Kein Diabetes durch Low-Carb-Diät?
Einer im Oktober 2022 veröffentlichten Studie„Effects of a Low-Carbohydrate Dietary Intervention on Hemoglobin A1c A Randomized Clinical Trial“, veröffentlich im amerikanischen Ärzteblatt „JAMA Network Open“ zufolge hilft eine Low-Carb-Diät Menschen, deren Blutzuckerwerte sich im Grenzbereich zum Diabetes bewegen, ihre Blutglucosewerte auch ohne Arzneimittel wieder zu normalisieren. Damit unterstreicht die Untersuchung einmal mehr die Bedeutung der Ernährung bei Diabetes beziehungsweise in diesem Fall bei Prädiabetes.
Diese neue Studie ist insofern interessant, da sich die meisten Ernährungsstudien auf eine reduzierte Fettaufnahme und verringerte Gesamtkalorienzufuhr bei bereits bestehendem Diabetes konzentrieren. Es gibt aber Hinweise„American Journal of Epidemiology“: „Effects of Low-Carbohydrate Diets Versus Low-Fat Diets on Metabolic Risk Factors: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Clinical Trials“ , dass insbesondere eine kohlenhydratarme Ernährung, bei der der Körper weniger als 45 Prozent der Gesamtenergie aus Kohlenhydraten gewinnt, hinsichtlich Gewichtsabnahme und Verbesserung kardiovaskulärer Risikofaktoren gleich effektiv ist wie eine fettreduzierte Diät.
Eine weitere Studie zeigte: Je strenger die Kohlenhydratrestriktion bei bereits an Typ-2-Diabetes erkrankten Menschen, desto stärker senkte sich auch der HbA1c(„BMJ Open Diabetes Research & Care“: „Systematic review and meta-analysis of dietary carbohydrate restriction in patients with type 2 diabetes“) .
Wie gut hilft eine Low-Carb-Ernährung bei Prädiabetes?
Die Wissenschaftler hatten dafür nun untersucht, inwiefern sich eine kohlenhydratreduzierte Ernährung auf den Langzeitblutzuckerwert HbA1c auswirkt. Teilnehmen in der randomisierten Studie durften Erwachsene im Alter zwischen 40 und 70 Jahren (Durchschnitt: 58,9 Jahre) mit einem HbA1c-Wert zwischen 6 und 6,9 Prozent (mittlerer Wert: 6,16 Prozent), die keine blutzuckersenkenden Arzneimittel einnahmen.
Die 150 ausgewählten Teilnehmer hatten im Mittel einen Body-Mass-Index (BMI) von 35,9 kg/m2, was einer Adipositas vom Grad II entspricht. Es gab zwei Gruppen: 75 Teilnehmer kamen in die Low-Carb-Interventionsgruppe, 75 Teilnehmer behielten ihre gewohnte Ernährung bei, wurden jedoch zu Beginn der Studie anhand der Ernährungsrichtlinien für Amerikaner über eine gesunde Ernährung informiert. Von den 150 Probanden schlossen 142 die Studie ab.
Die Diät dauerte sechs Monate und gliederte sich in zwei gleich lange Phasen: In der Startphase („Go Low“) sollten die Prädiabetiker über drei Monate weniger als 40 g Nettokohlenhydrate pro Tag zu sich nehmen. In den folgenden drei Monaten („Keep it Low“) lag die Grenze der täglichen Kohlenhydratzufuhr bei 60 g. Zur besseren Vorstellung: 100 g Hartweizennudeln enthalten etwa 70 g Kohlenhydrate. Die Wissenschaftler entschieden sich für die 40-g-Kohlenhydratgrenze, da sich 40 g Kohlenhydrate in früheren Studien bereits als sicher erwiesen hatten und kardiometabolisch vorteilhaft gewesen waren.
