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Versandarzneimittel: Temperaturen von über 60 Grad!

Die Vermutung, dass Päckchen beim Transport warm werden, bestand schon lange. Apotheker Christian Gerninghaus hat durch einen Testversand nun Gewissheit. | Bild: imago images / Alexander Pohl

Maximal 25 Grad Celsius lautet bekanntermaßen die vorgeschriebene Lagerungstemperatur für Arzneimittel. Apotheken und auch die Lieferfahrzeuge des Großhandels halten diese mit erheblichem technischem Aufwand und engmaschigen Kontrollen. Doch wie sieht es im Versand aus? Schließlich wird nicht kühlpflichtige Ware zumeist als Standardpaket verschickt. Klimaanlagen gibt es in den Lieferfahrzeugen zumindest bei DHL und Hermes offenbar nicht, das berichtete die „Hamburger Morgenpost“ vergangene Woche. Demnach wird es in den Wagen bis zu 50 Grad warm. Der Grund? Laut Morgenpost befürchtet DHL, dass sich die Mitarbeiter erkälten könnten. Eine Nachfrage unserer Kollegen von DAZ.online bei DHL, ob es zumindest auf der Lieferfläche Vorkehrungen zur Temperaturkontrolle gibt, blieb bislang unbeantwortet. 

Minimum-Maximum-Thermometer wurden in ein Paket gepackt 

Doch wie warm wird so ein Päckchen wirklich? Apotheker Christian Gerninghaus aus dem hessischen Schlitz machte vergangene Woche die Probe aufs Exempel: Zwei handelsübliche Minimum-Maximum-Thermometer wurden in ein Paket gepackt – ein billiges und ein besseres. 

Zur Erinnerung: Minimum-Maximum-Thermometer 

Ein Minimum-Maximum-Thermometer zeigt – wie der Name schon vermuten lässt – die minimale und die maximale Temperatur an, die seit der letzten „Aktivierung“ (Reset) erzielt wurden. Im Apothekenalltag finden sich diese Thermometer z. B. an Arzneimittelkühlschränken, um die korrekten Lagerbedingungen sicherzustellen. 

Einmal quer durch Hessen 

Die Minimum-Maximum-Thermometer wurden von Gerninghaus aktiviert und dann ging es ab auf die Reise – einmal durch Hessen von Schlitz nach Frankfurt, wo der Sohnemann, Joshua Gerninghaus, derzeit sein Praktisches Jahr macht. Folglich trifft der DHL-Bote, wie bei den meisten arbeitenden Menschen, bei der Zustellung auch niemanden an. Das Paket landet erstmal in der Postfiliale. Das Auspacken nach der Abholung hat der angehende Apotheker auf Video festgehalten. 

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Beim Ablesen der Thermometer dann die Gewissheit: Das Päckchen wurde warm, ziemlich warm! Die beiden Thermometer zeigen 60 °C (das bessere) beziehungsweise sogar 62,2 °C. 

Die Thermometer zeigen die Ausmaße der Hitze im Paket an. | Bild: Privat

Wie lange das Päckchen diesen Temperaturen ausgesetzt war, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist für den „normalen“ Empfänger erkennbar, dass sein Arzneimittel nicht bei der korrekten Temperatur gelagert wurde, für die Wirksamkeit und Unversehrtheit vom Hersteller garantiert werden – außer vielleicht bei Darreichungsformen wie Zäpfchen, die augenscheinlich Schaden nehmen. 

Forderung nach GDP für Versender 

Dass die Temperaturproblematik für den Online-Versand nicht geregelt ist, stört nicht nur die Apotheker. In einer aktuellen Pressemitteilung kritisiert der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens European Institute for Pharma Logistics GmbH (EIPL), Christian Specht, dass im geplanten Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken versäumt wurde, die genauen Temperaturanforderungen auch für den Online-Versandhandel klar zu definieren, beziehungsweise den Versand klar als Transport zu definieren und die Good-Distribution-Practice-Leitlinien (GDP) für die ausländischen Versandapotheken verpflichtend einzuführen. Während für den Großhandel die GDP gelten – und demnächst auch für die Botendienste der Vor-Ort-Apotheken –, seien die Versandapotheken weiterhin nicht zur GDP-Einhaltung verpflichtet, bemängelt Specht. Er verweist dabei auf eine Feldstudie, anhand der das EIPL-Institut bereits im Winter 2017 bei der Belieferung durch Online-Apotheken Schwachstellen nachgewiesen hatte. Auch in den Sommermonaten mit ebenfalls extremen Temperaturspitzen seien Stichproben gemacht worden. 

BVDVA hält nichts von GDP-Richtlinien für den Arzneimittelversand 

Auch der Phagro hatte in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes gefordert, dass die für den Großhandel vorgeschriebenen Transportbedingungen auch für Versandapotheken gelten sollen, was bei den Versendern aber nicht auf Gegenliebe stößt. So ließ der Vorsitzende des BVDVA (Bundesverband deutscher Versandapotheken), Christian Buse, auf dem „Fachforum Gesundheit“ Anfang Mai durchblicken, mit den Phagro-Forderungen nicht einverstanden zu sein. „Arzneimitteltransporte müssen wirtschaftlich bleiben“, entgegnete der BVDVA-Chef. Aus seiner Sicht ist die Ausweitung des GDP-Gültigkeitsbereichs nicht verhältnismäßig. So müssten sich Apotheken bei ihren Rezepturen ja auch nicht an die Good-Manufacturing-Practices (GMP) halten, die für pharmazeutische Unternehmen gelten. 

Versender reagieren teilweise 

Immerhin scheinen sich einige Versender mittlerweile dieser Problematik bewusst zu sein. DocMorris und Apo-Rot aus der Schweizer Zur Rose Gruppe schicken zum Beispiel bei hohen Außentemperaturen Arzneimittel, die offensichtlich und für jeden erkennbar leiden (z. B. Zäpfchen) mit Transoflex Thermomed. Das ergaben stichprobenartige Testkäufe. Anders der Wettbewerber Shop-Apotheke: Hier erfolgt der Versand als Standard-DHL-Paket.