Sichere Arzneimitteltherapie im Fastenmonat Ramadan
Gläubige Muslime fasten für vier Wochen im Jahr. Das Fasten läuft im Islam jedoch anders ab als im Christentum: Während des Ramadan dürfen Muslime von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang weder essen noch trinken. Sobald die Sonne sinkt, ist beides wieder erlaubt – und das wird meist ausgiebig zelebriert.
Diese Unregelmäßigkeiten betreffen allerdings nicht nur Nahrungsmittel und Flüssigkeiten, auch Arzneimitteltherapien werden tagsüber ausgesetzt. Medikamente werden dann entweder gar nicht oder die gesamte Dosis am Abend oder ganz früh morgens eingenommen.
Optimale Lösungen für die Medikation während des Ramadan gibt es nicht – es gilt jedoch, die Arzneimitteltherapie unter diesen besonderen Umständen so sicher wie möglich zu gestalten.
Gut zu wissen: Wie lange dauert der Ramadan?
Der Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Mondkalender und zugleich der islamische Fastenmonat. In diesem Jahr beginnt er mit Sonnenuntergang am 10. März und endet mit Sonnenuntergang am 9. April.
Das Ende des Fastenmonats wird traditionell mit dem drei Tage dauernden Fest des Fastenbrechens, auch Zuckerfest genannt, gefeiert.
Wer hält Ramadan?
Mit Eintritt in die Pubertät gilt für gläubige Muslime die Fastenvorschrift – egal, ob Mann oder Frau. Jedoch gibt es Ausnahmen. So sind manche Muslime von der Ramadanpflicht entbunden: Schwangere, stillende Mütter, menstruierende Frauen und Personen, bei denen Gefahr besteht, dass sich ihre gesundheitliche Situation durch die Enthaltsamkeit nicht bessert (z. B. Kranke und Altersschwache).
Personen, bei denen sich der gesundheitliche Zustand wieder stabilisiert, wie beispielsweise nach einer Schwangerschaft, müssen die versäumten Fastentage nachholen.
Worauf verzichten Muslime während des Ramadan?
Für die Dauer des Ramadan nehmen Muslime in der Regel ab der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang keine Nahrung und keine Flüssigkeit zu sich – und, wie zuvor beschrieben, auch keine Arzneimittel. Geschlechtsverkehr und Rauchen sind während des Tages ebenfalls tabu.
Wieso ist die Arzneimitteltherapie trotz Sonderregel für Kranke gefährdet?
Auch wenn kranke und altersschwache Patienten die Fastenvorschrift nicht einhalten müssen – so nehmen dennoch viele dieser Menschen aktiv am Ramadan teil, weil sie den Glaubensregeln folgen und nicht außerhalb der Familie stehen möchten. Das bedeutet: Die tagsüber dauernde Karenz kollidiert unweigerlich mit vielen Arzneimitteltherapien.
Welche Arzneimittel können im Ramadan problematisch sein?
Kritisch sind Arzneimittel, die Patienten mehrmals täglich und unbedingt einnehmen müssen. Das können Antibiotika sein, die zweimal pro Tag (Roxithromycin, Amoxicillin-Clavulansäure, Ciprofloxacin) oder gar dreimal pro Tag (beispielsweise Penicillin V) genommen werden.
Auch Arzneimittel zur Therapie von Diabetes, Schilddrüsenpräparate und dauerhafte Schmerztherapien mit Betäubungsmitteln können zum Problem werden.
Ramadan: Wann sollen Schilddrüsenhormone genommen werden?
Bei den Levothyroxin-haltigen Arzneimitteln gestaltet sich die Lösung noch relativ einfach. Die Einnahme erfolgt normalerweise nüchtern mit Leitungswasser direkt nach dem Aufstehen und eine halbe Stunde vor dem Frühstück. Diese Einnahme wird einfach ein paar Stunden vorverlegt, sodass Ramadanfastende L-Thyroxin noch vor der Morgendämmerung einnehmen können.
Wie kann man während des Ramadan Antibiotika einnehmen?
Nicht jedes Antibiotikum müssen Patienten mehrmals täglich im Abstand von zwölf, acht oder sechs Stunden einnehmen. Wenn auch andere Antibiotika die gleiche Wirksamkeit bei der Infektion zeigen, können Ärzte auf Wirkstoffe ausweichen, die Ramadanfastende nur einmal täglich einnehmen müssen.
