Studie aus England: HPV-Impfung schützt vor Gebärmutterhalskrebs
In England zählt die HPV-Impfung seit 1. September 2008 zu den routinemäßigen Impfungen. Mädchen (und mittlerweile auch Jungen) wird diese seither im Alter von zwölf und 13 Jahren angeboten.
Zwischen 2008 und 2010 gab es zudem ein Nachhol-Impfprogramm für weibliche Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. England impft mit der bivalenten (zweifach) Vakzine Cervarix®, die vor den zwei Hochrisiko-HPV-Subtypen 16 und 18 schützt.
Zur Erinnerung: Was ist HPV?
HPV steht für humanes Papillomavirus. Papillomaviren infizieren Haut und Schleimhäute und können dort – je nach Subtyp – zu einer ungefährlichen Warzenbildung (Niedrigrisiko-Typen) führen oder auch bösartige Veränderungen wie Tumore hervorrufen (Hochrisiko-Typen).
Gebärmutterhalskrebs: Vergleich von geimpften und ungeimpften Frauen
Wie wirkt sich das konsequente HPV-Impfen auf das Auftreten von Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) aus? Lassen sich bei geimpften Frauen tatsächlich dramatische Rückgänge von Tumorvorstufen und Gebärmutterhalskrebs beobachten? Und für welche Mädchen ist die Impfung besonders effektiv?
Antworten auf diese Fragen liefern Wissenschaftler im Fachjournal „The Lancet”(„The effects of the national HPV vaccination programme in England, UK, on cervical cancer and grade 3 cervical intraepithelial neoplasia incidence: a register-based observational study“) . Sie verglichen auf Grundlage von Daten aus dem englischen Krebsregister die Zahl der gemeldeten Fälle von Gebärmutterhalskrebs und seiner Vorstufe (CIN 3, In-situ-Karzinom) bei den nun 20- bis 30-jährigen Frauen mit früheren Inzidenzen, als Mädchen noch nicht gegen HPV geimpft wurden. Die Wissenschaftler um Peter Sasieni vom „Guy's Cancer Centre in London“ berücksichtigten für ihre Beobachtungsstudie Daten vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2019.
Gut zu wissen: CIN – was ist das?
Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) gibt auf seiner Homepage einen Überblick über die einzelnen Stufen von zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN).
CIN beschreibt Veränderungen des Gebärmutterhalses, die allerdings auf die Schleimhaut begrenzt sind und nicht auf tiefer liegende Gewebeschichten übergegriffen haben. Zu den CIN zählen leichte (CIN 1) bis mittelschwere (CIN 2) Veränderungen, die als Krebsvorstufe gelten, und oberflächliche Karzinome (CIN 3), die nicht über die Schleimhaut hinaus vorgedrungen sind – sogenannte In-situ-Karzinome.
- CIN 1: leichte Zellveränderungen, bilden sich bei 50 Prozent der Frauen allein zurück; frühe, aber kontrollbedürftige Befunde.
- CIN 2: mittelschwere Zellveränderungen, spontane Heilungen sind möglich, aber seltener (etwa ein Drittel der Frauen).
- CIN 3: weit fortgeschrittene Zellveränderungen, fortgeschrittene Krebsvorstufen mit Übergang zum Karzinom, wobei die veränderten Zellen noch auf die oberen Gewebeschichten begrenzt sind; meist raten Ärzte zur Entfernung des betroffenen Gewebes, da das Risiko für invasiven Gebärmutterhalskrebs hoch ist.
Frühes HPV-Impfen vorteilhaft
Am besten schützte die Impfung vor Gebärmutterhalskrebs und In-situ-Gebärmutterhalskarzinomen, wenn sich die Mädchen bereits im Alter von zwölf und 13 Jahren impfen ließen – also meist wohl vor dem ersten Geschlechtsverkehr (achte Klasse): Verglichen mit der ungeimpften Kohorte, verringerte sich das relative Risiko für Gebärmutterhalskrebs um 87 Prozent, für Krebsvorstufen (CIN 3) sogar um 97 Prozent.
Waren die Mädchen bei HPV-Impfung 14 bis 16 Jahre alt (zehnte und elfte Klasse), ließ sich durch Cervarix® das Zervixkarzinomrisiko um 62 Prozent verringern, CIN-3-Vorstufen traten 75 Prozent seltener auf. Bei einer späteren Impfung – 16 bis 18 Jahre (zwölfte und 13. Klasse) – kam es zu einer relativen Verringerung von Gebärmutterhalskrebsraten um 34 Prozent und von In-situ-Karzinomen um 39 Prozent.
Durch HPV-Impfung 448 weniger Krebsfälle
Die Wissenschaftler wagten auch eine Schätzung, wie viele Frauen absolut gesehen in der ausgewerteten Zeit durch die Impfung von Gebärmutterhalskrebs verschont geblieben sind: Sie gehen von 448 weniger Krebsfällen aus als erwartet. Bei den CIN-3-Vorstufen schätzen sie, dass sich durch die HPV-Impfung sogar 17.235 Fälle hatten verhindern lassen.
