Welche Nahrungsergänzungsmittel brauchen Schwangere wirklich?
In einer so sensiblen und wechselhaften Phase wie der Schwangerschaft können langjährige Ernährungsgewohnheiten und Vorlieben sehr plötzlich komplett auf den Kopf gestellt werden. Wer vorher leidenschaftlich Fisch und Fleisch genossen hat, könnte z. B. auf einmal eine starke Abneigung verspüren.
Damit dennoch alle wichtigen Mikronährstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, sollten angehende Mütter ihren erhöhten Mikronährstoffbedarf gegebenenfalls (bei nicht ausreichender Zufuhr über die Ernährung) zusätzlich mit Supplementen decken. Zudem gibt es spezielle Mikronährstoffe, die in jedem Fall und unabhängig von der Ernährungsform vor bzw. während der Schwangerschaft und Stillzeit supplementiert werden müssen.
Folsäure und Jod: Ein „Muss“ für Schwangere
Folsäure (Vitamin B9) ist an wichtigen Prozessen wie DNA-Replikation, Proteinsynthese und Zellteilung beteiligt. Damit ist das B-Vitamin für die embryonale und fetale Entwicklung von enormer Bedeutung. Ein Folsäuremangel während der Schwangerschaft kann im Kind zu schweren Fehlbildungen führen, wie dem „offenen Rücken“ (Spina bifida), der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und angeborenen Herzfehlern. Auch ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten sowie eine Anämie der Mutter wurden mit einem Folsäuremangel in Verbindung gebracht.
Diese Fehlentwicklungen können sich bereits in den ersten vier Wochen der Schwangerschaft etablieren. Daher wird allen Frauen empfohlen, bereits mehrere Wochen vor Schwangerschaftsbeginn (möglichst ab Kinderwunsch) mit einer Folsäuresupplementierung sowie einer folatreichen Ernährung zu starten und diese bis zum Ende der Stillzeit fortzuführen.
Folsäureempfehlungen laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) | |
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Zeitpunkt der Supplementierung | Dosis |
Start > 4 Wochen vor Konzeption und während der gesamten Schwangerschaft | 400 µg/Tag |
Start < 4 Wochen vor oder nach Konzeption bis zur 12. SSW | 800 µg/Tag |
Stillzeit | 400 µg/Tag |
Folatreiche Nahrungsmittel: Vollkorngetreide, grünes Gemüse, Hülsenfrüchte, Innereien |
Nicht immer lässt sich eine Schwangerschaft genau planen und viele Frauen wissen in den ersten Wochen nicht, dass sie schwanger sind. In diesem Fall soll das Folsäurepräparat ab dem Zeitpunkt der Schwangerschaftsdiagnose eingenommen und in den ersten Wochen höher dosiert werden (siehe Tabelle).
Gut zu wissen: Folsäurestatus mittels Blutuntersuchung überprüfbar
Wer zu Beginn der Schwangerschaft einen Verdacht auf einen Folsäuremangel hat, kann dies ärztlich über einen Bluttest feststellen lassen. Sollte sich ein Mangel bestätigen, werden höher dosierte Folsäurepräparate verschrieben, bis der Mangel ausgeglichen ist.
Mit Jod ist der Großteil der deutschen Bevölkerung unterversorgt, da es über die Ernährung nicht in ausreichenden Mengen zugeführt wird. Deshalb wird Jod in Deutschland einigen Lebensmitteln, wie Salz, beigefügt.
Für Schwangere reicht dies allein aber nicht aus. Sie benötigen, aufgrund der erhöhten mütterlichen Produktion von Schilddrüsenhormonen und für die Gehirnentwicklung des Fötus, mehr Jod. Frauen sollten daher zusätzlich 150 µg Jod am Tag supplementieren – vor und während der Schwangerschaft sowie während der Stillzeit. Eine jodreiche Ernährung beinhaltet jodiertes Speisesalz, Milch und Milchprodukte sowie Meeresfisch.
Für Frauen mit Schilddrüsenerkrankungen bestehen möglicherweise andere Mengenempfehlungen während Schwangerschaft und Stillzeit. Diese sollten unbedingt bereits ab Kinderwunsch und vor der Schwangerschaft mit dem Arzt besprochen werden.
Auf diese Nährstoffe sollten Schwangere besonders achten
Laut DGE sollten die folgenden Mikronährstoffe in der Schwangerschaft nur dann in Form von Supplementen ergänzt werden, wenn eine Unterversorgung oder ein Mangel ärztlich festgestellt wurde:
- Eisen
- Vitamin-B12
- Vitamin-D
- Essenzielle Fettsäuren
Die DGE empfiehlt dies ausgehend von einer ausgewogenen omnivoren Ernährung, d. h. einer Ernährung mit breiter Auswahl an tierischen und pflanzlichen Produkten. Die Ernährung vieler Menschen sieht allerdings aus verschiedensten Gründen selten so aus. Vielmehr werden oft einige dieser Nahrungsmittel ausgeschlossen, was bei fehlender Supplementierung zu einer Unterversorgung bestimmter Nährstoffe während der Schwangerschaft führen kann. Nahrungsergänzungsmittel sollten trotzdem nicht wahllos eingenommen werden, sondern immer nach Bedarf auf Basis einer ärztlichen Blutuntersuchung.