Was sollte bei den Probanden also auf den Tisch? Die empfohlenen Lebensmittel berücksichtigten nicht stärkehaltiges Gemüse (z. B. Gurke, Spargel, Brokkoli), Fisch, Geflügel, fettarmes Fleisch, Eier, Olivenöl und andere ungesättigte pflanzliche Öle, Nüsse und Samen, Nussbutter, Avocados und ein moderater Verzehr von Käse und kohlenhydratarmer Milch.
Ziel der Prädiabetes-Studie: Senkung des HbA1c
Eine Gewichtsabnahme war kein erklärtes Ziel der Studie, doch als Nebeneffekt aufgrund des starken Übergewichts der Teilnehmenden sicher nicht unerwünscht. Die Studienteilnehmer (beide Gruppen) erhielten zu Beginn der Studie Informationen zu körperlichen Aktivitäten, waren jedoch nicht explizit zu Bewegung verpflichtet.
Ziel der Studie war die Abnahme des HbA1c nach sechs Monaten. Dabei erachteten die Wissenschaftler eine Verbesserung des Langzeitblutzuckers um 0,17 Prozent als „klinisch bedeutsam“.
Gut zu wissen: Was ist der HbA1c?
HbA1c steht für Hämoglobin A1c und beschreibt den Teil des Hämoglobins (Blutfarbstoff der roten Blutkörperchen), der Zucker binden kann.
Wie viel Glucose sich an Hämoglobin bindet, hängt von der Höhe des Blutzuckerspiegels ab. Diagnostisch ist der HbA1c-Wert als Langzeitblutzucker wertvoll, da er Aufschlüsse über die Blutzuckerspiegel der letzten acht bis zwölf Wochen gibt. Dies entspricht der Lebensdauer der roten Blutkörperchen.
Die Einheit des HbA1c wird in Prozent angegeben und beschreibt den Anteil am Gesamthämoglobin. Bei Gesunden liegt der HbA1c-Wert bei 5 Prozent, die Grenze für einen Diabetes zieht man bei einem Wert ab 6,5 Prozent.
Verbessert die Low-Carb-Ernährung den Nüchternblutzucker?
Sechs Monate nach der Diät zogen die Wissenschaftler Bilanz: Die Studienteilnehmer in der Low-Carb-Gruppe hatten ihren HbA1c-Wert um 0,26 Prozent gesenkt und damit stärker als die Vergleichsgruppe (0,04 Prozent). Durch die kohlenhydratreduzierte Ernährung schaffte über die Hälfte der Probanden in der Diät-Gruppe (53 Prozent) einen HbA1c-Wert unter 6 Prozent. In der üblichen Ernährungsgruppe war es nur knapp jeder Dritte (32 Prozent).
Auch verbesserte sich der Nüchternblutzuckerwert unter einer kohlenhydratreduzierten Kost um -8,4 mg/dL. In der Vergleichsgruppe verschlechterte er sich hingegen (+1,9 mg/dL). Der Unterschied zwischen beiden Gruppen lag nach sechs Monaten damit bei -10,3 mg/dL zugunsten der Low-Carb-Teilnehmer.
Zudem aß die Diätgruppe insgesamt weniger Kalorien und verlor im Schnitt 6,4 kg an Gewicht – deutlich mehr als die Vergleichsgruppe (0,5 kg). Verbesserungen zugunsten der Low-Carb-Teilnehmer ließen sich auch beim Taillenumfang und Nüchterninsulin beobachten.
Fazit:
In der erwähnten Studie konnten Menschen an der Grenze zum Diabetes ihren Blutzuckerspiegel durch eine sechsmonatige kohlenhydratarme Ernährung senken. Allerdings bleibt die Frage offen, ob der HbA1c-Wert vielleicht aufgrund der Gewichtsabnahme (und nicht durch die Diätform Low Carb) zurückging.
Dennoch, finden die Studienautoren, könnte diese Diät, „wenn sie beibehalten wird, ein nützlicher Ernährungsansatz zur Vorbeugung und Behandlung von Typ-2-Diabetes sein“, auch wenn weitere Untersuchungen erforderlich seien.