Benedikt Bühler über die Zukunft der Apotheke vor Ort
Bis zum Morgen des Apotheken-Protesttages am 14. Juni 2023 studierte Benedikt Bühler an der traditionsreichen Semmelweis-Universität in Budapest Pharmazie. Bekannt wurde er im Jahr 2019 durch seine Petition für ein Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Durch seinen Kampf für die Apotheke vor Ort baute er auch unter den PTA eine große Fangemeinde auf.
Am besagten 14. Juni 2023 um 10:00 Uhr hatte er sein Examen in allen fünf Prüfungsfächern mit der Note „Sehr gut“ abgeschlossen, um 11:10 Uhr erreichte er seinen Flieger. Seine Mutter Astrid Bühler, Inhaberin der Rathaus-Apotheke in Karlsruhe, gabelte ihn am Frankfurter Flughafen auf. Um kurz vor halb vier waren die beiden wieder in Karlsruhe und der frischgebackene Apotheker tauschte Anzug gegen Kittel und stieg direkt in den Apotheken-Protesttag ein. Seit seinem Staatsexamen ist er die nunmehr dritte Generation, die in der Apotheke beschäftigt ist. Ob der 23-Jährige sie aber übernehmen wird, hänge nicht alleine von seinem Willen ab. Denn damit der Beruf des Apothekers in Deutschland überhaupt eine Zukunft hat, müsse die Politik umdenken.
Der 14. Juni war in doppelter Hinsicht ein besonderer Tag für Sie. Examen und Protesttag. Wie haben Sie den Tag erlebt?
Der 14. Juni 2023 war tatsächlich ein sehr turbulenter Tag für mich. Morgens um 8:00 Uhr hatte ich in Budapest an der Semmelweis-Universität mein letztes Staatsexamen. Glücklicherweise hat die Prüfungskommission die Prüfung vorverlegt, sodass ich um 11:00 Uhr in den Flieger steigen konnte.
Nachdem ich zuhause angekommen war, betreute ich gemeinsam mit dem Apothekenteam den Infostand vor der geschlossenen Apotheke. Vorher hatte das Team noch eine Überraschung vorbereitet und auf allen digitalen Anzeigetafeln Glückwünsche zum bestandenen Examen ausgespielt. Darauf mussten wir natürlich kurz anstoßen.
Die Veranstaltung vor der Apotheke war dann sehr gut besucht und das Verständnis war groß, gerade auch bei Stadträten von SPD und Grünen, aber auch bei den Kundinnen und Kunden. Danach ging es weiter zur BadenTV, einem regionalen TV-Sender, wo ich um 18:00 Uhr als Studiogast noch einmal über den Apotheken-Protesttag und die Ziele und Forderungen der Apothekerschaft gesprochen habe.
Alles in allem war das natürlich extrem aufreibend, und am Abend war ich auch ziemlich müde, aber ich werde es nie vergessen, dass ich morgens das Staatsexamen hatte, das auch mit Bravour bestehen konnte und mich dann auch direkt für die Apothekerschaft und ihre Mitarbeiter weiter einsetzen konnte, was mir ja immer ein Anliegen war.
Hat es Sie überrascht, dass der Berufsstand der Apotheker und die Apothekenteams an diesem Tag so zusammengehalten haben? Kann man darauf aufbauen, was denken Sie?
Wirklich überrascht hat es mich nicht, da ich schon bei der Petition für das RX-Versandverbot 2019 gemerkt hatte, dass doch ein ziemlicher Zusammenhalt bei den Apotheken vor Ort herrscht, und gerade auch durch die katastrophalen Bedingungen, die wir inzwischen haben, ist einfach das Maß voll, sodass die Apotheken auch untereinander geschlossen zusammenhalten.
Durch diesen Zusammenhalt, den die Politik durchaus wahrgenommen hat, ist eins klar: Es wird weitergehen, und es wird vor allem stärker gehen, und die Politik sollte sich warm anziehen. Denn wenn die Apothekerschaft, die noch flächendeckend vor Ort ist, zusammenhält und klar kommuniziert, was die Missstände sind, was die Krankenkassen sich gegenüber den Apotheken, den anderen Leistungserbringern und auch ihren Versicherten leisten, dann sehe ich wirklich großes Potenzial, dass sich auch Dinge ändern können. Und darauf hoffe ich, und dafür werde ich mich auch in Zukunft weiter einsetzen.
