Narkolepsie und Schlaf-Apnoe: Wenn die Nacht nicht ausreicht
Was ist Narkolepsie?
Narkolepsie ist eine Erkrankung, bei der die Schlaf-Wach-Regulation gestört ist. Volkstümlich wird Narkolepsie auch als Schlafkrankheit oder Schlummersucht bezeichnet. Als Auslöser werden Infektionen und autoimmune Prozesse (gestörte Toleranz des Immunsystems gegen körpereigene Stoffe) diskutiert, die Ursache ist ungeklärt (abgesehen von sekundären Narkolepsien, siehe unten).
Mit oder ohne Muskelspannungsverlust
Narkolepsie kann in unterschiedlichen Formen auftreten. Unter klassischer Narkolepsie (Narkolepsie Typ 1) versteht man eine Narkolepsie, die mit Kataplexie – einem teilweisen oder vollständigen Verlust der Muskelspannung – einhergeht. Daneben gibt es eine Form der Narkolepsie ohne Kataplexie (monosymptomatische Narkolepsie, Narkolepsie Typ 2) und sekundäre Narkolepsien, deren Ursache beispielsweise Tumore im Hypothalamus sein können. (Hypothalamus = Teil des Gehirns, der an der Steuerung von Hormonen beteiligt ist, regelt unter anderem auch Körpertemperatur und Nahrungsaufnahme).
Störung im Hypothalamus?
Als Ursache für Narkolepsie werden Störungen im Hypothalamus diskutiert. Es gibt Untersuchungen, die den Verlust bestimmter Nervenzellen dort – sogenannte Orexin-Neurone – zeigen. Das scheint jedoch vor allem bei Patienten mit klassischer Narkolepsie der Fall.
Orexin
Orexin ist ein Botenstoff des Hypothalamus, der das Essverhalten mit steuert. Orexin besitzt stoffwechselfördernde Funktionen, es erhöht die Körpertemperatur und die Wachheit, es fördert die Gewichtsabnahme. Bei Verlust der Orexin-Nervenzellen kann es somit zu einer erhöhten Müdigkeit und erhöhtem Körpergewicht kommen.
Langer Diagnoseweg
Wie viele Menschen an Narkolepsie erkrankt sind, ist unbekannt. Schätzungen liegen im Bereich von 26 bis 50 Erkrankten pro 100.000 Einwohner. Jedoch gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer aus. Vor allem bei Narkolepsie Typ 2, die ohne den Verlust des Muskeltonus einhergeht, ist die Diagnosestellung schwierig, da dieses augenscheinliche Symptom fehlt. Laut Orphanet, einem Portal für seltene Erkrankungen und Orphan Drugs (Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen), dauert es im Schnitt zehn Jahre, bis die Diagnose Narkolepsie beim Patienten gestellt wird.
Lebenslange Erkrankung
Meist entwickeln Patienten mit Narkolepsie erste Symptome im Alter von zehn bis 30 Jahren, andere Quellen nennen das 15. bis 40. Lebensjahr, in dem sich die Erkrankung manifestiert. Narkolepsie ist eine lebenslange Erkrankung, durch Arzneimittel (meist Stimulanzien) wird versucht, die Symptome zu lindern. Dennoch ist die Lebensqualität Fachleuten der Leitlinie Narkolepsie (derzeit in Überarbeitung, Gültigkeit bis 2017) zufolge „messbar eingeschränkt“. So können Tagesschläfrigkeit und Tagesschlafepisoden schulische und berufliche Leistungen mindern.
Die Symptome können im Verlauf der Erkrankung schwanken, wobei langfristig eine Tendenz zur Besserung besteht. So scheinen sich laut Orphanet die Schläfrigkeit und Kataplexie häufig zu bessern, während die Qualität des Nachtschlafes mit zunehmendem Alter abnimmt.
Welche Symptome zeigt Narkolepsie?
Zu den klinischen Symptomen einer Narkolepsie gehören Tagesschläfrigkeit mit Tagschlafepisoden und bei 80 bis 90 Prozent zusätzlich eine Kataplexie. Auslöser für den Verlust des Muskeltonus sind häufig starke Gefühle wie Lachen, Freude, Überraschung, Ärger, Furcht. Bei je etwa der Hälfte der Narkolepsiepatienten treten Schlaflähmung (beim Einschlafen oder Aufwachen vorübergehende Unfähigkeit sich zu bewegen), hypnagoge Halluzinationen (schlafbedingte Halluzinationen mit falschen Wahrnehmungen beim Einschlafen oder Aufwachen, etwa Gestalten sehen oder Geräusche hören), gestörter Nachtschlaf (leichter Schlaf, häufiges Aufwachen, stundenlanges Wachliegen, Albträume) und automatisches Verhalten (alltägliche Handlungen werden unbewusst beim Einnicken fortgeführt, zum Beispiel Essen oder Schreiben).
