Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung: Risiko lebensmittelbedingter Infektionen wird unterschätzt
Große Ausbrüche lebensmittelassoziierter Infektionen, z. B. der EHEC-Ausbruch im Jahr 2011 und der Norovirus-Ausbruch im Jahr 2012, sind selten. Lebensmittelassoziierte Infektionen an sich sind es jedoch nicht: Etwa 100.000 Fälle werden jährlich gemeldet. Da die Meldepflicht nur für einige Erreger besteht, kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.
Neben Bakterien wie Salmonellen, Listerien, Campylobacter und Escherichia-coli-Bakterien können auch Viren wie das Norovirus und Parasiten wie Toxoplasmen hinter Magen-Darm-Erkrankungen stecken. Sie können zu Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen und Durchfall führen. Zwar sind die Symptome oft nach einigen Tagen wieder abgeklungen, insbesondere für Risikogruppen können lebensmittelassoziierte Infektionen jedoch schnell lebensbedrohlich werden.
Gut zu wissen: Risikogruppen für lebensmittelbedingte Infektionen
Im Englischen werden die Risikogruppen mit der Abkürzung YOPI zusammengefasst: young, old, pregnant and immunocompromised, also kleine Kinder, Senioren, Schwangere und Menschen mit eingeschränkter Immunfunktion.
Sie sollten auf rohe beziehungsweise nicht vollständig durchgegarte tierische Produkte verzichten.
Rohe Lebensmittel bergen erhöhtes Risiko für Infektionen
„Die gesundheitlichen Risiken von rohen Lebensmitteln werden häufig unterschätzt. Erhitzen schützt. Erkrankungen lassen sich schon mit einfachen Küchenhygieneregeln vermeiden. Insbesondere empfindliche Personengruppen sollten rohe Lebensmittel vom Tier nur ausreichend erhitzt verzehren“, erklärt Professor Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).
Das BfR hat im September vergangenen Jahres 1.004 Bundesbürger zum Thema „rohe Lebensmittel“ befragt und die Ergebnisse nun veröffentlicht. Aus diesen geht hervor, dass rohe tierische Produkte regelmäßig auf dem Speiseplan der Deutschen stehen: So essen beispielsweise beinahe drei Viertel mehrmals im Monat rohe Wurst- und Schinkenprodukte. Auch Rohmilchkäse steht bei der Hälfte mehrmals im Monat auf dem Tisch. Großer Beliebtheit erfreuen sich auch rohes Fleisch, roher geräucherter Fisch und Tiefkühlbeeren.
Risiken lebensmittelbedingter Infektionen wenig bekannt
Beim Bewusstsein für die potenziellen Risiken dieser Lebensmittel besteht jedoch noch einiges an Nachholbedarf: Mehr als ein Viertel der Befragten sah von rohem geräuchertem Fisch, rohen Wurst- und Schinkenprodukten sowie Rohmilchkäse keine Gefährdung ausgehen.
Auch die Erreger lebensmittelassoziierter Infektionen waren wenig bekannt: Toxoplasmen kannten etwas mehr als die Hälfte der Befragten. Die zu den E.-coli-Bakterien gehörenden Vertreter STEC/EHEC/VTEC waren 27 Prozent bekannt und weniger als jeder Vierte hatte bereits von Campylobacter, dem häufigsten Erreger lebensmittelassoziierter Infektionen, gehört.
Gut zu wissen: Was ist eine Campylobacter-Enteritis?
Bakterien der Campylobacter-Gattung sind der häufigste Auslöser lebensmittelbedingter Infektionen. Mit 60.000 bis 70.000 an das Robert Koch-Institut übermittelten Fällen pro Jahr (80 bis 90 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) stellen Campylobacter-Enteritiden die häufigste bakterielle meldepflichtige Krankheit in Deutschland dar.
Die Infektion verläuft oft asymptomatisch. Symptomatische Verläufe äußern sich durch Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Erbrechen, Durchfälle und heftige Bauchschmerzen. Zwar können Beschwerden bereits kurz nach der Infektion auftreten, jedoch sind Inkubationszeiten von bis zu zehn Tagen möglich.
Die Mehrzahl der Erkrankungen ist unangenehm, aber selbstlimitierend. Selten treten Komplikationen wie reaktive Gelenkentzündungen oder das Guillain-Barré-Syndrom auf.
Therapiert wird mit einer Volumen- und Elektrolytsubstitution. Antibiotika sind nur in Ausnahmefällen angezeigt, etwa bei sehr schweren Verläufen oder bei immunsupprimierten Patienten.
Die Ansteckung erfolgt über den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln. Die häufigste Infektionsquelle ist Geflügelfleisch, insbesondere Hühnerfleisch. Aber auch Rohmilch (unpasteurisierte Milch) und andere Fleischprodukte führen in Deutschland immer wieder zu Ausbrüchen – allein im Jahr 2021 gab es in Deutschland mehr als 60 Ausbrüche.
Die wichtigsten Hinweise zur richtigen Lagerung, Verarbeitung und Zubereitung kritischer Lebensmittel, wie rohe Fleischprodukte, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zusammengestellt.