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Was ist eigentlich die hereditäre spastische Spinalparalyse?

Frau sitzt im Rollstuhl
HSP äußert sich in einer meist zunehmenden spastischen Schwäche der Beinmuskulatur, die oft bis zum Verlust der Gehfähigkeit führt. | Bild: New Africa / AdobeStock

„Erst hebt man beim Gehen die Füße nicht mehr richtig hoch und fängt an, über den Boden zu schleifen. Später geht man extrem langsam und stolpert häufig.“ So beschreibt ein Betroffener die Anfangssymptomatik einer hereditären spastischen Spinalparalyse (HSP). 

Der komplizierte Name drückt schon die wichtigsten Charakteristika der Erkrankung aus: Es handelt sich nämlich um eine erbliche (hereditäre) Rückenmarkslähmung (Spinalparalyse), die mit einer Schwäche und einem erhöhten Tonus (Spastik) der Beinmuskulatur einhergeht. Die Symptomatik schreitet meistens im Laufe von Jahren voran, sodass die Patienten zunehmend ihre Gehfähigkeit verlieren. 

Circa 6.000 Patienten in Deutschland betroffen

Die HSP kann grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten, auch schon in der frühen Kindheit. Am häufigsten manifestiert sie sich jedoch zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen. 

Es dauert oft lange, bis HSP-Patienten die richtige Diagnose erhalten. Denn es handelt sich um eine seltene Erkrankung. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland circa 6.000 Menschen an einer hereditären spastischen Spinalparalyse. 

Verschiedene Subtypen von HSP

Ein zunehmender Funktionsverlust der motorischen Nervenzellen liegt einer HSP als Pathomechanismus zugrunde. Allerdings beschreibt die HSP keine einheitliche Erkrankung. Sie ist vielmehr ein Oberbegriff für viele verschiedene Subtypen, deren Klassifizierung abhängig von der jeweiligen Genmutation erfolgt. 

Mehr als 80 HSP-Gene kennt man inzwischen. Die von diesen Genen jeweils kodierten Proteine sind an vielen Vorgängen beteiligt, beispielsweise am axonalen Transport, an Mitochondrienfunktionen oder am Lipidstoffwechsel. Deshalb führen die verschiedenen HSP-Subtypen zu variierenden Krankheitsausprägungen.

Weitere Symptome können auftreten

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen reinen (unkomplizierten) und komplexen (komplizierten) HSP-Formen. Die häufiger auftretenden reinen Formen sind im Wesentlichen auf die Beinsymptomatik beschränkt, eventuell verbunden mit Blasenentleerungsstörungen. 

Bei den komplexen Formen können vielfältige weitere Erscheinungen hinzukommen, etwa Armlähmungen, Seh- und Hörstörungen sowie kognitive Beeinträchtigungen.  

Symptomatische Behandlung von HSP

Therapeutisch stehen bei der HSP funktionserhaltende Maßnahmen im Vordergrund, zum Beispiels durch Physiotherapie. Medikamentös wird die Spastizität behandelt. Dabei kommen Muskelrelaxanzien wie z. B. Baclofen und Tizanidin, außerdem Diazepam und Botulinumtoxin zum Einsatz.

Woran geforscht wird 

Tübinger Hirnforscher haben einen gentherapeutischen Ansatz entwickelt – und zwar in Zusammenarbeit mit der aus der COVID-19-Impfstoffentwicklung bekannten Firma CureVac: Durch wiederholte mRNA-Injektion ist es bei der HSP-Unterform SPG5 (spastic paraplegia gene type 5) im Tierversuch gelungen, die Konzentration schädlicher Stoffwechselprodukte im Gehirn zu reduzieren. 

Als vielversprechend erwies sich beim Spinalparalyse-Typ SPG5 zudem eine klinische Studie zum Einsatz des HMG-CoA-Reduktase-Hemmers Atorvastatin. Er senkt die Blutkonzentration des nervenzellschädigenden Stoffwechselprodukts 27-Hydroxycholesterol, das bei diesem HSP-Typ pathologisch erhöht ist. 

Der SPG5-Gendefekt kommt allerdings nur bei einem von einer Million Menschen vor. Quellen: Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH); HSP-Selbsthilfegruppe Deutschland e.V.; Universitätsklinikum Erlangen; Orphanet 

Hereditäre spastische Spinalparalyse (HSP) in Kürze

  • Seltene genetisch bedingte Bewegungsstörung. Führt zum fortschreitenden Verlust von motorischen Nervenzellen.
  • Symptomatik: meist zunehmende spastische Schwäche der Beinmuskulatur, oft bis zum Verlust der Gehfähigkeit. Seltener weitere neurologische und nichtneurologische Symptome.
  • Ursache: Genmutationen. Je nach betroffenem Gen unterschiedlicher HSP-Subtyp. Jeweilige Genprodukte führen zu Nervenzellschädigungen.
  • Behandlung funktionserhaltend und symptomatisch: Physiotherapie, Muskelrelaxanzien, Botulinumtoxin u. a. kausale und gentherapeutische Ansätze in Entwicklung.