Schlafhygiene und bewusste Tagesschlafepisoden
Die Behandlungsmöglichkeiten bei Narkolepsie sind überschaubar. Zu den Therapien zählen nichtmedikamentöse und medikamentöse Maßnahmen. Die verhaltensmodifizierenden Maßnahmen umfassen Bewältigungsstrategien, Schlafhygiene (zum Beispiel fester Schlaf-Wach-Rrhythmus auch an freien Tagen) und individuell angepasste Tagesschlafepisoden (bewusst eingebaute Tagesschlafepisoden). Die ÄZQ (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin) rät zudem in einem extra erstellten Patientenratgeber zu Narkolepsie, dass Patienten regelmäßig körperlich aktiv sein sollen, da Bewegung und Sport gut gegen Müdigkeit seien, und vor Situationen, die hohe Konzentration erfordern, Coffein zu sich nehmen sollen, etwa Kaffee, schwarzen Tee oder Cola.
Als Arzneimittel finden derzeit vor allem die Wirkstoffe Modafinil, Natrium-Oxybat (Xyrem® ) und Methylphenidat (Betäubungsmittel) Anwendung. Auch Pitolisant (Wakix®) wird bei narkolepsiebedingter Tagesmüdigkeit eingesetzt.
Was ist Schlaf-Apnoe?
Auch Patienten mit Schlaf-Apnoe leiden – wie Narkolepsiepatienten – an ausgeprägter Tagesmüdigkeit, begleitet von Einschlafzwang (Sekundenschlaf). Die häufigste Form ist die obstruktive Schlaf-Apnoe (OSA, oder OSAS = Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom). Hier erschlafft die Muskulatur der oberen Atemwege, wodurch der obere Teil der Atemwege zusammenfällt. Diese Behinderung der Atmung mit Atemstillständen wird dann als krankhaft bezeichnet, wenn sie länger als zehn Sekunden dauert.
Warum sind Patienten bei nächtlichen Atemaussetzern müde?
Durch die Atemaussetzer sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut, der Kohlenstoffdioxidspiegel hingegen steigt. Das führt zu einer Weckreaktion des Körpers, sodass die Atmung wieder einsetzt. Diese Weckreaktionen stören jedoch den erholsamen Schlaf und bedingen die Tagesmüdigkeit der Apnoe-Patienten. In Deutschland leiden etwa 1 bis 2 Prozent der Frauen und 2 bis 4 Prozent der Männer im mittleren Alter am obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndrom.
Anatomische Besonderheiten begünstigen Schlaf-Apnoe
Bestimmte Faktoren begünstigen das Entstehen einer obstruktiven Schlaf-Apnoe. Unter anderem zählen Übergewicht, Polypen, eine verkrümmte Nasenscheidewand, vergrößerte Rachenmandeln, Alkohol oder Schlafmittel sowie eine genetisch bedingte Neigung zur erschlafften Rachenmuskulatur dazu.
Tagesmüdigkeit nur eine Folge von vielen
Neben Tagesmüdigkeit können die Patienten zusätzlich u. a. an Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsstörungen und Depressionen leiden. Darüber hinaus beeinflussen Schlaf-Apnoen nicht nur die Wachheit am Tag, sondern können auch zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzschwäche (Herzinsuffizienz) oder Herzinfarkten führen. Auch Stresserkrankungen, wie Magengeschwüre oder Tinnitus, können vergesellschaftet auftreten.
Konservative Therapie im Vordergrund
Primär wird eine Schlaf-Apnoe konservativ behandelt. In Frage kommen Gewichtsreduktion, Alkoholverzicht und, bei behinderter Nasenatmung, eventuell Operationen. Mit Atemtherapiegeräten wird versucht, einen kontinuierlichen positiven Atemwegsdruck (Continuous Positive Airway Pressure, CPAP) zu erzeugen, was ein Zusammenfallen der Atemwege verhindern soll.
Neuer Wirkstoff gegen Tagesmüdigkeit
Für beide Patientengruppen steht aller Wahrscheinlichkeit nach in Bälde ein neues Arzneimittel zur Verfügung: Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat jüngst die Zulassung von Solriamfetol in Sunosi® empfohlen. Der Wirkstoff soll bei bestehender Tagesmüdigkeit aufgrund von Schlaf-Apnoen zum Einsatz kommen.