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Mono-Impfstoff gegen Masern nicht mehr verfügbar

In Deutschland ist kein Mono-Impfstoff gegen Masern zugelassen, in der Schweiz gibt es Measles vaccine live, der ist jedoch nicht lieferbar. | Bild: Stockfotos-MG / Adobe Stock

Seit März dieses Jahres müssen Kinder, die älter als ein Jahr alt sind und eine Schule oder Kita besuchen wollen, gegen Masern geimpft sein oder eine Immunität nachweisen können. Das Gleiche gilt für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen arbeiten und nach 1970 geboren sind. Bei Verstößen gegen die Impfpflicht droht ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro, auch können nicht geimpfte Kinder vom Besuch der Kita ausgeschlossen werden.

In Deutschland kein Einzelimpfstoff zugelassen

Dass in Deutschland kein Einzelimpfstoff gegen Masern zugelassen ist, war bei Einführung der Impfpflicht bekannt. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte darin aber kein Hindernis gesehen. Auch im Gesetz (§ 20 Abs. 8 IfSG) heißt es ausdrücklich, die Impfpflicht gelte auch dann, „wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen”.

Der Gesetzgeber hat sich damit über eine Empfehlung des Deutschen Ethikrats hinweggesetzt. In einer Stellungnahme, die dieser zum Thema Impfpflicht veröffentlicht hatte, heißt es, es müsse „die praktische Möglichkeit geschaffen werden, nur gegen diejenige Krankheit zu impfen, auf die sich die Pflicht bezieht”.

Eine Alternative aus der Schweiz

Bis vor kurzem hatte es zumindest noch eine Alternative zur Dreifach- oder Vierfach-Impfung gegeben. Eltern, die ihre Kinder gegen Masern, aber nicht – oder erst später – gegen Mumps, Röteln und Windpocken impfen lassen wollten, sowie andere Betroffene konnten bisher den Monoimpfstoff „Measles vaccine live“ (Emergent BioSolutions Berna GmbH) aus der Schweiz bestellen. Dieser ist zwar in der EU nicht zugelassen, konnte aber auf Rezept als Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG  bestellt werden.

Impfstoff wohl ab Anfang September wieder zu bekommen

Doch nun gibt es einen Versorgungsengpass. Wie eine Leserin unseren Kollegen von DAZ.online berichtete, konnten ihr vier internationale Apotheken den Impfstoff auf Anfrage nicht liefern. Eine habe von einem „Lieferembargo “ gesprochen. Auf Nachfrage bestätigte das Schweizer Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), dass der Bedarf an Measles vaccine live auch dort nur noch begrenzt gedeckt werden könne. Momentan werden Schweizer Kunden aus einem Lager beliefert, das für solche Notfälle – nicht aber für Exporte – vorgesehen ist. Es gebe kein Lieferembargo gegen Deutschland, so das BWL, es fehle „am freien Markt vielmehr die Ware, um Exporte tätigen zu können”.

Der Export werde „wieder möglich sein, sobald die Firma wieder Ware erhält”, was nach deren Angaben Anfang September der Fall sein solle. In welchem Umfang bisher nach Deutschland exportiert wurde und ob zukünftig ausreichend Chargen zur Verfügung stehen werden, dazu hat das BWL keine Zahlen. Die Emergent BioSolutions Berna GmbH beantwortet Fragen zu den Lieferproblemen nicht.

Was spricht aus Sicht der Kritiker für den Dreifachimpfstoff?

Ohnehin seien die Einzelimporte aus der Schweiz keine ideale Lösung, sagt Stefan Schmidt-Troschke. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ist im Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidungen engagiert, der die Verfassungsbeschwerde gegen die Masern-Impfpflicht unterstützt. Eltern klärt er zwar über die theoretische Möglichkeit auf, mit Measles vaccine zu impfen. „Ich rate aber aus mehreren Gründen zur Mehrfachimpfung” sagt er.

Das liegt zum einen daran, dass das Gesetz genau genommen nicht zur Impfung, sondern zu Impfung oder Immunitätsnachweis verpflichtet. Wer nach einer ersten Impfung noch einen ausreichenden Schutz aufweist, kann auf eine weitere verzichten. Mit Measles vaccine live würden seiner Erfahrung nach aber nicht gleichermaßen hohe Antikörper-Titer erreicht. Es sei zwar trotzdem von einer Immunisierung auszugehen. Diese reicht aber womöglich später (zum Beispiel beim Schuleintritt) für den geforderten Immunitätsnachweis nicht aus, so dass nochmals geimpft werden muss. „Bei der Mehrfachimpfung hingegen kann der nachweisbare Schutz gegen Masern ausreichen, um eine zweite Impfung zu umgehen.”

Keine Kostenübernahme durch die Krankenkassen

Zudem müssten Eltern die importierte Impfung selbst bezahlen, was zusammen mit dem Arzthonorar etwa 150 Euro koste: Wegen der fehlenden Zulassung werden die Einzelimporte in der Regel nicht erstattet. Aus dem gleichen Grund besteht ein Problem mit der Haftung für eventuelle Impfschäden. Diese würde bei Measles vaccine live auf den Arzt übergehen (wovon ihn die Eltern aber entbinden können). Der Staat wäre hierbei theoretisch nicht zur Haftung verpflichtet. „Auch wenn ich glaube, dass sich aufgrund der Impfpflicht dennoch Ansprüche geltend machen ließen”, sagt Schmidt-Troschke.

Kinderarzt: Eltern wünschen Entscheidungsfreiheit

Ihm ist es wichtig zu betonen, dass die allerwenigsten Eltern, die seine Praxis in Berlin-Mitte aufsuchen, grundsätzlich gegen Impfungen seien. „Sie möchten nur gerne selbst entscheiden, in welchem Alter sie welche Impfung durchführen lassen.” Hier stellt sich allerdings noch ein weiteres Problem: Wer auf die Rötelnimpfung bei Mädchen im Säuglingsalter verzichtet, aber diese später nachholen möchte, muss doch noch auf einen MMR-Impfstoff zurückgreifen: Ein Einzelimpfstoff gegen Röteln ist in Deutschland nicht mehr verfügbar.