Wirkung von Antihypertonika abends oft besser: Besser spät als früh?
In vielen Fällen wird die Einnahme von Arzneimitteln auf die Tageszeit abgestimmt. Die Gründe für diese Anpassung sind vielfältig und reichen von einer besseren Verträglichkeit bis hin zur Anpassung an biologische Rhythmen. Darüber hinaus kann der Einnahmezeitpunkt auch Einfluss auf das Ausmaß der Wirkung haben.
So werden Antihypertonika (Blutdrucksenker) meist morgens verordnet, da der Blutdruck – unter Einfluss des Sympathikus – morgens und nachmittags besonders hoch ist. Im Schlaf sinkt der Blutdruck dagegen für gewöhnlich unter 120 mmHg ab. Doch genau dieser Empfehlung stehen spanische Forscher aktuell kritisch gegenüber.
Blutdrucksenker besser abends einnehmen?
In einer aktuellen Analyse – veröffentlicht im „European Heart Journal“ – kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Blutdrucksenkern vor dem Schlafengehen im Mittel zu besseren Blutdruckwerten führt. In der Folge sank die Gefahr einer ernsthaften Folgeerkrankung demnach deutlich. Zu empfehlen sei, den idealen Zeitpunkt über eine Langzeit-Blutdruckmessung bestimmen zu lassen.
Abendliche Einnahme: tagsüber und nachts niedrige Werte
Das spanische Forscherteam um Ramón Hermida von der Universität Vigo untersuchte im Rahmen des Forschungsprojektes „Hygia“ an über vierzig medizinischen Zentren in Spanien, wann Blutdrucksenker am besten eingenommen werden sollten. Andere Einflussfaktoren wie Alter, Diabetes, Nierenerkrankungen, Rauchen und Cholesterinwerte wurden herausgerechnet.
Von den über 19 000 Studienteilnehmern mit Bluthochdruck nahmen die Hälfte die Medikamente abends, die übrigen nach dem Aufwachen. Im Mittel gut sechs Jahre lang überprüften Ärzte mindestens einmal im Jahr den Blutdruck der Probanden – mit Blutdruckmessgeräten, welche die Patienten über 48 Stunden am Körper behielten. Dabei zeigte sich, dass die Gruppe, die ihre Medikamente abends einnahm, bessere Werte erzielte. Der durchschnittliche Blutdruck tagsüber und nachts war in dieser Gruppe niedriger und die Werte fielen während des Schlafs stärker ab.
Risiko für Folgeerkrankungen annähernd halbiert
Die Forscher stellten zudem fest, dass die abendliche Medikamenteneinnahme im Mittel das Risiko ernsthafter Folgeerkrankungen minderte. Zu diesen zählen Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Eingriffe aufgrund von verstopften Blutgefäßen. 1752 Patienten der Studie erlitten ein solch schweres kardiovaskuläres Ereignis. Das Risiko, daran zu sterben, lag in der Gruppe, die ihre Medikamente abends nahm, fast um die Hälfte niedriger.
Nächtlicher Bluthochdruck als Risikofaktor für schwere Folgeerkrankungen
Frühere Studien hätten aber bereits gezeigt, dass ernste Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt vor allem mit erhöhten nächtlichen Werten in Zusammenhang stehen. Dies sehen die Autoren der Studie nun bestätigt. „Folglich sollten Rund-um-die-Uhr-Blutdruckmessungen empfohlen werden, um die wirkliche arterielle Hypertonie zu diagnostizieren und um das Risiko einer solchen Erkrankung einzuschätzen“, so Hermida.
Studienergebnisse nicht auf Schichtarbeiter anwendbar
Die Forscher weisen einschränkend darauf hin, dass die Studie mit Menschen durchgeführt wurde, die einen geregelten Tag-Nacht-Rhythmus einhalten. Die Ergebnisse könnten daher noch keine Aussage darüber ermöglichen, wie Menschen behandelt werden sollten, die zum Beispiel im Schichtdienst arbeiten. Generell sei es wichtig, die Situation für den jeweiligen Patienten individuell zu klären. Quelle:dpa/sn