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FDA lässt neues Schlafmittel zu: Nicht länger schlaflos mit Daridorexant?

In den USA wurde ein neues Schlafmittel zugelassen. Wie funktioniert dieses? | Bild: Photographee.eu / AdobeStock

Die FDA hat ein neues Schlafmittel zugelassen: Sie erteilte Daridorexant in Quviviq von Idorsia am 10. Januar 2022 die Zulassung zur Behandlung von Schlaflosigkeit bei erwachsenen Patienten, die Schwierigkeiten beim Einschlafen und/oder Durchschlafen haben.“

Daridorexant wird es als Tabletten in zwei Stärken geben, 25 mg und 50 mg, die die schlaflosen Patienten etwa 30 Minuten vor dem Zubettgehen einnehmen sollen. Dabei sollten sie mindestens sieben Stunden bis zum geplanten Aufwachen einplanen. Die Gebrauchsinformation weist darauf hin, dass sich der Beginn der Wirksamkeit verzögern kann, wenn die Patienten Daridorexant mit oder kurz nach einer Mahlzeit einnehmen. 

Zulassung von Daridorexant in der EU beantragt

Ab Mai dieses Jahres soll Quviviq in den Vereinigten Staaten auf den Markt kommen. Aus der gleichen Wirkstoffgruppe (Orexin-Antagonisten, s. u.) wurde bereits 2014 Suvorexant (Belsomra®) zur Behandlung von Schlafstörungen in den USA zugelassen. In der EU gibt es Suvorexant nicht. Für Daridorexant hat Idorsia im Frühjahr 2021 die Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht.

Daridorexant blockiert Orexin-Rezeptoren

Daridorexant greift zur Behandlung der Schlaflosigkeit an einem völlig anderen System an, als es bereits etablierte und als Schlafmittel zugelassene Wirkstoffe – Benzodiazepine (zum Beispiel Oxazepam), Z-Substanzen (zum Beispiel Zopiclon) oder Antihistaminika (zum Beispiel Doxylamin) – tun: Daridorexant blockiert das Orexin-System, indem es als dualer (zweifacher) Antagonist an Orexin-Rezeptoren die Bindung der wachmachenden Orexine verhindert. Idorsia zufolge soll Daridorexant dadurch „nicht allgemein sedieren“, sondern lediglich die „übermäßige Wachsamkeit verringern“.

Gut zu wissen: Orexin und das Schlafverhalten

Die Neuropeptide Orexin A und Orexin B spielen eine wichtige Rolle sowohl beim Essverhalten als auch beim Schlafrhythmus: Sie wirken stoffwechselfördernd, erhöhen die Körpertemperatur und Wachheit und fördern die Gewichtsabnahme. 

Bezogen auf das Essverhalten wirkt Orexin zudem appetitsteigernd. Den Effekten von Orexin entgegen wirkt Leptin, ein Hormon aus den Fettzellen. Leptin vermittelt Sättigung und hemmt die Ausschüttung von Orexin aus dem Hypothalamus.  

Beim Schlaf-Wach-Rhythmus fördern Orexine die Aufmerksamkeit und Wachheit. Die Effekte der Neuropeptide auf das Schlaf-Wach-Verhalten zeigen sich unter anderem beim Krankheitsbild der Narkolepsie: So zeigen Untersuchungen, dass bei Patienten mit Narkolepsie Orexin-Neurone im Hypothalamus zugrunde gehen. 

In anderen Studien (an Hunden) konnte gezeigt werden, dass Mutationen am Orexin-Rezeptor mit Narkolepsie in Verbindung stehen. 

Ob durch Verlust von Orexin-Neuronen oder Mutationen beim Orexin-Rezeptor: Beide Zustände bedingen eine geringere Aktivität der Orexine und führen zu erhöhter Müdigkeit und erhöhtem Körpergewicht – bekannten Symptomen von Narkolepsie. 

Wie gut hilft Daridorexant bei Schlaflosigkeit?

Die FDA stützt ihre Zulassung von Quviviq auf über 160 klinische Studien, an denen insgesamt 1.845 Erwachsene mit Schlafstörungen teilgenommen hatten. Zulassungsrelevant waren letztlich zwei Phase-3-Studien, in denen Idorsia über drei Monate die einmal tägliche Einnahme von Daridorexant doppelblind gegen Placebo untersuchte. Veröffentlicht wurden die Daten im Fachjournal „The Lancet Neurology“ („Safety and efficacy of daridorexant in patients with insomnia disorder: results from two multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trials“) 

In der ersten Studie erhielten 930 Patienten mit Schlaflosigkeit entweder Daridorexant mit 50 mg (310 Teilnehmer) oder 25 mg (310 Teilnehmer) oder Placebo (310 Teilnehmer). In der zweiten Studie erhielten 924 Patienten entweder 25 mg Daridorexant (309 Teilnehmer), eine reduzierte Dosis von 10 mg (307 Teilnehmer) oder ebenfalls Placebo (308 Teilnehmer). 

Schnelleres Einschlafen und kürzeres Wachliegen

Ziel der Studie war herauszufinden, wie stark Daridorexant verglichen mit Placebo die Einschlafzeit verkürzt und das Durchschlafen verbessert (gemessen an der Wachzeit nach der ersten Schlafphase), wobei die Werte zu Beginn der Studie, einen Monat nach und drei Monate nach Therapiestart im Schlaflabor erhoben wurden. 