Azithromycin ist so ein Beispiel: Das Antibiotikum kann bei Sinusitis, Mittelohrentzündung, leichten bis mittelschweren Infektionen der Haut oder außerhalb des Krankenhauses erworbenen Lungenentzündungen eingesetzt werden.
Bei Harnwegsinfektionen ist die Einmaltherapie mit Fosfomycin (Monuril®) ohnehin das Mittel der Wahl (bei Frauen mit unkomplizierter Harnwegsinfektion). Beim Fluorchinolon Levofloxacin (Tavanic®) reicht in der Regel auch eine Dosis pro Tag.
Was muss bei Diuretika während des Ramadan beachtet werden?
Fastende Muslime verzichten in der Regel auch auf die Flüssigkeitsaufnahme während des Tages. Bei diuretischen Arzneimitteln besteht so die Gefahr, dass die Patienten dehydrieren. Hier sollte gemeinsam mit dem Arzt über eine Dosisreduktion des Diuretikums nachgedacht werden.
Wie können Diabetiker den Ramadan gestalten?
Besonders kritisch ist die Therapie eines Diabetes während des Ramadan: Die ungewöhnlichen Essenszeiten und ungleichmäßig über den 24-Stunden-Tag verteilten Essensmengen bergen Gefahren für Über- und Unterzuckerungen – sprich Hyperglykämien beim reichhaltigen Mahl nach Sonnenuntergang und Hypoglykämien während der Nahrungsmittelkarenz tagsüber.
Am besten sollten die Diabetiker abends so früh wie möglich und vorzugsweise komplexe Kohlenhydrate (Vollkornprodukte) essen, da diese den Blutzuckerspiegel nicht akut in die Höhe treiben und auch Hypoglykämien längerfristiger vorbeugen.
Patienten sollten ihren Blutzucker während der Fastenzeit häufiger messen als sonst. Für den Notfall ist auch tagsüber Traubenzucker und somit das Fastenbrechen erlaubt, wenn die Gesundheit in Gefahr ist. Ärzte müssen die Diabetestherapie so gut es geht diesen geänderten Umständen anpassen.
Die Anpassungen sind immer individuell – beispielsweise kann so bei einer bislang erfolgten dreimal täglichen Metformingabe eine Dosis zum Frühstück vor Sonnenaufgang eingenommen werden, die beiden übrigen Dosen am Abend zum Fastenbrechen.
Geringe Gefahren für Hypoglykämien bestehen dagegen bei den Gliflozinen, Dapagliflozin (Forxiga®) und Empagliflozin (Jardiance®). Hier ist keine Dosisanpassung erforderlich.
Was tun, wenn ein Asthmatiker während des Ramadan einen akuten Asthmaanfall erleidet?
Dann hat er noch einmal Glück im Unglück gehabt. Denn Dosieraerosole – wie beispielsweise bei Atemnot mit dem Wirkstoff Salbutamol – sowie Pulverinhalatoren sind auch während des Ramadanfastens erlaubt.
Ramadan: Nicht alle Arzneimittel sind tagsüber verboten
Manche Arzneiformen sind auch während des Ramadan dauerhaft gestattet: Neben Dosieraerosolen und Pulverinhalatoren sind das Augentropfen und sublinguale Arzneimittel (z. B. Remergil® Soltab bei Migräne, Imodium® akut lingual bei Durchfall, Buprenorphin sublingual als Betäubungsmittel bei starken Schmerzen oder zur Substitution).
Auch Salben und Cremes dürfen Ramadanfastende ohne Weiteres anwenden, ebenso wie wirkstoffhaltige Pflaster (z. B. Fentanyl als Betäubungsmittel bei starken Schmerzen, Hormonpflaster wie Evra® oder Estradot® zur Verhütung oder Estrogenersatztherapie).
Vorsicht bei Nikotinersatztherapie
Ausnahme bei Pflastern sind solche zum Nikotinersatz: Da Rauchen während des Ramadan verboten ist, verstößt auch eine transdermale Nikotinersatztherapie gegen den Grundgedanken des Ramadan. Verboten sind außerdem Nasentropfen, Nasensprays und Zäpfchen.
Apothekenmitarbeiter sind meist nicht befugt, die Medikation umzustellen. Sie können jedoch Patienten sowie Ärzte sensibilisieren und in der Selbstmedikation zu „Ramadan-tauglichen“ Arzneimitteln greifen.