AMK-Meldung: Rückrufe von Kosmetik wegen Wintergrünöl
Wie der Name schon sagt, kümmert sich die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) um Informationen und Rückrufe zu Arzneimitteln. Immer wieder werden über sie aber auch Rückrufe über Apothekenkosmetik veröffentlicht.
So wurden beispielsweise im Februar dieses Jahres Stieprox-Shampoos aufgrund des EU-weiten Verbots des Duftstoffs Lilial zurückgerufen. Ebenfalls im Februar wurden Kosmetika verschiedener Marken wegen des Inhaltstoffs Zink-Pyrithion zurückgerufen.
Hinter den Chargenrückrufen steckte die Verordnung (EU) 2021/1902 der Kommission vom 29. Oktober 2021 zur Änderung der Anhänge II, III und V der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rats über kosmetische Mittel.
GSK ruft Kosmetikum zurück
Seit letzter Woche Montag ruft nun auch GlaxoSmithKline (GSK) ein Kosmetikum zurück, das auf den ersten Blick sogar wie ein Arzneimittel aussieht: Voltanatura, ein „pflanzliches Gel bei Muskelverspannungen“, das erst seit Herbst 2021 im Handel ist. Dieses Mal ist der Kosmetikinhaltsstoff Methylsalicylat der Grund für den Rückruf, genauso wie bei den bereits am vergangenen Freitag über die AMK zurückgerufenen Badekristallen von Kneipp. Auch diese sollen in Kombination mit einem Bad die Muskeln entspannen.
Neue Grenzwerte für Wintergrünöl ab 17. Dezember 2022
Die Rückrufe erklären die Firmen mit einer neuen EU-Verordnung: „Der derzeit vorliegende Entwurf der 5. CMR-Omnibus-Verordnung (Verordnung (EU) 2022/1531) enthält neue Grenzwerte für den Kosmetikinhaltsstoff Methylsalicylat. Mit Inkrafttreten dieser Änderungsverordnung dürfen kosmetische Mittel, die Methylsalicylat über dem vorgeschriebenen Grenzwert enthalten, ab dem 17. Dezember 2022 in allen Mitgliedsstaaten der EU nicht mehr auf dem Markt bereitgestellt werden.“
Die Rezepturen der Nachfolgeprodukte seien entsprechend der künftig gültigen Vorgaben fristgerecht umgestellt worden. Bei den Kneipp-Badekristallen stünden diese seit dem 1. September 2022 zur Verfügung. Bei Voltanatura enthalten Chargen mit Verfalldatum nach Februar 2025 kein Methylsalicylat mehr. Ab dem 17. Dezember 2022 dürfen die betroffenen Kosmetika mit Methylsalicylat in Apotheken also nicht mehr abgegeben werden.
In Voltanatura ist Methylsalicylat als Bestandteil des enthaltenen Wintergrünöls enthalten („Gaultheria procumbens Öl“), wie GSK erläutert. Wie die DAZ-Redaktion bereits erörterte, ist Methylsalicylat das Salicylsäure-Derivat mit der geringsten therapeutischen Breite. Wie es hieß, wird es häufig auch in Form von Wintergrünöl sowohl äußerlich (z. B. in Enelbin® Paste und einigen Pferdesalben) als auch im Rachenraum und somit auch in Arzneimitteln (z. B. Neo-Angin® Halsspray, Listerine® Total Care) zur Entzündungshemmung eingesetzt.
Methylsalicylat gilt als reproduktionstoxisch
Laut der 5. CMR-Omnibus-Verordnung (Verordnung (EU) 2022/1531) wird Methylsalicylat als Duftinhaltsstoff, Aromastoff und linderndes Mittel in verschiedenen kosmetischen Mitteln verwendet und war bislang nicht in den Anhängen der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 aufgeführt.