Was ist Ihr Eindruck, was der Protesttag politisch gebracht hat?
Der Apotheken-Protesttag hat vor allem eines gezeigt: Die Einigkeit bei den Apotheken vor Ort, die Geschlossenheit und auch ein ganz klares Signal an die Politik, dass es so nicht weitergehen kann. Durch diese Einheit, die die Apotheken vor Ort gebildet haben, habe ich auch in vielen Gesprächen mit Politikern erfahren, dass sie es so in ihrer Karriere noch nicht erlebt haben, dass die Apotheken so Seite und Seite stehen.
Alleine diese Einigkeit, die gezeigt worden ist, sendet das Signal, dass hier wirklich etwas schiefzugehen scheint. Hier muss man wirklich nachbessern und schauen, wie man die Bedingungen der Apotheken vor Ort verbessern kann, um auch in Zukunft dieses hervorragende flächendeckende Netz an Gesundheitsversorgung in Deutschland haben zu können.
Wie muss es aus Ihrer Sicht jetzt weitergehen? Was müssen Apotheker und vielleicht auch die Angestellten tun, um den Geist des Protesttages noch weiter zu tragen und darauf aufzubauen?
Jetzt in der parlamentarischen Sommerpause ist für alle Politikerinnen und Politiker Wahlkreis-Zeit, das heißt sie sind in ihren Wahlkreisen unterwegs und führen viele Gespräche, sie sind greifbar. Jetzt ist es wichtig, die Politikerinnen und Politiker in die Apotheken einzuladen und zu zeigen, was es bedeutet, bei fast jedem zweiten Rezept nachzutelefonieren, Alternativen zu suchen, Lieferengpass-Management zu leisten, welche bürokratischen Hürden wir in der Apotheke haben und womit wir uns eigentlich in der Apotheke vor Ort rumschlagen müssen.
Außerdem sollten die Apotheken auch zeigen, was sie in den letzten Jahren für die Digitalisierung investiert haben. Wie sind die Gehälter gestiegen? Was bedeutet Inflation in der Apotheke, wie hat sich das Honorar in dieser Zeit verändert und wie kann man das den aktuellen Kosten gegenüberstellen? Apotheken brauchen vor allem ein besseres Honorar, und das muss man jetzt klar den Politikern vor Ort kommunizieren.
Und dann setze ich darauf, dass solche Aktionen wie dem Protesttag in anderer Form oder in wiederholter Form im Herbst, wenn der parlamentarische Teil der Politik weitergeht, auch entsprechend wieder auf Bundesebene einheitlich kommuniziert werden.
Um es zusammenzufassen: Jetzt selbst aktiv werden und die Wahlkreis-Zeit nutzen! Ins Gespräch kommen, zeigen, wo ist das Problem, und dann später bei weiteren Aktionen der Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände mitmachen und sich aktiv zeigen. Denn so kann es nicht weitergehen.
Jetzt wo Sie Ihr Studium beendet haben, was sind denn Ihre persönlichen Ziele? Wollen Sie sich standespolitisch weiter engagieren?
Für mich war immer klar, dass ich mich nach meinem Studium auch weiter für die Apotheken vor Ort engagieren möchte. Durch mein Studium an der Semmelweis-Universität in Budapest konnte ich mich weder im Bundesverband der Pharmaziestudierenden engagieren noch in der Kammer oder in einem Verband. Durch die Approbation ändert sich das natürlich. Ich werde mir nun in Ruhe anschauen, welche Möglichkeiten ich habe, und entsprechend möchte ich mich dann weiter engagieren.
Es gibt inzwischen ja auch die AByou für junge Apothekerinnen und Apotheker, die sich engagieren möchten und zeigen wollen, dass Apotheke vor Ort Spaß macht und unheimlich wichtig ist. Denn für mich persönlich bedeutet Apotheke vor Ort nicht nur ein Stück Heimat, sondern ist einer der wichtigsten Pfeiler im deutschen Gesundheitswesen, für den es sich lohnt zu kämpfen und für dessen Erhaltung einzustehen.
