Keine Einschränkung bei Blasenentzündung: EMA beschränkt Anwendung von Fosfomycin
Fosfomycin galt lange Zeit als Antibiotikum, bei dem die Wahrscheinlichkeit, dass sich Resistenzen entwickeln, als gering eingestuft wurde. Grund ist sein spezieller Wirkmechanismus, bei dem die ersten Schritte der bakteriellen Zellwandsynthese gehemmt werden, und ein relativ begrenzter Einsatz des Antibiotikums. Das günstige Resistenzprofil hat in den letzten Jahren jedoch zu einer verstärkten Anwendung von Fosfomycin bei Patienten mit eingeschränkten Behandlungsoptionen geführt.
2018 hegte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) deswegen Zweifel an Fosfomycin und forderte die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) auf, Fosfomycin hinsichtlich zunehmender Resistenzen gegen Antibiotika neu zu überprüfen. Daraufhin hat der bei der EMA zuständige Humanarzneimittelausschuss CHMP im Dezember 2018 eine Nutzen-Risiko-Bewertung gestartet.
Europäische Unterschiede bei Indikation und Dosierung
Außerdem gibt es große Unterschiede, wie Fosfomycin in einzelnen EU-Ländern eingesetzt wird: Während in Deutschland nur orales Granulat mit 3 g (Monuril® und Generika bei unkomplizierter Blasenentzündung) und Infectofos® 2 g / 3 g / 5 g / 8 g zur intravenösen Infusion bei schweren Infektionen verfügbar sind, gibt es Fosfomycin in anderen Ländern als 500-mg-Tablette (Spanien), orales Granulat mit 2 g auch für Kinder oder zur intramuskulären Injektion (Spanien). Das BfArM wollte folglich auch bei Indikation und Dosierung eine neue wissenschaftliche Bewertung auf Grundlage des aktuellen Standes der Wissenschaft durch den CHMP.
Einsatz von Fosfomycin in Deutschland
Fosfomycin ist vor allem in der Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen bei Frauen bekannt. Als „Single-Shot“ wird das Antibiotikum einmalig oral und mit einer Dosierung von 3 g als Granulat aufgelöst und getrunken. Neben Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecilliam und Trimethoprim (bei Resistenzraten < 20 Prozent) zählt Fosfomyclin-Trometamol zu den bevorzugten Antibiotika bei einer unkomplizierten Zystitis (Blasenentzündung).
Zusätzlich wird Fosfomycin auch parenteral, als intravenöse Infusion, bei schweren Infektionen eingesetzt, vor allem als wertvolle Alternative zu Penicillinen und Cephalosporinen, wenn diese unverträglich sind oder aufgrund der Lokalisation der Infektion nicht ausreichend wirken. Fosfomycin ist eines der wenigen Antibiotika, die knochengängig sind, und es wird beispielsweise bei durch Streptokokken verursachten Entzündungen des Knochenmarks (Streptokokken-Osteomyelitis) eingesetzt. Außerdem dient Fosfomycin auch als Kombinationspartner bei multiresistenten Keimen (beispielsweise bei Pseudomonas-Infektionen in Kombination mit dem Carbapenem Meropenem oder dem Fluorchinolon Levofloxacin).
Fosfomycin intravenös nur noch als Reserve
Der CHMP empfiehlt, Fosfomycin intravenös nur noch zur Behandlung bestimmter schwerer Infektionen einzusetzen, wenn andere Antibiotika nicht geeignet sind: komplizierte Harnwegsinfektionen, infektiöse Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut), Knochen- und Gelenkinfektionen, im Krankenhaus erworbene Pneumonie (Lungenentzündung, einschließlich beatmungsassoziierte Pneumonie), komplizierte Haut- und Weichteilinfektionen, bakterielle Meningitis (Hirnhautentzündung), komplizierte intraabdominale Infektionen (Infektionen des Bauchraums) und Bakteriämie (Bakterien gelangen ins Blut), die möglicherweise mit einer der oben aufgeführten Infektionen einhergeht.
