Der besondere Rückblick: Die Pille wird 60
Zunächst offiziell bei Regelbeschwerden
Im Jahr 1957 wurde in den USA das Mittel Enovid eingeführt. Es enthielt die Östrogen-Gestagen-Kombination Mestranol und Norethinodrel und war indiziert zur Behandlung menstrueller Beschwerden und zur Zyklusregulation. Der Argumentation des amerikanischen Gynäkologen John Rock war es zu verdanken, dass Enovid schließlich im Mai 1960 die Zulassung als Kontrazeptivum erhielt. Der Mediziner erklärte, dass die Pille im Grunde wie die Natur selbst wirke: Der Eisprung werde für eine gewisse Zeit unterdrückt. Im August 1960 kam Enovid als Kontrazeptivum auf den US-Markt.
Kontrazeption als Nebenwirkung
Nur ein knappes Jahr später war es auch hierzulande so weit: Am 1. Juni 1961 wurde in der Bundesrepublik Deutschland von der Firma Schering ein Präparat mit dem vielsagenden Namen Anovlar® (= kein Eisprung) eingeführt. Das Kontrazeptivum wurde aber in den ersten Jahren nur an verheiratete Frauen mit mehreren Kindern und nur mit Erlaubnis des Ehemanns abgegeben. Die offizielle Indikation für Anovlar® waren schmerzhafte Regelblutungen. Aus dem Beipackzettel war zu erfahren, dass während der Anwendung kein Eisprung erfolge. Die Schwangerschaftsverhütung wurde also quasi als Nebenwirkung angegeben.
Vom Papst verboten
Aufgrund der damaligen Moralvorstellungen stieß das Verhütungsmittel in der Gesellschaft auf heftigen Widerstand. Auch viele Ärzte weigerten sich, Anovlar® zu verschreiben. Im „Ulmer Manifest“ von 1964 wurde die Pille von annähernd 200 Medizinern verurteilt. In der Enzyklika „Humanae Vitae“ verbot Papst Paul VI. 1968 das Präparat. Bis die Pille ihren richtigen Siegeszug antrat, dauerte es daher noch einige Jahre. Auch in der damaligen DDR kam im Jahr 1965 mit Ovosiston® ein orales Kontrazeptivum auf den Markt. Heute verhütet in Deutschland mehr als die Hälfte der 18- bis 29-jährigen Frauen mit der Pille. Allerdings zeigt sich seit einigen Jahren ein rückläufiger Trend.
Veränderung der Dosis
Während das erste amerikanische Kontrazeptivum Enovid noch einen Östrogengehalt von 150 mg aufwies, war Anovlar® mit 50 mg Östrogenanteil deutlich niedriger dosiert. In Anovlar wurde das Östrogen Ethinylestradiol eingesetzt, das heute noch gebräuchlich ist. Es wurde mit dem Gestagen Norethisteron kombiniert. Der Östrogengehalt der meisten heutigen Pillen-Präparate beträgt nur noch 20 bis 30 mg.