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Pfeiffersches Drüsenfieber und Multiple Sklerose: Epstein-Barr-Virus: Zusammenhang mit MS-Erkrankung

Eine groß angelegte Studie zeigt: Das MS-Risiko steigt nach einer EBV-Infektion um das 32-Fache an. | Bild: Minerva Studio / AdobeStock

Erste Hinweise auf das Epstein-Barr-Virus (EBV) als Faktor bei der MS-Entstehung gab es schon früher. So weiß man beispielsweise, dass Kinder und Jugendliche, die infolge einer EBV-Infektion an Pfeifferschem Drüsenfieber erkranken, ein etwa zweifach erhöhtes Risiko haben, später Multiple Sklerose (MS) zu entwickeln. 

Jetzt kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen EBV-Infektion und MS besteht. Grundlage dafür ist eine neue Studie, die im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurde. 

MS-Risiko nach EBV-Infektion 32-fach erhöht

Für die aktuelle Studie griff ein internationales Forschungsteam auf eine große Biodatenbank des US-Militärs zurück. Sie enthält die Blutproben von mehr als 10 Millionen jungen Erwachsenen, die im amerikanischen Militär ihren Dienst taten. Von diesen erhielten 955 während ihrer Dienstzeit die Diagnose MS. 

In fast allen Fällen ging den ersten MS-Anzeichen im Blut eine EBV-Infektion voraus. Das MS-Risiko stieg nach einer EBV-Infektion um das 32-Fache an. Dagegen war das Risiko nach anderen Virusinfektionen nicht erhöht – auch nicht nach Infektion mit dem ebenfalls häufigen Cytomegalievirus (CMV). Dies unterstützt also die Annahme, dass das Epstein-Barr-Virus bei der Entstehung von Multipler Sklerose eine besondere Rolle spielt.  

Erhöhte MS-Biomarker im Blut bei EBV-Befund

Die Wissenschaftler fanden noch einen weiteren Beleg: Im Blut der betroffenen Personen konnten noch vor dem eigentlichen MS-Ausbruch erhöhte Konzentrationen eines bestimmten MS-Biomarkers (leichte Kette der Neurofilamente) nachgewiesen werden. Dieser Biomarker ist ein Zeichen für die MS-typische Schädigung von Nervenzellen. Eine Konzentrationserhöhung dieses Biomarkers fand sich nur bei EBV-positiven Personen. 

Denkbare Wirkmechanismen

Doch auf welche Weise löst das Epstein-Barr-Virus eine Multiple Sklerose aus? Hierzu lässt sich bisher nur mutmaßen. So könnte es laut Expertenmeinung sein, dass EBV direkt die Nerven angreift und sie so verändert, dass das Immunsystem die Myelinscheiden der Nervenfasern angreift. 

Denkbar wäre aber auch, dass Bestandteile des Virus bestimmten Bestandteilen der Myelinscheide ähneln. Die Immunzellen könnten dann fälschlicherweise die Myelinscheide als fremd wahrnehmen und attackieren. 

MS durch Impfung verhindern?

Der Großteil der Bevölkerung ist – meist symptomfrei – mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert. Grund zur Panik geben die aktuellen Studienergebnisse aber nach Expertenauffassung nicht. Schließlich seien noch viele andere Umstände, etwa genetische oder Umweltfaktoren, mitbeteiligt an der Krankheitsentstehung. Dennoch wäre es wünschenswert, EBV zu bekämpfen, zumal das Virus langfristig auch das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen erhöht. 

Vor diesem Hintergrund sind weitere Forschungsmeldungen vielversprechend: Ein mRNA-basierter Impfstoff gegen EBV befindet sich derzeit in der Entwicklung. So könnte man Multiple Sklerose womöglich durch eine Impfung verhindern. Quellen: Science, 13. Januar 2022; Universität Basel 

Gut zu wissen: Was ist das Epstein-Barr-Virus?

Mehr als 90 Prozent der Menschen infizieren sich im Laufe des Lebens mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV). Es gehört zu den Herpesviren und verbleibt nach der Infektion im Körper. 

Die Infektion erfolgt in der Regel symptomlos im Kindesalter und bleibt bei den meisten Menschen folgenlos. Besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann sich die frische Infektion jedoch als sogenanntes Pfeiffersches Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose) äußern. 

Ausreichend für eine Ansteckung ist meist ein Kuss mit Speichelübertragung, was der Krankheit den Spitznamen „Kusskrankheit“ einbrachte. 

Das Pfeiffersche Drüsenfieber geht typischerweise mit Fieber, Müdigkeit, Halsschmerzen und geschwollenen Lymphknoten einher, verläuft aber mehrheitlich harmlos und heilt in der Regel rasch aus.

Bei einigen Patienten zeigen sich jedoch lebensbedrohliche Komplikationen wie Atemnot, Milzriss oder Blutzellmangel oder außerordentlich langwierige Verläufe wie das chronische Müdigkeitssyndrom. 

Auch scheint in der Folge eines Pfeifferschen Drüsenfiebers das Risiko für die Entwicklung einer Multiplen Sklerose oder eines Hodgkin-Lymphoms erhöht zu sein. Erstmals beschrieben wurde die Krankheit von dem Kinderarzt Emil Pfeiffer (1846–1921). Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)