Eisenversorgung bei Frauen oft unzureichend
Mit Eisen sind viele deutsche Frauen nicht ausreichend versorgt. Eine falsche Ernährung kann ein Grund dafür sein, Frauen haben jedoch ohnehin einen höheren Eisenbedarf als Männer (w: 15 mg, m: 10 mg pro Tag). Dieser Bedarf verdoppelt sich während der Schwangerschaft und Stillzeit noch einmal auf 30 mg/Tag an.
Ein Eisenmangel verursacht eine Blutarmut in der Mutter. Dies wird wiederum mit einem gesteigerten Risiko für eine Frühgeburt und einem zu geringen Geburtsgewicht des Neugeborenen assoziiert. In den meisten Fällen führt eine mangelnde Eisenversorgung außerdem zu Müdigkeit und Schlappheit. Eine Überdosierung kann jedoch ähnliche Risiken für das Neugeborene mit sich bringen, weshalb eine Eisensupplementation während der Schwangerschaft nur auf Basis ärztlicher Indikation erfolgen sollte.
Zur Erinnerung: Wann und wie wird Eisen supplementiert?
Eisen neigt dazu, mit anderen Nahrungsbestandteilen Komplexe auszubilden. Dadurch reduziert sich die Eisenaufnahme im Darm. Deswegen wird empfohlen, Eisensupplemente morgens auf nüchternen Magen einzunehmen. Je nach Dosis kann das jedoch zu gastrointestinalen Beschwerden und Übelkeit führen. In diesem Fall kann man Eisenpräparate auch abends vor dem Schlafen oder mindestens zwei Stunden nach dem Abendessen in Kombination mit Vitamin C einnehmen.
B12 für Vegetarier und Veganer
Vitamin-B12-Präparate sollte einnehmen, wer sich vegetarisch oder vegan ernährt bzw. Fisch, Fleisch und Milchprodukte nur gelegentlich konsumiert. Das gilt für alle, egal ob schwanger oder nicht. Die Höhe der täglichen Dosis an zu ergänzendem Vitamin B12 orientiert sich an der individuellen Ernährung und den daraus resultierenden Vitamin-B12-Blutwerten und sollte in Absprache mit dem Hausarzt festgelegt werden. Der allgemeine tägliche Vitamin-B12-Bedarf steigt für schwangere und stillende Frauen von 4,0 µg auf 4,5–5,5 µg.
Über die Ernährung sind diese Mengen ohne Nahrungsergänzungsmittel nur erreichbar, wenn man mehrmals am Tag verschiedene Vitamin-B12-reiche Nahrungsmittel wie z. B. Kaninchen, fettigen Fisch, Mozzarella oder mageres Rindfleisch konsumiert. Ein Vitamin-B12-Mangel in der Schwangerschaft kann sich negativ auf die neuronale Entwicklung des ungeborenen Kindes auswirken.
Bei Schwangerschaften im Winter an Vitamin D denken
Vitamin-D-Spiegel nehmen im Laufe der Schwangerschaft bei den Müttern aufgrund des fetalen Bedarfs für das Wachstum und die Entwicklung zunehmend ab. Bei einer bestehenden Schwangerschaft während der Wintermonate oder bei genereller Sonnenmeidung sollte daher Vitamin D ergänzt werden – mit einer Dosis von etwa 800–1.000 IE bzw. 20 µg pro Tag. Im Falle eines ärztlich diagnostizierten Vitamin-D-Mangels werden höhere Mengen Vitamin D verschrieben.
Zweimal pro Woche Fisch oder DHA-Substitution
Essenzielle Fettsäuren (Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren) müssen über die Nahrung aufgenommen werden, da der Körper sie nicht selbst herstellen kann. Insbesondere die Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) spielt in der fetalen Gehirn- und Sehkraftentwicklung eine wichtige Rolle. Schwangeren wird daher empfohlen, mindestens zweimal die Woche Fisch zu essen und dabei auf die Art des Fischs zu achten – Fischstäbchen zählen hier nicht. Fettige Meeresfische wie Hering, Lachs, Makrele oder Thunfisch enthalten ausreichend hohe Mengen an DHA. Wer keinen Fisch essen mag, sollte während der Schwangerschaft täglich 200 mg DHA über Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen.