wirkenden oder schlechter verträglichen Antibiotika gefördert.
Cephalosporine: Auf die Indikation achten
Nicht uneingeschränkt empfehlen kann Stiftung Warentest Cephalosporine. Diese sollten nicht eingesetzt werden, wenn auch andere Antibiotika genügten – wie Amoxicillin bei Mittelohrentzündung oder Nasennebenhöhlenentzündung.
Teilweise unterscheidet Stiftung Warentest bei der Sinnhaftigkeit eines Wirkstoffes auch je nach Indikation: Doxycyclin sei „geeignet“ für die Behandlung einer Lyme-Borreliose, doch sollten Ärzte den Wirkstoff – wie auch Minocyclin – bei Hauterkrankungen wie Akne oder Rosacea zurückhaltend verordnen und auch nur, wenn topische Therapien versagten. Das soll Resistenzen vorbeugen.
Was hält Stiftung Warentest von Trimethoprim und Cotrim?
Die sich derzeit in Überarbeitung befindende Leitlinie zu Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen rät von Trimethoprim als Mittel der ersten Wahl bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen (Zystitis) ab, wenn die lokale Resistenzsituation von E. coli – einem häufigen Erreger von Blasenentzündungen – über 20 Prozent liegt.
Und auch Stiftung Warentest weiß um die Resistenzlage bei Trimethoprim, weswegen „besser bewertete Antibiotika gegen Harnwegsinfektionen vorzuziehen“ seien. Eine Kombination mit Sulfamethoxazol in Cotrim erhöht die Wirksamkeit bei bakterieller Zystitis laut Stiftung Warentest nicht, sondern nur die Nebenwirkungen.
Zur Erinnerung: Als Mittel der Wahl bei unkomplizierter Blasenentzündung gelten Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Pivmecillinam.
Fluorchinolone: nicht bei leichten Infektionen
Nur nach sorgfältiger Abwägung und nicht bei unkomplizierten Infektionen sollten Fluorchinolone als Antibiotika zum Einsatz kommen. Denn unter Umständen könnten sie schwere Nebenwirkungen verursachen, wie einen Sehnenriss, Muskel- und Gelenkschmerzen, Nervenschäden und psychische Störungen.
Komplett verteufeln muss man Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin oder Ofloxacin jedoch nicht. So können Cipro- oder Levofloxacin bei schweren Infektionen, wie einer Nierenbeckenentzündung, durchaus wertvoll sein.
Antibiotika nicht immer notwendig
Nicht immer ist ein Ausweichen auf andere Antibiotika, die selektiver wirken oder besser verträglich sind, nötig. Manchmal kann auch komplett auf eine Antibiose verzichtet werden.
So räumt die Leitlinie zu Harnwegsinfekten für Patientinnen mit nur leichten/mittelgradigen Beschwerden die alleinige symptomatische Therapie – z. B. mit Schmerzmitteln – ein. Auch in der Leitlinie zur Rhinosinusitis (derzeit in Überarbeitung) schreiben die Experten, dass bei einer akuten Rhinosinusitis oder einer akuten Exazerbation einer rezidivierenden Nebenhöhlenentzündung „in der Regel keine Antibiotika gegeben werden“ sollten.
Und auch der Infektionsmediziner Professor Dr. Winfried Kern vom Uniklinikum Freiburg, der in der aktuellen Stiftung-Warentest-Ausgabe zu Wort kommt, erklärt: „Falls Sie kein Antibiotikum verordnet bekommen: Haben Sie Verständnis. Häufig sind die Mittel unnötig.“ Achtsames Verordnen spare in diesen schweren Zeiten Ressourcen und beuge Resistenzen vor.