Krankenkassen-Studie: Alkoholsucht unter Arbeitnehmern nimmt zu
Steigender Leistungsdruck, weniger Zeit, Existenzängste – die Sorgen der Berufstätigen werden immer größer. In ihrer Not greifen immer mehr Arbeitnehmer zu Alkohol – insbesondere jene Mitte/Ende 30, besagt eine Studie der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH).
So ist die Zahl der KKH-versicherten Berufstätigen mit exzessivem Alkoholkonsum von 2011 bis 2021 um etwa ein Drittel gestiegen (32 Prozent), in der Altersgruppe der 35- bis 39-Jährigen sogar um 88,5 Prozent.
Gut zu wissen: Was ist exzessiver Alkoholkonsum?
Unter exzessivem Alkoholkonsum oder auch Binge-Drinking versteht man gemeinhin Rauschtrinken. Konsumiert werden fünf oder mehr Gläser alkoholischer Getränke in einer Situation, was einer Gesamtalkoholzufuhr von mehr als 50 g entspricht.
Exzessiver Alkoholkonsum erhöht die Unfall- und Verletzungsgefahr, kann zu Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfällen führen. Es besteht die Gefahr einer Alkoholvergiftung.
Die KKH zählt neben dem Rauschtrinken auch Alkoholabhängigkeit, Entzugserscheinungen und psychische Verhaltensstörungen aufgrund von Alkohol zum exzessiven Alkoholkonsum.
Mehr Alkoholsüchtige wegen Corona-Pandemie
Mit der Corona-Pandemie haben die Sorgen der Berufstätigen zugenommen und damit auch ihr Alkoholkonsum. Laut einer forsa-Umfrage im Auftrag der KKH gibt jeder neunte Beschäftigte zu, seit der Corona-Pandemie mehr Bier, Wein, Sekt und Hochprozentiges zu trinken. Fast ein Drittel von ihnen trinke an mehreren Tagen pro Woche Alkohol, neun Prozent davon sogar täglich.
Das spiegelt sich auch in den Versicherten-Zahlen der KKH wider: Vom Vor-Corona-Jahr 2019 auf das Jahr 2021 stieg die Versichertenzahl der exzessiv Alkoholtrinkenden um mehr als vier Prozent, in der Altersgruppe der 40- bis 44-Jährigen sogar um 18 Prozent.
Neben den Arztdiagnosen sei auch die Dauer der Krankheitstage alkoholsüchtiger Beschäftigter in 2021 auf 38 Tage gestiegen, nachdem sie 2017 und 2018 noch bei im Schnitt 31 Tagen gelegen habe, so die KKH. Den höchsten Wert der vergangenen fünf Jahre verzeichne die KKH im ersten Corona-Jahr mit fast 41 Krankheitstagen.
Alkoholkonsum nicht unterschätzen!
Als Gründe für den vermehrten Alkoholkonsum werden Abschalten vom Alltag, Gewohnheit und Stressabbau genannt. „Vor allem in Krisenzeiten sind Rauschmittel eine Art Bewältigungsmechanismus“, sagt Michael Falkenstein, Experte für Suchtfragen bei der KKH. „Besonders gefährdet sind Menschen, die bereits unter einer Alkoholsucht leiden oder dazu neigen.“
Auch die Isolation im Homeoffice könne manchem Berufstätigen zu schaffen machen, gibt Falkenstein zu bedenken. „Wer nicht mehr täglich zur Arbeit fährt, verliert leicht seinen Tagesrhythmus und hat weniger soziale Kontrolle durch Kollegen und Kunden.“ So würden die Hemmungen für den Alkoholkonsum sinken.
Exzessiver Alkoholkonsum kann zu weitreichenden Gesundheitsschäden führen. Oft entwickeln Betroffene weitere Krankheiten, was zu weiteren Krankheitstagen führen kann. Ein erhöhter Alkoholkonsum erhöht das Risiko für Arbeitsunfälle, beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit und auch das Betriebsklima kann darunter leiden.
„Die Gefahren durch Alkohol werden oft unterschätzt und erst dann als Problem wahrgenommen, wenn die Grenze zu Missbrauch und Abhängigkeit bereits überschritten ist“, mahnt Falkenstein. Zwischen dem gelegentlichen Genusstrinker und einem Süchtigen, der sich morgens Wodka in den Kaffee kippt, gebe es noch einen riesigen Graubereich. Deshalb rät der Experte für Suchtfragen: „Keinesfalls sollte problematischer Konsum gedeckt und die Auswirkungen durch andere ausgeglichen werden.“ Quelle: dpa, https://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/alkoholarbeit