Nach Maßgabe des Artikels 15 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 können CMR-Stoffe der Kategorie 2 in kosmetischen Mitteln verwendet werden, wenn sie vom Wissenschaftlichen Ausschuss „Verbrauchersicherheit“ („SCCS“ = Scientific Committee on Consumer Safety) bewertet und für die Verwendung in solchen Mitteln für sicher befunden worden sind, heißt es außerdem. Der SCCS kam in seinem Gutachten vom 26./27. Oktober 2021 auch zu dem Schluss, dass Methylsalicylat als Bestandteil in kosmetischen Mitteln bis zu bestimmten Höchstkonzentrationen als sicher angesehen werden könne, heißt es in der Verordnung.
Aber: „Angesichts der Einstufung von Methylsalicylat als CMR-Stoff der Kategorie 2 und des Gutachtens des SCCS in seiner endgültigen Fassung sollte Methylsalicylat in die Liste der in kosmetischen Mitteln beschränkten Stoffe in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 aufgenommen werden.“
Zur Erinnerung: Was sind CMR-Stoffe?
CMR-Stoffe sind Stoffe, die als
- krebserzeugend (karzinogen)
- erbgutverändernd (mutagen) oder
- fortpflanzungsgefährdend (teratogen)
eingestuft sind. Alle CMR-Stoffe, die in Deutschland eingestuft sind, werden in der CMR-Gesamtliste aufgeführt.
„Methyl-2-hydroxybenzoat“ (CAS-Nr. 119-36-8) oder „Methylsalicylat“ gilt also entsprechend seiner Bezeichnung als CMR-Stoff als reproduktionstoxisch. Entsprechend soll Methylsalicylat künftig in Mitteln für Kinder unter sechs Jahren gar nicht mehr (ausgenommen Zahnpasta) und sonst nur noch bis zu bestimmten Konzentrationen in Kosmetik erlaubt sein.
In der SCCS-Stellungnahme heißt es zudem, dass die CMR-Einstufung in Kategorie 2 für Methylsalicylat der CMR-Einstufung von 2016 für Salicylsäure entspricht.
Vorsicht auch bei anderen Salicylaten
Wie die DAZ-Redaktion erläuterte, sind teratogene Wirkungen von Acetylsalicylsäure (ASS) in einer Vielzahl tierexperimenteller Studien beschrieben worden. „Eine langfristige Therapie mit ASS oder anderen NSAID sollte nur nach ärztlicher Absprache und strenger Indikationsstellung erfolgen“, schreibt auch Embryotox. Und PTA wissen, dass im letzten Trimenon (ab Schwangerschaftswoche 28) ASS und andere NSAID nicht angewendet werden dürfen, weil sie zum vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus Botalli beim Fetus und zu einer Schädigung der fetalen und neonatalen Nierenfunktion führen.
Dass die unkontrollierte Aufnahme von Methylsalicylat über Kosmetika nun beschränkt wird, erscheint in diesem Zusammenhang also sinnvoll. Allerdings kann Acetylsalicylsäure in niedriger Dosierung in der Prävention der Präeklampsie Schwangeren auch nutzen. Wie so häufig muss also unterschieden werden, in welcher Indikation ein Stoff zum Einsatz kommt und in welcher Dosierung.
Hinweis: Ingwer und Minztee mit Bedacht konsumieren
„Chronische Vergiftungen treten meist versehentlich auf, beispielsweise wenn zwei Salicylat-haltige Formulierungen gleichzeitig über einen längeren Zeitraum angewendet werden. Auch einige Lebensmittel, wie Ingwer und Minztee, enthalten Salicylate und können zur Exposition beitragen. Wenn die Eliminierungswege gesättigt sind, kommt es zu einer Akkumulation des Wirkstoffes und die Halbwertszeit verlängert sich. Einige Faktoren können sich modifizierend auf den Verlauf einer Salicylat-Vergiftung auswirken. So verlangsamen Opioide und Ethanol die Absorption von Acetylsalicylsäure im Magen-Darm-Trakt. Bestehende Nierenerkrankungen können die Exkretion verlangsamen. Gleichzeitige Einnahme von Arzneimitteln, die die Salicylat-Proteinbindung lösen, oder das Vorliegen einer Hypoalbuminämie können die Plasmakonzentration von freiem Salicylat erhöhen.“ https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2020/daz-33-2020/un-bedenkliche-salicylsaeure