Bei der Petition 2019 hat Sie die ABDA ja nicht unterstützt. Wie kommt es, dass Sie überlegen, sich jetzt bei der AByou zu engagieren?
Für mich war immer klar, dass ich mich nach meinem Studium weiter für die Apotheke vor Ort engagieren möchte. Leider hat die ABDA weder das Rx-Versandhandelsverbot, noch mich, noch die Petition in dieser Form, wie ich mir das gewünscht hätte, unterstützt. Manchmal hatte ich sogar ein gegenteiliges Gefühl, dass eher aktiv dagegen gearbeitet worden ist.
Nichtsdestotrotz haben viele Kammern und Verbände die Petitionen und vor allem auch mich unterstützt. Dadurch hat sich ein tolles großes Netzwerk über ganz Deutschland ergeben, und da sind viele coole, junge und vor allem auch engagierte Apothekerinnen, Apotheker, PTA und PKA mit dabei, die zeigen möchten, was Apotheke vor Ort bedeutet und dass es sich lohnt, sich für diesen Berufsstand einzusetzen. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass es für mich in Zukunft eine Möglichkeit geben wird, mich weiter aktiv auf offizieller Seite für die Apotheken vor Ort einzusetzen.
Was möchten Sie mit Ihrem Engagement erreichen?
Ich möchte mich vor allem dafür einsetzen, dass die Apotheke vor Ort als einer der wichtigsten Pfeiler im Gesundheitswesen bestehen bleibt. Hierzu gehört für mich auch, dass die Kompetenzen, die die Apotheke vor Ort schon hat, weiter erweitert und auch entsprechend vergütet werden. Ohne eine entsprechende Vergütung kann die Apotheke vor Ort für junge Apothekerinnen und Apotheker nicht attraktiv bleiben.
Wir brauchen in Deutschland beispielsweise keine Gesundheitskioske. Wir brauchen eine wahrhaftig echte Stärkung der Apotheken vor Ort. Natürlich möchte ich auch darauf aufmerksam machen, wie die Krankenkassen in Deutschland arbeiten, und auch mal offen die Frage stellen, ob wir 97 gesetzliche Krankenversicherungen brauchen, die 4,2 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen für ihre eigene Verwaltung verbrauchen.
Und auch das Thema Versandapotheken und gerechter Wettbewerb liegt mir natürlich besonders am Herzen. Auch wenn das Versandhandelsverbot in dieser Form nicht geklappt hat, muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass der Wettbewerb gleich und fair ist, und dafür werde ich mich in Zukunft einsetzen.
Was muss sich politisch ändern, damit die Apotheke vor Ort auch in Zukunft attraktiv für junge Menschen bleibt?
Das hat für mich viele Facetten. Nicht nur, dass die Bürokratie abgebaut werden muss, damit man sich in der Apotheke als Apothekerin oder Apotheker auf seine pharmazeutischen Kompetenzen konzentrieren kann und sich nicht im Kampf mit Krankenkassen und Zettelwirtschaft verliert. Sondern es muss natürlich auch dafür gesorgt werden, dass die Honorierung der Apotheken vor Ort so gestaltet ist, dass sie zukunftsfähig ist. Ein Honorar, das nie angepasst wird oder starr ist, ist nicht der Weg, in dem man sich auch traut, beispielsweise in eine Selbstständigkeit zu gehen, wenn keine Planungssicherheit da ist.
Wichtig ist auch hier zu betonen, dass Eile geboten ist, denn wenn es so weitergeht, dann gibt es die Apotheken gar nicht mehr, die man übernehmen kann oder für die man sich engagieren kann, denn sie existieren schlicht und ergreifend nicht mehr. Da muss der Gesetzgeber jetzt einschreiten, sonst sind die jungen Köpfe nicht mehr in den Apotheken vor Ort, sondern in der Industrie, in der Forschung oder in anderen möglichen Tätigkeitsfeldern.