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Verhütung der Zukunft: Die Monats-Pille

Ameya Kirtane und Tiffany Hua entwickeln derzeit zusammen mit Wissenschaftlern aus Boston und Los Angeles ein orales Kontrazeptivum, das nur einmal im Monat eingenommen werden muss. | Bild: MIT / Tiffany Hua

Orale Kontrazeptiva gehören zu den beliebtesten Formen der Empfängnisverhütung. Ihre Wirksamkeit hängt jedoch von der täglichen Einnahme ab. Eine multinationale Umfrage hat ergeben, dass über einen Zeitraum von drei Monaten fast 40 bis 50 Prozent der Frauen mindestens eine Dosis verpasst haben. Ein ähnlicher Prozentsatz der Frauen berichtete, das Medikament zur falschen Zeit eingenommen zu haben. Schätzungsweise werden jedes Jahr 9 Prozent der Frauen, die Antibabypillen einnehmen, ungewollt schwanger. Eine geringere Einnahmefrequenz könnte ein sinnvoller Ansatz sein, um solche Ereignisse zu verhindern.

Levonorgestrel für drei Wochen

Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA) entwickeln derzeit zusammen mit Wissenschaftlern aus Boston und Los Angeles ein orales Kontrazeptivum, das nur einmal im Monat eingenommen werden muss. Wie weit sie dabei schon gekommen sind, beschreiben sie in einer Publikation in Science Translational Medicine. In ihren Experimenten haben sie eine Gelatinekapsel eingesetzt, die das Verhütungsmittel Levonorgestrel enthält, und zwar in einer Dosis für drei Wochen. Die Kapsel verbleibt nach dem Verschlucken im Magen und setzt den Wirkstoff allmählich frei. Dann folgen eine hormonfreie Periode und eine Abbruchblutung, die gleichzeitig den Zeitpunkt für die Einnahme der nächsten Dosis markieren soll.

Sternförmiges Abgabesystem

Die neue Antibabypille basiert auf einem sternförmigen Medikamentenabgabesystem, das in der Kapsel zusammengefaltet vorliegt. Sobald diese sich im Magen auflöst, dehnen sich die Arme des Sterns aus, womit sie den Magen wegen ihrer Größe nicht mehr verlassen kann. Um die Haltbarkeit des Abgabesystems für drei bis vier Wochen zu gewährleisten, mussten sie nach Materialien suchen, die lange genug in der rauen Magenumgebung überleben konnten. Sie fanden heraus, dass zwei Arten von Polyurethan am besten für die Arme und den zentralen Kern des Sterns geeignet sind. Den Wirkstoff Levonorgestrel platzierten sie in den Armen und stellten fest, dass sie die Freisetzungsgeschwindigkeit durch Ändern der Konzentrationen der Polymere, die sie mit dem Wirkstoff mischen, steuern konnten.

Gleichmäßige Blutspiegel im Schweinemodell

In einer Studie an Schweinen zeigte sich, dass die Kapseln den Wirkstoff über bis zu vier Wochen mit einer ziemlich konstanten Geschwindigkeit freisetzen konnten. Die Konzentration des Arzneimittels im Blutstrom der Schweine war ähnlich der Menge nach täglicher Einnahme von Levonorgestrel-Tabletten. Für die Anwendung beim Menschen soll die Matrix so konzipiert werden, dass sie nach drei oder vier Wochen zusammenbricht und den Körper über den Verdauungstrakt verlässt. Die Forscher arbeiten noch an verschiedenen Möglichkeiten, um den Abbruch der Arme auszulösen, unter anderem durch Änderungen des pH-Werts, Temperaturänderungen oder den Kontakt mit bestimmten Chemikalien.

Tests am Menschen in drei bis fünf Jahren

„Wir sind zuversichtlich, dass diese Arbeit, unseres Wissens das erste Beispiel für eine Einmonatspille oder Kapsel, eines Tages zu neuen Modalitäten und Optionen für die Gesundheit von Frauen und auch für andere Indikationen führen wird", sagt Robert Langer, der David H. Koch Instituts-Professor am MIT. Langer und Giovanni Traverso, Assistenzprofessor für Maschinenbau am MIT und Gastroenterologe am Brigham and Women's Hospital, sind die leitenden Autoren der Studie. „Wir bemühen uns sehr darum, den Menschen die neue Technologie in den kommenden Jahren zugänglich zu machen“, fügt Traverso an. Er geht davon aus, dass Tests am Menschen innerhalb von drei bis fünf Jahren möglich sein könnten.

Hoffnung für Frauen in Entwicklungsländern

Ein solches nur monatlich einzunehmendes Kontrazeptivum könnte sich nach Ansicht der Forscher erheblich auf die Effizienz der Verhütung auswirken, und zwar vor allem in Entwicklungsländern. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wenden 214 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter in Entwicklungsländern, die eine Schwangerschaft vermeiden möchten, bislang keine moderne Verhütungsmethode wie Antibabypillen an. „Eine monatliche Version eines Verhütungsmittels könnte enorme Auswirkungen auf die globale Gesundheit haben“, glaubt Ameya Kirtane, leitende Postdoc am Koch-Institut für integrative Krebsforschung des MIT, eine der beiden Hauptautorinnen des Papers. 

Die Wissenschaftler vermuten außerdem, dass eine solche Pille auch für Frauen attraktiv sein könnte, die ein lang wirkendes orales Kontrazeptivum anderen langfristigen Verhütungsmethoden wie Intrauterinpessaren vorziehen würden.