Blaue Hand informiert zur korrekten Anwendung: Palforzia: Worauf Erdnuss-Allergiker achten müssen
In Deutschland leiden etwa 4,2 Prozent der Kinder an einer Nahrungsmittelallergie. Dabei ist ein anaphylaktischer Schock (Anaphylaxie) zweifelsohne der Alptraum aller Eltern. Im Kindesalter ist jede vierte Nahrungsmittel-induzierte Anaphylaxie auf die Erdnuss zurückzuführen.
Bis vor kurzem blieb Eltern nichts anderes übrig, als Erdnüsse um jeden Preis zu meiden und für den Notfall mit einem Adrenalin-Pen vorbereitet zu sein. Seit Ende 2021 ist das zumindest ein wenig anders, denn mit Palforzia® wurde ein Arzneimittel zur Behandlung einer bestätigten Erdnussallergie im Alter zwischen vier und 17 Jahren zugelassen.
Palforzia® enthält entfettetes Pulver mit Erdnussprotein von Arachis hypogaea L., semen (= Erdnüsse) und wird in spezialisierten Gesundheitszentren eingesetzt. Ziel der Therapie mit Palforzia® ist die Erhöhung der Schwellendosis, die eine allergische Reaktion auslöst. Wegzaubern kann sie eine Erdnussallergie jedoch nicht.
Therapieablauf mit Palforzia®
Die Therapie erfolgt in drei Dosierungsphasen. Aus Sicherheitsgründen wird die erste hoch dosierte Gabe von Palforzia® unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt und dauert rund vier Stunden. Anschließend verabreichen Eltern ihren Kindern die Dosis im häuslichen Umfeld selbst – einmal täglich etwa zur gleichen Uhrzeit.
Alle zwei Wochen ist dann eine Dosissteigerung vorgesehen. Sie wird erneut unter ärztlicher Kontrolle in spezialisierten Gesundheitseinrichtungen durchgeführt. So können Betroffene nach der Einnahme mindestens 60 Minuten überwacht und notfalls behandelt werden.
Treten nur leichte oder vorübergehende Symptome auf, dürfen die Patienten diese Dosisstufe zu Hause fortführen. Die Chargen der getesteten Dosisstufe müssen allerdings zwingend mit der häuslichen Charge übereinstimmen, um produktionsbedingte Schwankungen auszuschließen.
Der Zeitabstand von zwei Wochen zwischen den Dosissteigerungen darf nicht unterschritten werden. Bei Allergiesymptomen oder sonstigen Gründen kann eine Steigerung aber durchaus etwas später durchgeführt werden.
Zulassung für Kinder bis 17 Jahre
Nach elf Dosisstufen und rund einem halben Jahr erreichen Patienten schließlich die finale Erhaltungsdosis mit 300 mg. Diese muss täglich eingenommen werden, um die erhöhte Toleranz, die hoffentlich durch Palforzia® erreicht wurde, aufrechtzuerhalten.
Offiziell liegen Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit für eine Behandlung von bis zu 24 Monaten vor. Die Zulassung ist zwar auf Kinder bis 17 Jahre begrenzt, laut Fachinformation kann eine Fortführung nach dem 18. Geburtstag aber erwogen werden.
Welche Darreichungsformen von Palforzia® gibt es?
Während der Phase der Dosissteigerung werden die Tagesdosen in Kapseln unterschiedlicher Form, Größe und Farbe angeboten, um die jeweils erforderliche Dosis stückeln zu können.
Die Kapseln dürfen allerdings nicht geschluckt werden, sondern müssen vorsichtig geöffnet und das Pulver dann mit einer kleinen Menge Brei wie Joghurt, Pudding oder Apfelmus vermischt und unmittelbar verzehrt werden. Flüssigkeiten sind nicht geeignet! Die finale Erhaltungsdosis wird in einem Beutel angeboten.
Welche Faktoren erhöhen das Risiko für Allergiesymptome?
Typischerweise treten allergische Reaktionen innerhalb der ersten ein bis zwei Stunden nach der Palforzia®-Einnahme auf. Das Kind sollte daher ein bis zwei Stunden beobachtet werden.