Dabei konnte Daridorexant sowohl in Dosierungen mit 25 mg wie auch mit 50 mg überzeugen: Verglichen mit Placebo verbesserte der Orexin-Rezeptorblocker signifikant die Einschlafdauer, die Durchschlafzeit bis zum Aufwachen und auch die von den Studienteilnehmern selbstberichtete Gesamtschlafdauer. 

In Zahlen bedeutet das (Studie 1): Die Wachzeit nach dem ersten Schlafstadium (WASO, Wake after sleep onset) verringerte sich mit 50 mg Daridorexant um 22,8 Minuten, die Zeit bis zum Einschlafen (LPS, Latency to persistent sleep) um 11,4 Minuten (einen Monat nach Therapiebeginn) – jeweils verglichen mit Placebo. Drei Monate nach Therapiebeginn lagen die Patienten nach der ersten Schlafphase 18,3 Minuten wach und sie schliefen 11,7 Minuten schneller ein. 

Wie sieht es mit der 25-mg-Dosierung aus? Einen Monat nach Therapiebeginn klappte mit der geringeren Dosierung das Einschlafen 8,3 Minuten schneller, das Wachliegen nach dem ersten Schlafstadium reduzierte sich um 12,2 Minuten (jeweils verglichen mit Placebo). Im Monat drei war die Einschlafzeit um 7,6 Minuten verkürzt, die Wachphase um 11,9 Minuten.

Gesamtschlafdauer verbessert sich

Daneben hatten auch die Patienten das Gefühl eines besseren und längeren Schlafes: Ihre Gesamtschlafdauer verbesserte sich eigenen Angaben zufolge um 22,1 Minuten und 19,8 Minuten (Monat eins und Monat drei) unter 50 mg Daridorexant. 

Nahmen die Patienten 25 mg Daridorexant ein, gaben sie an, 12,6 Minuten und 9,9 Minuten (Monat eins und Monat drei) mehr zu schlafen. Studie 2 untersuchte auch die 10-mg-Dosierung von Daridorexant. Allerdings genügte diese Dosis nicht, um die Wachzeit oder die Einschlafzeit signifikant zu verbessern. Aus diesem Grund ist Daridorexant mit 10 mg nicht zugelassen.

Nasopharyngitis und Kopfschmerzen als Nebenwirkungen

Zu den häufigsten berichteten Nebenwirkungen in den Studien zählten Nasopharyngitis, Kopfschmerzen (50 mg: 7 Prozent; 25 mg: 6 Prozent; Placebo: 5 Prozent) und Müdigkeit (50 mg: 5 Prozent; 25 mg: 6 Prozent; Placebo: 4 Prozent) in allen Behandlungsgruppen. 

Auch war den Studienautoren zufolge die Gesamthäufigkeit der unerwünschten Ereignisse zwischen den Studienarmen vergleichbar: Je 38 Prozent der Probanden mit Daridorexant 50 mg und 25 mg berichteten über unerwünschte Arzneimittelwirkungen während der Behandlung, in der Placebogruppe waren es mit 34 Prozent fast gleich viele (Studie 1). 

Ähnliche Werte zu Nebenwirkungsmeldungen förderte Studie 2 zutage (25 mg: 39 Prozent; 10 mg: 38 Prozent; Placebo: 33 Prozent). Zudem kam es zu einem Todesfall aufgrund eines Herzstillstands in Studie 1 unter 25 mg Daridorexant, allerdings wurde kein kausaler Zusammenhang zur Behandlung gesehen.

Erhöhte Selbstmordgefahr und Tagesschläfrigkeit?

Beim ersten zugelassenen und bereits seit Jahren in den USA eingesetzten Orexin-Rezeptorantagonisten Suvorexant gibt es mittlerweile Hinweise, dass er zu erhöhter Tagesmüdigkeit und Suizidgedanken führen könnte. 

Inwieweit dies ein Klasseneffekt ist und auch beim neuen Wirkstoff Daridorexant auftreten könnte, wird sich zeigen. Idorsia informiert aber bereits, dass es möglicherweise zu einer Verschlimmerung von Depressionen und Selbstmordgedanken unter Daridorexant kommen könne.

Macht Daridorexant abhängig?

Eine berechtigte Frage bei Schlafmitteln lautet stets: Wie hoch ist das Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial? Von Benzodiazepinen sowie von Z-Substanzen sind gewisse Gewöhnungseffekte bekannt. 

Idorsia ließ dies in präklinischen Modellen auch für Daridorexant untersuchen, und zwar bei Personen mit Schlaflosigkeit und Menschen, die Beruhigungsmittel nicht therapeutisch, sondern zum Freizeitgebrauch anwenden. 

Verglichen mit 30 mg Zolpidem und 150 mg Suvorexant zeigte Daridorexant in einer Stärke von 50 mg signifikant weniger „drug liking“– Bewertungen bei 63 Freizeitkonsumenten. Erhöhte man Daridorexant auf 100 mg und 150 mg (doppelte und dreifache Menge der empfohlenen Dosis), bewerteten die Freizeitkonsumenten das „drug-liking“ ähnlich wie bei Zolpidem und Suvorexant.