Wegen Datenschutzbedenken: E-Rezept: Westfalen-Lippe stoppt Pilotprojekt
Eigentlich sollte ab dem 1. September in zwei Pilotregionen, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe, der flächendeckende Rollout des E-Rezepts beginnen und von dort dann auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.
Schleswig-Holstein verabschiedete sich jedoch recht schnell aus dem Projekt. Datenschützer hatten den offiziell nicht vorgesehenen, aber dort häufig praktizierten Weg der E-Rezept-Übertragung per E-Mail oder SMS untersagt. Blieb zunächst Westfalen-Lippe – 250 Praxen waren anfangs dabei, schrittweise sollten es mehr werden.
Bedingung der KVWL: E-Rezept via eGK
Sollten – denn draus wird erstmal nichts. Auch in Westfalen-Lippe ist die E-Rezept-Einführung nun auf Eis gelegt. Die dortige Kassenärztliche Vereinigung informiert darüber in einer Mitteilung. Man sehe sich gezwungen, den E-Rezept-Rollout auszusetzen, heißt es. Hintergrund ist die kritische Haltung der Datenschützer zur Übertragung des E-Rezepts über die elektronische Gesundheitskarte (eGK).
Denn sowohl der Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) als auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) halten die von der Gematik vorgelegte Spezifikation für nicht datenschutzkonform. Der Datenschutzbeauftragte kritisierte insbesondere, dass allein mit der Versichertennummer ohne weiteren Prüfnachweis, wie PIN oder Identitätsprüfung, auf Versichertendaten zugegriffen werden kann. Das Missbrauchsrisiko sei demnach sehr hoch. Es sollten Nachbesserungen durchgeführt werden, wobei der BfDI und das BSI ihre Unterstützung angeboten haben. Die Gematik hatte zuletzt jedoch gehofft, dass die Datenschützer das Verfahren dulden.
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hatte den Abruf des E-Rezepts via eGK zur Bedingung gemacht, sich weiter aktiv am Rollout zu beteiligen. Auf die Ablehnung reagiert sie mit „mit völligem Unverständnis“, wie es in der Mitteilung heißt.
E-Rezept auf Papier für Ärzte nicht zumutbar
In den Augen von KVWL-Vorstand Thomas Müller, unter anderem zuständig für Digitalisierung und IT, ist die Entscheidung des Datenschützers eine Bankrotterklärung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen generell und speziell in der ambulanten Versorgung.
Für die mehr als 13.000 ärztlichen Mitglieder der KVWL wäre die digitale Lösung der ersten Massenanwendung ein großer Schritt gewesen – nun werde einmal mehr eine große Chance leichtfertig vertan, wird er in der Mitteilung der KV zitiert.
„Die vom Bundesdatenschützer erteilte Ablehnung des eGK-Wegs bedeutet eine eklatante zusätzliche Verzögerung bis Mitte 2023. Denn jetzt sind zusätzliche technische Anpassungen in den Apotheken-Verwaltungssystemen und in den Konnektoren für die Anbindung an die Telematikinfrastruktur erforderlich“, sagt Thomas Müller weiter.
Es sei für die Ärzteschaft nicht zumutbar, noch bis Mitte des nächsten Jahres nahezu ausschließlich papiergebundene E-Rezepte auszustellen. „Wir fordern erneut eine rein digitale Lösung – nur dann kann eine Fortsetzung des Rollouts durch die KVWL erfolgen.“
E-Rezept: Flächendeckende Einführung bis 2023
Auch die Gematik äußerte sich gegenüber der Deutschen Pressagentur enttäuscht. Man bedauere die Entscheidung der KVWL, die Einführung des E-Rezepts vorläufig nicht weiter zu forcieren.
Das E-Rezept werde aber bundesweit weiterhin genutzt, stellte sie heraus. Seit Anfang Oktober hätten mehr als 3.700 Arztpraxen E-Rezepte ausgestellt, die in mehr als 9.200 Apotheken eingelöst worden seien. Die Anzahl der für die App „Das E-Rezept“ ausgegebenen PIN sei zwar noch niedrig, aber Berichte von Patienten bestätigten die Vorteile des komplett papierlosen Wegs.
Die nächsten Schritte für die bundesweite Einführung des E-Rezepts werden die Gesellschafter der Gematik – neben dem Mehrheitseigner Bundesgesundheitsministerium auch Interessenorganisationen aus der Gesundheitsbranche – bei einer ihrer nächsten Versammlungen abstimmen. Das Ziel einer flächendeckenden Einführung des E-Rezepts im Jahr 2023 bleibe bestehen, so die Gematik. Quelle: dpa / jb