IQWiG sieht keinen Zusatznutzen: Daridorexant: nicht besser als andere Arzneimittel
Schlafstörungen sind für viele Patienten ein quälendes Thema, machen sie doch den Alltag anstrengend und bisweilen kaum bewältigbar. Der Wunsch nach Schlaftabletten, die endlich ein bisschen Erholung verschaffen, ist daher aufseiten der Betroffenen groß.
Zwar gibt es mit Benzodiazepinen, Z-Substanzen und sedierenden Antidepressiva einige Arzneimittel, die in dieser Indikation zum Einsatz kommen können, jedoch bringen sie auch einige Nebenwirkungen und eine Abhängigkeitsproblematik (insbesondere Benzodiazepine) mit sich.
Laut S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ (Stand 2017, derzeit in Überarbeitung) sollen diese daher nur kurzzeitig eingesetzt werden. Ebenso sollen sie nur zur Anwendung kommen, wenn das Mittel der ersten Wahl – eine kognitive Verhaltenstherapie – nicht erfolgreich oder nicht durchführbar war.
Gut zu wissen: Was ist die kognitive Verhaltenstherapie?
Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine etablierte und wissenschaftlich gut untersuchte Form der Psychotherapie. Sie folgt der Annahme, dass jedes Verhalten erlernt, aufrechterhalten und auch wieder verlernt werden kann, wobei unter Verhalten auch innere Vorgänge wie Gefühle und Gedanken einzuordnen sind. /sn
Daridorexant: kein Zusatznutzen?
Angesichts dieser Ausgangslage war die Freude groß, als im Jahr 2022 mit Daridorexant (QuviviqTM) ein Arzneimittel mit einem neuartigen Wirkprinzip in der EU zugelassen wurde. Als dualer Antagonist der Orexin-Rezeptoren OX1 und OX2 blockiert dieser Wirkstoff die Bindung der wach machenden Neuropeptide Orexin A und B, was in den Zulassungsstudien die Einschlafzeit verkürzt und das Durchschlafen verbessert hatte.
Umso überraschender dürfte für viele die nun veröffentliche Einschätzung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sein. Es war vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Zuge der frühen Nutzenbewertung mit der Auswertung des vom Hersteller eingereichten Dossiers zu Daridorexant beauftragt worden.
Das Ergebnis: Das IQWiG kann keinen Zusatznutzen von Daridorexant im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie feststellen. Als zweckmäßige Vergleichstherapie wurde in Übereinstimmung mit der Leitlinie die „medikamentöse Kurzzeittherapie mit kurzwirksamen Benzodiazepinen oder Non-Benzodiazepinrezeptor-Agonisten“ bei Patienten verwendet, die seit mindestens drei Monaten unter Schlafstörungen leiden und bei denen eine kognitive Verhaltenstherapie nicht ansprach oder nicht möglich war.
IQWiG kritisiert Studie zu Daridorexant
Wirkt Daridorexant also wirklich nicht besser als beispielsweise Z-Substanzen? Das lässt sich aus dem Ergebnis wohl kaum ableiten, denn laut IQWiG wurde „bei der Überprüfung der Vollständigkeit des Studienpools […] keine relevante Studie für die Bewertung des Zusatznutzens von Daridorexant im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie identifiziert“.
Vorgelegt hatte der pharmazeutische Unternehmer zwar zwei Studien, in denen verschiedene Dosierungen von Daridorexant mit Placebo sowie mit Placebo oder Zolpidem verglichen wurden. Das IQWiG zeigte sich jedoch mit dem Studiendesign unzufrieden.
Hauptkritikpunkt: Ob die Probanden vor dem Einsatz des Wirkstoffs mit einer kognitiven Verhaltenstherapie behandelt worden waren oder ob diese nicht geeignet gewesen ist, sei nicht angegeben. Das Medikament ist demnach möglicherweise nicht an der Patientengruppe geprüft worden, für die es bestimmt ist. Weiterhin bewertet das IQWiG die Studiendauer von acht Wochen für ein Arzneimittel, das als Dauertherapie verordnet werden könnte, als zu kurz.
Nächster Schritt: Stellungnahmeverfahren
Daher schlussfolgert das IQWiG: „Da für die Nutzenbewertung keine relevante Studie vorliegt, ergibt sich kein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Daridorexant gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, ein Zusatznutzen ist damit nicht belegt.“
Der weitere Verlauf der Nutzenbewertung sieht nun ein Stellungnahmeverfahren vor, bei dem sich auch der Hersteller nochmals äußern kann. Die Entscheidung des G-BA ist in drei Monaten zu erwarten.