Fosfomycin i.v. auch vorher eher Reserve
Auch vor der neuen Empfehlung galt Fosfomycin nicht als Antibiotikum der ersten Wahl. So erklärt Infectopharm, der Hersteller von Infectofos®, dass Fosfomycin zur Behandlung von akuten und chronischen Infektionen indiziert ist, wenn diese durch Fosfomycin-empfindliche Erreger verursacht werden, insbesondere dann, „wenn Penicilline und Cephalosporine nicht gegeben werden können beziehungsweise deren Wirksamkeit auf Grund der Lokalisation der Infektion und der Empfindlichkeit der Erreger nicht ausreicht“. Zudem wird Fosfomycin i.v. „in der Regel im Rahmen einer Kombinationstherapie, insbesondere bei der Behandlung multiresistenter Keime, verabreicht“.
Orales Fosfomycin 3 g bei Harnwegsinfektionen – vorerst bleibt alles gleich
Keine Einschränkung sieht der CHMP bei Fosfomycin zur oralen Anwendung. Das Antibiotikum kann weiterhin zur Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen bei Frauen und weiblichen Jugendlichen angewendet werden. In Deutschland ist Fosfomycin-Trometamol als Granulat mit 3 g zugelassen: „Bei akuten unkomplizierten Harnwegsinfektionen durch fosfomycinempfindliche Erreger bei Mädchen ab dem 12. Lebensjahr und Frauen“. Zusätzlich wird in anderen EU-Ländern – nicht in Deutschland – Fosfomycin-Granulat (Fosfomycin-Trometamol) auch vorbeugend bei Männern eingesetzt, die sich einer Prostatabiopsie (Entnahme einer Gewebeprobe aus der Prostata) unterziehen. Auch das ist nach Ansicht des CHMP in Ordnung, allerdings wünscht sich die EMA hier weitere Informationen, um die Dosierungsempfehlung für diese Indikation zu stützen.
Fosfomycin-Calcium darf ebenfalls weiterhin oral zur Behandlung von unkomplizierten Harnwegsinfektionen eingesetzt werden. (Hinweis: Fosfomycin-Calcium ist als Arzneimittel in Deutschland nicht zugelassen. Einziges Land innerhalb der EU ist Spanien, das Fosfomycin-Calcium als 500-mg-Tabletten vermarktet). Wobei die EMA weitere Informationen zu Nutzen und Risiken fordert, „damit Fosfomycin-Calcium-Präparate in der EU weiterhin zugelassen bleiben können“.
Aus für Fosfomycin bei Kindern und intramuskulär
Die EMA empfiehlt außerdem, dass es bestimmte fosfomycinhaltige Zubereitungen fortan gar nicht mehr geben soll: Fosfomycin zur Injektion in den Muskel (intramuskuläre Anwendung, nur in Spanien zugelassen) und orales Fosfomycin zur Anwendung bei Kindern unter zwölf Jahren sollen nicht weiter eingesetzt werden, somit werden die Arzneimittelzulassungen für Fosfomycin i.m. und Fosfomycin-Granulat für Kinder mit 2 g ausgesetzt. Es fehlten Daten, die einen Nutzen für diese Patienten belegen, so die EMA. Für den deutschen Arzneimittelmarkt hat diese Entscheidung keine Konsequenzen, da beide Fälle in Deutschland nicht vorkommen: Es gibt keine fosfomycinhaltigen Arzneimittel zur intramuskulären Anwendung, und Fosfomycin als orales Granulat ist für Mädchen ohnehin erst ab zwölf Jahren zugelassen.
Was passiert nun?
Die Stellungnahme des CHMP wird nun an die Europäische Kommission weitergeleitet, die eine endgültige Entscheidung trifft. Diese gilt dann rechtsverbindlich in allen EU-Mitgliedstaaten.