Erheblicher Rückgang bei Gebärmutterhalskrebsfällen
Die Wissenschaftler sprechen von einem „erheblichen Rückgang“ bei Gebärmutterhalskrebs und beim Auftreten von zervikalen intraepithelialen Neoplasien des Grades 3 seit Einführung des HPV-Impfprogramms in England – vor allem bei Mädchen, die bei Impfung zwölf bis 13 Jahre alt gewesen seien. „Das HPV-Impfprogramm hat Gebärmutterhalskrebs bei Frauen, die nach dem 1. September 1995 geboren wurden, erfolgreich nahezu eliminiert.“
Studie bestätigt frühere Daten aus Schottland
Diese Studie ist nicht die erste Arbeit, die den Erfolg von HPV-Impfungen, insbesondere bei frühem Impfalter, in Bezug auf die Reduktion von HPV-assoziierten Tumoren bestätigt. 2019 veröffentlichten Wissenschaftler im Fachjournal „British Medical Journal“ Zahlen aus Schottland von 138.692 Frauen.
Es ging um das Auftreten der CIN-3-Vorstufen: Die routinemäßige Impfung von Mädchen im Alter von zwölf bis 13 Jahren mit Cervarix® hatte auch dort zu einer drastischen Verringerung der präinvasiven Zervixerkrankungen geführt.
Bei Mädchen, die im Alter von zwölf oder 13 Jahren gegen HPV geimpft wurden, reduzierten sich CIN-3-Veränderungen um 89 Prozent im Vergleich zu ungeimpften Frauen. Und: Je jünger die Mädchen bei HPV-Impfung waren, desto weniger CIN entwickelten sie.
Mädchen, die im Alter von zwölf oder 13 Jahren geimpft wurden, zeigten eine Impfeffektivität von 86 Prozent. Mädchen, die mit 17 Jahren gegen HPV geimpft wurden, zeigten eine Impfeffektivität von 51 Prozent.
Bereits ein Jahr zuvor, 2018, kamen die wissenschaftlichen Autoren einer Cochrane-Analyse ebenfalls zu dem Schluss, dass eine HPV-Impfung gegen Krebsvorstufen effektiv ist. Sie fanden zudem eine altersabhängige Wirksamkeit beim HPV-Schutz: Insbesondere 15- bis 26-Jährige profitierten von der Impfung.
Gut zu wissen: HPV – wie wird in Deutschland geimpft?
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt allen Kindern und Jugendlichen im Alter von neun bis 14 Jahren eine Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) – und zwar für Mädchen und Jungen.
Versäumte Impfungen sollten bis zu einem Alter von 17 Jahren nachgeholt werden. Zudem rät die STIKO, dass die Impfserie am besten vor dem ersten Sexualkontakt abgeschlossen sein sollte.
Zwei oder drei Impfdosen?
Neun- bis 14-Jährige erhalten zwei Impfdosen im Abstand von mindestens fünf Monaten. Zugelassen sind die Impfstoffe Cervarix® und Gardasil® 9. Liegen zwischen der ersten und der zweiten Impfung allerdings weniger als fünf Monate, so erhalten die Kinder und Jugendlichen eine zusätzliche dritte Impfdosis.
Eine dritte Dosis ist auch bei Jugendlichen erforderlich, die ihre Impfserie erst mit 15 Jahren oder älter beginnen. Auch über 18-Jährige können laut STIKO noch von einer HPV-Impfung profitieren, wenn auch bei „nicht HPV-naiven Personen“ die Wirksamkeit reduziert sei.
Die STIKO rät zudem, dass eine begonnene Impfserie „möglichst“ mit dem gleichen Impfstoff fortgeführt und beendet werden sollte.
Gardasil® 9 und Cervarix®
Während Cervarix® (GlaxoSmithKline) lediglich vor den beiden Hochrisiko-Subtypen 16 und 18 schützt, impft man sich mit Gardasil® 9 (Merck Sharp & Dohme) gegen insgesamt neun HPV-Stämme (6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52, 58).
Gardasil® 9 ist seit 2015 der Nachfolger des ersten HPV-Schutzes in Deutschland (2006) – Gardasil® –, der damals vor vier HPV-Subtypen schützte: vor den beiden Hochrisiko-HPV-Subtypen 16 und 18, die für den Großteil der Fälle an Gebärmutterhalskrebs verantwortlich zeichnen, und zusätzlich vor den Niedrigrisiko-Subtypen 6 und 11. Auf diese lässt sich die Mehrheit (90 Prozent) der Fälle von Genitalwarzen zurückführen.
Seit 2020: geändertes Früherkennungsprogramm bei HPV
Bis Ende 2019 wurde allen Frauen ab 20 Jahren eine jährliche Abstrichuntersuchung (Pap-Abstrich) empfohlen. Allerdings war ein Test auf humane Papillomaviren (HPV) keine Routine-Leistung.
Seit 1. Januar 2020 gelten geänderte Früherkennungsprogramme zum Screening auf Gebärmutterhalskrebs. Damit haben nur noch 20- bis 34-jährige Frauen einen jährlichen Anspruch auf einen zytologischen Abstrich vom Gebärmutterhals (Pap-Abstrich).
Frauen ab 35 Jahren hingegen haben nur noch alle drei Jahre Anspruch auf einen zytologischen Abstrich vom Muttermund, der dann aber in Kombination mit einem HPV-Test durchgeführt wird. Bei negativem HPV-Befund steht der nächste Abstrichtermin erst wieder drei Jahre später an.
Liegt ein positiver HPV-Befund vor, erfolgt die Kontrolle bereits ein Jahr später. Bei dann erneut positivem Befund folgt innerhalb von drei Monaten eine Untersuchung mit einer speziellen Lupenvergrößerung (Kolposkopie) zur Abklärung, ob Gewebeveränderungen vorliegen.