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Stiftung Warentest prüft NEM: Wie sinnvoll sind Nahrungser­gänzungsmittel für den Mann?

Männliche Hand mit Pillen
Stiftung Warentest sieht die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln bei Männern kritisch. | Bild: Mladen / AdobeStock

Sie sollen leistungsfähiger machen – im Beruf, beim Sport und in der Freizeit: Nahrungsergänzungsmittel (NEM) für den Mann. Vitamine, Mineralstoffe, Aminosäuren und allerlei Pflanzenextrakte sollen Männer zur Hochform katapultieren. Und das ganz einfach – mit meist nur einer Kapsel täglich. 

Stiftung Warentest zweifelt an den hochtrabenden Versprechen seitens der Nahrungsergänzungsmittelhersteller und hat 17 Präparate getestet – aus Drogerien, Reformhäusern und Supermärkten. 

Mit dabei auch Präparate, die sich in Apotheken finden. Im Speziellen interessierten sich die Verbraucherschützer dafür, ob der deklarierte Gehalt der fettlöslichen Vitamine A, D, E, K und von Carotinoiden tatsächlich den enthaltenen und maximal empfohlenen Höchstmengen entspricht. Außerdem prüften sie, ob bestimmte Gesundheitsversprechen auf der Verpackung überhaupt erlaubt sind.

Nahrungsergänzungsmittel und Gesundheitsversprechen

Zur Erinnerung: NEM zählen zu den Lebensmitteln, bedürfen anders als Arzneimittel keiner Zulassung und die Hersteller müssen folglich auch keine Wirksamkeit belegen. Bewerben dürfen sie ihre Präparate mit bestimmten von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Elsa) abgesegneten Aussagen, den Health Claims.

Zur Erinnerung: Was sind Health Claims?

Für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln wird häufig der englische Begriff „Health Claims“ verwendet. Health Claims weisen entweder auf Beziehungen zwischen einem Lebensmittel bzw. einem seiner Bestandteile und der Gesundheit oder auf nährwertbezogene Angaben hin wie z. B. „reich an Vitamin C“ oder „mit reduziertem Fett-Anteil“. Die Angaben werden durch die Health-Claims-Verordnung geregelt und durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft.

Verständlicherweise nutzen die NEM-Produzenten dann Botschaften, die Aufmerksamkeit bei der Zielgruppe generieren. Bei Männern wird zum Beispiel die Fruchtbarkeit und Potenz angesprochen: „Zink trägt zum Erhalt eines normalen Testosteronspiegels bei.“ 

Dabei würden die Verbraucher häufig vergessen – erinnert Stiftung Warentest –, dass die Inhaltsstoffe zwar eine günstige Wirkung hätten, aber dass das noch lange nicht bedeute, „dass Männer sie aus Kapseln und Co. brauchen“.

Urteil der Stiftung Warentest über NEM

Was also halten die Verbraucherschützer von diesen speziellen Nahrungsergänzungsmitteln für Männer, die unter anderem die Spermienbildung unterstützen und zu einer normalen Reproduktion beitragen sollen?

Ganz gut – und am besten von allen – schneidet noch „Doppelherz aktiv Männer-Gesundheit“ ab. Das Präparat stufen die Verbraucherschützer dennoch als „überflüssig“ ein – wohlgemerkt die beste Bewertung, zu der sich Stiftung Warentest durchringen konnte. Das Argument: Vitamine und Mineralstoffe seien Teil der Ernährung und der Nutzen des Präparats aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht belegt.

Was macht Nahrungsergänzungsmittel riskant?

Das „überflüssig“ gilt auch für alle anderen geprüften NEM, allerdings sind diese zusätzlich „überdosiert, teils unzureichend gekennzeichnet“ oder Stiftung Warentest hat „gravierende Mängel“ ausgemacht. 

So enthalten die restlichen getesteten NEM für Männer meist zu viel Zink, Selen – wie z. B. das Präparat von dm oder Kneipp – oder Chrom, wie das „Bio“-Präparat mit dem bescheidenen Namen „O’gaenics Mr. Do-It-All“. Hier vermissen die Verbraucherschützer zudem Hinweise, dass bei mehr als 3,5 mg Zink Tagesdosis Nutzer auf weitere zinkhaltige NEM verzichten sollten und dass eine unkontrollierte Ergänzung von Vitamin E das Risiko für Prostatakrebs bei Männern ab 55 Jahren erhöhen kann. Eine Kritik, die sich auch das in Apotheken erhältliche „Orthomol flavon m“ gefallen lassen muss, das es neben Zink und Selen auch mit Folsäure und Vitamin E zu gut meint.

Als „gravierende Mängel“ aufweisend erachtet Stiftung Warentest Präparate, die zum Beispiel die Höchstmengen von Vitamin A überschreiten, wie „Centrum für Ihn“ oder „Eucell M Plus“, da dies die Leber schädigen könne. 

„Denk Nutrition man active“ nimmt zudem –  und als einziges der geprüften Präparate – den Mund mit Gesundheitsversprechen etwas zu voll und behauptet, das enthaltene „Arginin stimuliert die Blutgefäße für einen verbesserten Blutfluss“. Allerdings hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit diese Aussage nie abgesegnet, weswegen Hersteller von NEM damit auch nicht werben dürfen.

Vorsicht auch bei Pflanzenextrakten

Vorsichtig ist Stiftung Warentest auch bei Pflanzenextrakten wie Tribulus-Extrakt in „Nature love“ oder „Raab Vitalfood“: Die Pflanze könne giftige Stoffe enthalten und es sei nicht bekannt, ob die Extrakte diese enthielten.

Bieten Kapseln bei NEM Vorteile?

Einen Vorteil kann man vielleicht noch in der Darreichungsform Kapsel erkennen: Sie enthalten, anders als die geprüften Tabletten, kein Titandioxid. Titandioxid darf bereits seit über einem Jahr nicht mehr als Zusatzstoff in Lebensmitteln enthalten sein. Die bereits produzierten Präparate dürfen jedoch noch abverkauft werden.

Statt NEM lieber gesund ernähren

Damit scheinen Nahrungsergänzungsmittel für Männer nicht zu halten, was sie versprechen. Was ist also zu tun? Stiftung Warentest findet, dass man mit einer gesunder Ernährung schon weit kommt: Denn wer sich normal ernährt, ist gut mit Nährstoffen versorgt. 

Die Tester erachten eine gezielte Ergänzung bei Männern höchstens in bestimmten Fällen als sinnvoll und beziehen sich dabei auf die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE): 

  • Vitamin B12 für Veganer,
  • Vitamin D (nach ärztlicher Absprache) für Menschen, die wenig an der Sonne sind, sowie
  • Jod und Fluor, da Letztere in Lebensmitteln rar seien.

Hier kann man sogar noch weiter gehen als Stiftung Warentest: Liegt ein Vitamin-D-Mangel vor, ist auch ein Arzneimittel gerechtfertigt, denn Arzneimittel sollen laut § 2 AMG nicht nur Krankheiten heilen und lindern, sondern sie auch verhüten.