Die Einnahme darf außerdem nicht innerhalb von zwei Stunden vor dem Schlafen erfolgen. Patienten sollten sicherheitshalber auch drei Stunden mit Sport, heißer Dusche beziehungsweise Bad warten. Gleiches wäre auch unmittelbar vor der Einnahme tabu.
Ebenfalls steigt die Wahrscheinlich bei Stress, Alkoholkonsum, Schlafmangel oder akuten Erkrankungen wie Virusinfekten, dass nach der Einnahme allergische Symptome auftreten. In diesem Fall kann gemäß Fachinformation ein vorübergehendes Absetzen oder eine Verringerung der Dosis erforderlich sein.
Anwendungsrisiken von Palforzia®
Für Patienten und ihre Betreuungspersonen fassen an das Alter angepasste und behördliche genehmigte Leitfäden die wichtigsten Eckpunkte zu Palforzia® zusammen – versehen mit dem Blaue-Hand-Logo. Auch ein offizieller Leitfaden für Angehörige der Heilberufe soll dazu beitragen, die Anwendungsrisiken – Anaphylaxie und eosinophile Ösophagitis – von Palforzia® zu reduzieren.
Die eosinophile Ösophagitis stellt dabei eine weniger bekannte Nebenwirkung dar. Sie kann bei Patienten mit IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergie während der Anwendung von Palforzia® auftreten und sich durch vielfältige gastrointestinale Beschwerden äußern. Mögliche Symptome sind etwa Sodbrennen, Schmerzen im oberen oder unteren Abdomen oder Brustkorb, Erbrechen, Übelkeit, verminderter Appetit sowie gastroösophagealer Reflux.
Zur Erinnerung: Was ist die Blaue Hand?
Seit 2016 ergänzt die Blaue Hand die Rote und kennzeichnet behördlich angeordnetes und genehmigtes Schulungsmaterial, wie etwa Checklisten, Patientenausweise, Leitfäden oder Broschüren für Patienten.
Dies wird immer dann erforderlich, wenn für die sachgerechte Anwendung zusätzliche Informationen erforderlich sind, die über die Fach- und Gebrauchsinformation hinausgehen. Das Material ist beispielsweise Bestandteil sogenannter Risikomanagementpläne und erforderlich, um ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu gewährleisten.
Seit der Einführung wird das Angebot stetig erweitert. Das Schulungsmaterial kann auf der Homepage des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beziehungsweise – im Fall von biomedizinischen Arzneimitteln wie Antikörpern – auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) aufgerufen werden.
Es ist selbstredend, dass Allergiker und ihre Angehörigen intensiv über die Symptome einer Anaphylaxie geschult sein müssen und immer einen Notfallplan mitsamt Epinephrin-Pen bei sich tragen sollten!
Auch bei abgeschlossener Palforzia®-Behandlung müssen Patienten Erdnüsse weiterhin strikt meiden.
Kein Zusatznutzen für Palforzia®
Auch eine akute Verschlechterung von Asthma bronchiale zwingt zu einer Unterbrechung der Therapie mit Palforzia®. Tritt diese häufiger auf, kann ebenfalls ein Absetzen von Palforzia® erforderlich werden.
Versäumt der Patient mehr als zwei Tagesdosen nacheinander, muss dieser mit dem behandelnden Arzt das weitere Vorgehen besprechen – ab drei versäumten Dosen ist eine Palforzia®-Einnahme ohnehin unter ärztlicher Aufsicht erforderlich.
Übrigens: Da trotz Palforzia® eine Erdnuss-vermeidende Diät nötig ist und zudem häufig Nebenwirkungen unter der Therapie auftreten, konnte der Gemeinsame Bundesausschuss – nicht zuletzt aufgrund mangelnder Daten – 2022 keinen Zusatznutzen für Palforzia® feststellen.
Die zweckmäßige Vergleichstherapie war „beobachtendes Abwarten“. Das unterstreicht die Notwendigkeit einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung vor und während einer Palforzia®-Therapie durch den behandelnden Arzt.